European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E108003
Spruch:
Das Verfahren ist vom Bezirksgericht Steyr zu führen.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Am 23. April 2014 brachte die Staatsanwaltschaft Steyr Strafantrag gegen Christian G***** wegen § 83 Abs 1 StGB beim Bezirksgericht Steyr zu AZ 5 U 88/14g ein (ON 1 S 1). Danach liegt dem Genannten zur Last, er habe am 2. April 2014 in S***** Johannes H***** vorsätzlich am Körper verletzt, indem er dem Genannten ein gebrochenes Bierglases an den Hals drückte und ihm dadurch zwei Schnittwunden im Bereich des Halses zufügte (ON 3).
Das Bezirksgericht Steyr fasste am 29. April 2014 den Beschluss auf Abtretung des Verfahrens (der Sache nach Überweisung gemäß § 38 erster Satz StPO) gemäß § 37 StPO an das Landesgericht St. Pölten zur Einbeziehung in das dort ‑ laut VJ‑Register gegen Christian G***** wegen §§ 146, 147 Abs 2 StGB ‑ anhängige Verfahren AZ 35 Hv 21/14h (ON 1 S 3).
Mit Verfügung vom 15. Mai 2014 (ON 5) retournierte das Landesgericht St. Pölten den Akt AZ „15 BAZ 125/14k dem BG Steyr“ mit dem Bemerken, „dass das Verfahren 35 Hv 21/14h des Landesgerichts St. Pölten im Stadium der Diversion ist (§ 200a), weshalb eine Einbeziehung in das zumindest vorläufig beendete Verfahren nicht möglich ist“.
In seiner am 20. Mai 2014 verfügten Vorlage an den Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit vertritt das Bezirksgericht Steyr die Ansicht, dass eine „vorläufige Einstellung“ einer Verfahrensverbindung nicht entgegenstehe und daher dem Landesgericht St. Pölten als übergeordnetem Gericht die Führung des Strafverfahrens zukomme (ON 1 S 3).
Wenn das Bezirksgericht infolge örtlicher Unzuständigkeit mit Überweisung gemäß § 38 erster Satz StPO vorgeht, kommt es zu einem vom gemeinsamen übergeordneten Gericht zu entscheidenden Kompetenzkonflikt, wenn das auch in der Folge befasste Gericht seine Zuständigkeit verneint (Oshidari, WK‑StPO § 38 Rz 18 iVm Rz 2).
Nach der ‑ auch im Verfahren vor dem Bezirksgericht geltenden (Oshidari, WK‑StPO § 37 Rz 7) ‑ Bestimmung des § 37 Abs 3 StPO sind, sofern zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anklage rechtswirksam wird, ein Hauptverfahren gegen den Angeklagten anhängig ist (somit im Falle subjektiver Konnexität), die Verfahren zu verbinden, wobei die Zuständigkeit des Gerichts sich auch in diesem Fall nach Abs 1 und Abs 2 leg cit bestimmt. Gemäß § 37 Abs 2 erster Satz erster Fall StPO ist unter Gerichten verschiedener Ordnung das höhere für alle Verfahren zuständig.
Ein noch nicht mit Einstellungsbeschluss nach § 199 StPO beendetes Diversionsverfahren ändert zwar nichts an der den Konnexitätstatbestand des § 37 Abs 3 StPO bedingenden Anhängigkeit des Hauptverfahrens (Oshidari, WK‑StPO § 37 Rz 7; RIS-Justiz RS0126517; Fabrizy, StPO11 § 37 Rz 4). Im vorliegenden Fall ist die Vorgangsweise des Landesgerichts jedoch der Sache nach als Verfahrensausscheidung anzusehen, sodass dieses gemäß § 36 Abs 4 StPO für das ausgeschiedene Verfahren nicht örtlich zuständig bleibt, weil für die Verhandlung und Entscheidung das Bezirksgericht zuständig ist.
Aus diesem Grund ist das Verfahren vom Bezirksgericht Steyr zu führen.
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