OGH 12Os27/14h

OGH12Os27/14h3.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juli 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel‑Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Moritz als Schriftführer in der Strafsache gegen Lulzim B***** und andere Angeklagte wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 2 Z 2 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Akil H***** gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 17. Oktober 2013, GZ 10 Hv 58/13w‑181, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E108149

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Akil H***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Schuldsprüche der Mitangeklagten Lulzim B***** und Adrian K***** sowie Freisprüche enthält, wurde Akil H***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall und Abs 2 Z 2 SMG (I./1./), der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (I./2./a./) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (III./) schuldig erkannt.

Danach haben ‑ verkürzt wiedergegeben ‑ in G*****, L*****, B***** und anderen Orten des Bundesgebiets

I./ Lulzim B*****, Adrian K***** und Akil H***** im Zeitraum ab Dezember 2012 bis zum 11. Februar 2013 im Rahmen einer kriminellen Vereinigung und „in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Suchtgiftverkäufen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen“, vorschriftswidrig Suchtgift in einer nicht näher bekannten, die Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge,

1./ anderen angeboten, indem sie von einer unbekannt gebliebenen Quelle bezogenes Kokain dadurch folgenden Personen zum Kauf offerierten, dass ihrem Tatplan entsprechend Lulzim B***** diesen teils nach vorheriger Preisabsprache mit Adrian K***** und Akil H***** ein Kaufangebot unterbreitete, und zwar

a./ am 30. und 31. Jänner 2013 sowie am 11. Februar 2013 einem verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts insgesamt 1,8 Kilogramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 10,33 % (Reinsubstanz: zumindest 309,9 Gramm [ersichtlich gemeint: 185,94 Gramm; vgl US 31]), sowie

b./ im Jänner 2013 der abgesondert verfolgten Aniko R***** und anderen, namentlich nicht bekannten Prostituierten des „Love-Haus“ in L***** nicht näher bekannte Mengen;

2./ anderen überlassen,

a./ indem sie zumindest 273 Gramm Kokain, davon 75,8 Gramm mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 10,33 % und 197,2 Gramm mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 14,97 % in einer Vielzahl von Angriffen nachgenannten Personen gewinnbringend verkauften, und zwar

aa./ der abgesondert verfolgten Nora K***** insgesamt zwei Gramm Kokain zum Grammpreis von zumindest 80 Euro;

bb./ der abgesondert verfolgten Aniko R***** ein Gramm Kokain zum Grammpreis von zumindest 75 Euro;

cc./ dem abgesondert verfolgten Bajram G***** insgesamt 18 Gramm Kokain zum Grammpreis von zumindest 60 Euro;

dd./ einem verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts insgesamt ca 202 Gramm Kokain, davon 4,8 Gramm zu einem Grammpreis von zumindest 75 Euro sowie 197,2 Gramm Kokain zum Grammpreis von zumindest 44 Euro;

ee./ zumindest 53 Gramm Kokain, davon ein Gramm zum Preis von zumindest 50 Euro, an namentlich nicht näher bekannte Personen;

...

III./ Akil H***** zumindest im Zeitraum 20. Dezember 2012 bis 11. Februar 2013 ‑ mit Ausnahme des unter Punkt I./ angeführten ‑ Suchtgift zum ausschließlichen persönlichen Gebrauch erworben und besessen, indem er in wiederholten Angriffen Kokain

1./ von nicht näher bekannten Personen kaufte, sowie

2./ im Zuge des Suchtgiftkonsums tatsächlich inne hatte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 3, 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Akil H*****, der keine Berechtigung zukommt.

Die bloß pauschale Behauptung einer Verletzung des mit Nichtigkeit bedrohten Umgehungsverbots nach § 252 Abs 4 StPO (Z 3), welche der Beschwerdeführer in der Verlesung sämtlicher Polizeiberichte und im Zuge dessen auch der Berichte des verdeckten Ermittlers angesichts der „darin enthaltenen Aussagen von Zeugen und Beschuldigten“ erblickt, genügt ohne deutliche und bestimmte Bezeichnung konkreter Berichtsteile und darin enthaltener ‑ dem Verlesungsverbot des § 252 Abs 1 StPO unterliegender ‑ Angaben (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 236 iVm 228) zum Nachweis des geltend gemachten Anfechtungstatbestands nicht (§ 285a Z 2 StPO; Ratz, WK‑StPO § 285d Rz 10; vgl auch RIS-Justiz RS0124172).

