European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0150OS00084.14P.0827.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Chaoying L***** mehrerer Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (A./), eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB, mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (B./), mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (richtig: mehrerer Vergehen nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB [C./1./ in Bezug auf B./1./ und C./2./] sowie mehrerer Vergehen nach § 212 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 [C./1./ in Bezug auf A./]; vgl RIS‑Justiz RS0089011, RS0090966) sowie mehrerer Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB (D./) schuldig erkannt.
Danach hat er
A./ die am 10. Mai 1988 geborene, somit unmündige Mixue L***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, und zwar
1./ etwa zwischen 1995 und 1997 in H*****, indem er sie veranlasste, seinen Penis in den Mund zu nehmen;
2./ zwischen Anfang 1998 und 30. September 1998 in L***** in mehreren Angriffen, indem er ihr den Finger in die Scheide einführte und sie auch im Genitalbereich leckte;
B./1./ ab 1. Oktober 1998 bis zum Erreichen des 14. Lebensjahres des Opfers am 10. Mai 2002 in L***** mit der am 10. Mai 1988 geborenen, somit unmündigen Mixue L***** dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er in mehreren Angriffen seinen Finger in ihre Scheide einführte und sie im Genitalbereich leckte;
2./ ca zwei Wochen nach der zu A./1./ beschriebenen Tathandlung in H***** mit der am 10. Mai 1988 geborenen, sohin unmündigen Mixue L***** den Beischlaf unternommen, indem er ihr zunächst einen Finger und sodann seinen Penis in die Scheide einführte, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung, mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung zur Folge hatte;
C./ mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person, und zwar mit seiner am 10. Mai 1988 geborenen Tochter Mixue L*****, geschlechtliche Handlungen vorgenommen und an sich vornehmen lassen, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, und zwar
1./ durch die zu den Punkten A./ und B./1./ beschriebenen Tathandlungen;
2./ in der Zeit ab Erreichung des 14. Lebensjahres der Mixue L*****, also seit 10. Mai 2002, bis etwa 2004 in L*****/L*****, indem er ihr in zahlreichen Angriffen den Finger in die Scheide einführte und sie im Bereich der Scheide leckte;
D./ eine Person, mit der er in absteigender Linie verwandt ist, nämlich seine am 10. Mai 1988 geborene leibliche Tochter Mixue L***** zum Beischlaf verführt, und zwar
1./ zwischen 2003 und 2005 in L*****/L*****, indem er mit ihr den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss vollzog;
2./ zwischen 1995 und 1997 in H***** durch die zu Punkt B./2./ beschriebene Tathandlung.
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3 und 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ keine Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Dass gegen den ausdrücklichen Antrag des Angeklagten (ON 47 S 15) die im Ermittlungsverfahren vor der Polizei (ON 2 S 39 ff) und im Rahmen der kontradiktorischen Vernehmung (ON 12) getätigten Angaben der Zeugin Mixue L***** in der Hauptverhandlung verlesen und die Ton‑ und Bildaufnahmen der Vernehmung vorgeführt wurden (ON 47 S 21 und 57), begründet ‑ den darauf bezogenen Verfahrensrügen zuwider ‑ keine Nichtigkeit.
Ungeachtet des Umstands, dass Mixue L***** anlässlich ihrer kontradiktorischen Vernehmung (§ 165 StPO) bekundet hatte, in der Hauptverhandlung von dem ihr zustehenden Aussagebefreiungsrecht Gebrauch machen zu wollen (ON 12 S 53), bedurfte die Verlesung ihrer Schilderungen im Ermittlungsverfahren schon deshalb keiner Zustimmung des Angeklagten (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO), weil die Zeugin schließlich doch vom erkennenden Gericht befragt werden konnte und sich dabei explizit auf ihre bisherigen Angaben berief (ON 47 S 45), ohne von diesen abzuweichen oder die Beantwortung von Fragen zu verweigern. Solcherart fallen ‑ entgegen dem aus Z 3 erstatteten Beschwerdevorbringen ‑ ihre im Ermittlungsverfahren getätigten Aussagen auch nicht unter den Schutzzweck des § 252 Abs 1 StPO, weil ihre Wiedergabe nichts an der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme unter Befragungsmöglichkeit der Verteidigung ändert (RIS-Justiz RS0110150; Kirchbacher, WK‑StPO § 252 Rz 31; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 230).
Die ‑ aus Z 4 kritisierte ‑ Ablehnung der Beiziehung eines aussagepsychologischen Gutachters zum Beweis dafür, dass die Aussagen der Zeugin „nicht erlebnisbasiert, sondern durch Suggestion und Suggestibilität zu Stande gekommen“ sind (ON 47 S 17 und 59), erfolgte ebenfalls zu Recht, weil die Antragstellung die insofern erforderliche Bereitschaft des Opfers zur Mitwirkung an einer Begutachtung nicht darzustellen vermochte (RIS‑Justiz RS0118956). Zudem wiesen die ins Treffen geführten Umstände, wonach die Zeugin wiederholt mit anderen Personen über die sexuellen Übergriffe gesprochen und sich mit Hilfe Dritter auf die Anzeigeerstattung „vorbereitet“ habe, keineswegs auf einen von der ständigen Rechtsprechung verlangten Ausnahmefall hin, in welchem die Tatrichter für die Glaubwürdigkeitsprüfung der Beiziehung eines Experten bedürften (RIS-Justiz RS0097733, RS0120634).
Gleichermaßen ohne Beeinträchtigung von Verfahrensrechten lehnte das Erstgericht den Antrag auf Ergänzung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. W***** „zum Beweis dafür, dass nicht die angeklagten sexuellen Übergriffe, sondern der Tod des Großvaters zu einer Belastungsstörung oder posttraumatischen Störung bei der Zeugin führte“ (ON 47 S 59 f) ab: Aus welchem Grund die begehrte Beweisaufnahme ‑ trotz der bisherigen Ausführungen des genannten Experten zu eben diesem Themenkomplex (ON 47 S 27 ff) ‑ nunmehr das behauptete Ergebnis erwarten lassen sollte, erklärte die Antragstellung mit der bloßen Spekulation über eine andere Ursache der posttraumatischen Belastungsstörung (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327) nicht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher ‑ im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu erstatteten Äußerung des Verteidigers ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)