Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 6. November 2013, GZ 35 Hv 198/11h‑777, verletzt im Schuldspruch § 155 Abs 1 zweiter Fall StGB.
Das Urteil, dass im Übrigen unberührt bleibt, wird in der rechtlichen Unterstellung der Thomas F*****, Stefan G***** und Mario L***** angelasteten Taten unter § 155 Abs 1 zweiter Fall StGB und demzufolge auch in den Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.
Text
Gründe:
Mit rechtskräftigem, in gekürzter Form ausgefertigtem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts St. Pölten vom 6. November 2013, GZ 35 Hv 198/11h‑777, das auch Freisprüche dieser sowie eines anderen Angeklagten enthält, wurden Thomas F***** (A./), Stefan G***** (B./) und Mario L***** (C./) des Vergehens (richtig: Verbrechens) des Sachwuchers nach § 155 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt, deren Vollzug teilweise zur Gänze, teilweise zum Teil bedingt nachgesehen wurde.
Gemäß § 366 Abs 2 StPO wurden Thomas F***** und Mario L***** zudem verpflichtet, den im Urteilsspruch angeführten Privatbeteiligten bestimmte Geldbeträge zu bezahlen.
Nach dem Schuldspruch haben die Angeklagten Thomas F*****, Stefan G***** und Mario L***** in unterschiedlichen Zeiträumen vom Jahr 2001 bis zum Juli 2007 an verschiedenen Orten teils alleine, teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit weiteren abgesondert Verfolgten in arbeitsteiliger Vorgangsweise, indem Thomas F*****, Stefan G*****, Mario L***** Daten der im Schuldspruch angeführten Unternehmen, an die in der Folge Angebotsschreiben für eine Eintragung in ein privates Firmenregister versendet wurden, beschafft hatten, gewerbsmäßig die Unerfahrenheit oder den Mangel an Urteilsvermögen ihrer Kunden im Zusammenhang mit der Werthaltigkeit ihres Angebots, der Reichweite und der Abrufbarkeit ihres Internetauftritts in einem privaten Firmenregister dadurch ausgebeutet, dass sie sich oder Dritten in rund 4.560 Fällen von Verfügungsberechtigten der im Schuldspruch detailliert angeführten geschädigten Unternehmen für ihre Waren‑ bzw Dienstleistung je Einzelfall einen Vermögensvorteil zwischen 683 Euro und 1.463 Euro versprechen oder gewähren ließen, welcher in einem auffallenden Missverhältnis zum Wert der eigenen Leistung stand, weil vergleichbare Leistungen im Tatzeitraum entweder kostenfrei oder gegen ein geringes, äußerstenfalls zweistelliges Entgelt angeboten wurden, wobei durch die Tat „eine größere Menge von Menschen schwer geschädigt“ wurde.
Das Erstgericht traf die Feststellung, dass Thomas F*****, Stefan G***** und Mario L***** erkannten, dass sie Unerfahrenheit oder den Mangel an Urteilsvermögen der von ihnen im Massenverfahren angeschriebenen Personen dahingehend ausbeuteten, „dass diese Personen nicht in Kenntnis jener Faktoren waren, die die Werthaltigkeit ihres Anbots auf Veröffentlichung der Firmendaten im österreichischen Handels‑ und Gewerberegister waren, und fanden sich damit ab, dass die Angebote für die ihre Dienstleistung und der damit von den annehmenden Unternehmen versprochene Vermögensvorteil in einem auffälligen Missverhältnis zum Wert der eigenen Gegenleistung stehen“, sowie dass sie es ernstlich für möglich hielten und sich damit abfanden, dass ihnen ein bloß zweistelliger Eurobetrag als fachübliche Gegenleistung zugestanden wäre (US 223).
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu Recht ausführt, verletzt das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 6. November 2013, AZ 35 Hv 198/11h, im Schuldspruch das Gesetz.
Die Generalprokuratur zeigt zutreffend auf, dass sich die Deliktsqualifikation, auf welche sich der Vorsatz erstrecken muss, dann zur Anwendung kommt, wenn eine größere Zahl von Menschen, somit zumindest zehn Personen, eine schwere Schädigung erleidet. Eine solche liegt dann vor, wenn der Schaden des Einzelnen die erste der beiden bei Vermögensdelikten festgelegten Wertgrenzen von 3.000 Euro (vgl § 126 Abs 1 Z 7 StGB) übersteigt ( Fabrizy , StGB 11 § 155 Rz 3; Leukauf/Steininger Komm 3 § 155 Rz 7 [mit jeweils zusätzlicher Forderung nach deutlicher Überschreitung der Wertgrenze], Kirchbacher/Presslauer in WK 2 StGB § 155 Rz 7; Althuber in SbgK § 155 Rz 15).
Ein pro Geschädigtem 3.000 Euro übersteigender Schaden zum Nachteil von zumindest zehn Opfern ist dem in gekürzter Form ausgefertigtem Urteil nicht zu entnehmen.
Gleichfalls mangelt es an Feststellungen zu einem entsprechenden Vorsatz der Angeklagten, zumindest zehn der zur Zahlung aufgeforderten Personen bzw Unternehmen in einem jeweils 3.000 Euro übersteigenden Betrag zu schädigen.
Da sich diese Rechtsfehler mangels Feststellungen zum Nachteil der Angeklagten auswirken (§ 292 letzter Satz StPO), sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, das den Verurteilten zum Nachteil gereichende Urteil in der rechtlichen Unterstellung der Thomas F*****, Stefan G***** und Mario L***** angelasteten Taten unter § 155 Abs 1 zweiter Fall StGB und demzufolge auch die diese Angeklagten betreffenden Strafaussprüche aufzuheben.
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