Im Übrigen wurden, neben der Verlesung der Polizeiberichte mit Ausnahme der darin enthaltenen Niederschriften gemäß § 252 Abs 2 StPO, letztere laut dem - unbeanstandeten - Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 180 S 3) einvernehmlich gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO verlesen, sodass deren bloß mittelbares Vorkommen in der Hauptverhandlung vom Einverständnis des Nichtigkeitswerbers gedeckt war.

Den Antrag des Beschwerdeführers auf Ladung und Vernehmung des Hektor C***** zum Beweis dafür, „dass der Drittangeklagte die Wahrheit gesagt habe, dass er mit Drogengeschäften nichts zu tun hatte, insbesondere solche nicht organisiert hat, dass er erst im Dezember 2012 nach Österreich gekommen ist bzw diesen da erst kennen lernte und in Österreich über seine Vermittlung bzw die des Erst- und Zweitangeklagten Arbeit finden wollte“ (ON 159 S 14 iVm ON 180 S 2), durfte das Schöffengericht schon deshalb ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abweisen (ON 180 S 2), weil er nicht darlegt, weshalb dieser Zeuge, ungeachtet dessen, dass er sich ‑ insoweit unstrittig ‑ ab Ende Dezember 2012 nur wenige Tage in Österreich aufhielt (vgl US 10 iVm ON 159 S 13 f), überhaupt in der Lage sein sollte, erhebliche, den Angeklagten entlastende Angaben zu tätigen. Dergestalt erweist er sich jedoch als unzulässiger Erkundungsbeweis (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330 f).

Angesichts der ‑ auch in der Rechtsmittelschrift selbst wiedergegebenen ‑ Konstatierungen zu dem auch beim Beschwerdeführer zum Schuldspruch I./ insgesamt angenommenen Vorsatz legt die Mängelrüge nicht nachvollziehbar dar, weshalb die weitere Feststellung (zu I./2./a./ee./), dass Zweit- und Drittangeklagter im Rahmen der kriminellen Vereinigung zumindest eine Menge von 50 Gramm Kokain an nicht näher bekannte Abnehmer verkauften (US 11, vgl auch US 19), zur subjektiven Tatseite undeutlich (Z 5 erster Fall) geblieben und es insbesondere von Relevanz sein sollte, an wen die genannte Menge an Kokain verkauft wurde.

Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) erhebliche Bedenken gegen die zu I./2./a./ konstatierten Suchtgiftverkäufe an Nora K*****, Aniko R*****, Bajram G*****, einen nicht näher bekannten Jungen und eine ebensolche Prostituierte (US 11) „im Zusammenhang mit dem gesamten Akteninhalt“ zu wecken sucht, lässt sie bereits die nach der Prozessordnung gebotene Bezugnahme auf konkrete Beweismittel vermissen (RIS-Justiz RS0117446).

Überdies spricht sie, ebenso wie zu I./1./b./ und I./2./a./aa./ und bb./ durch die konkrete Bezugnahme auf Aussagen von Nora K***** und Aniko R***** (insoweit dSn auch Z 5) schon angesichts der zu I./ jeweils angebotenen und überlassenen Suchtgiftmengen keine entscheidenden Tatsachen an (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 474, 398 ff; vgl auch RIS-Justiz RS0127374 [T1]).

Da zu III./ - trotz des das gesamte Urteil umfassenden Aufhebungsantrags - kein Vorbringen erstattet wurde, war die Nichtigkeitsbeschwerde auch insoweit zurückzuweisen (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).

Der Rechtsmittelantrag, „nach § 288a StPO die Hauptverhandlung zu vernichten“, ist nicht nachvollziehbar, weil kein Oberlandesgericht die Rechtswirksamkeit der Anklageschrift festgestellt hat (§ 281a StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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