OGH 3Ob2/14m

OGH3Ob2/14m25.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. R*****, und 2. U*****, beide vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Ö*****bund, G*****, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellungen (16.000 EUR), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Oktober 2013, GZ 16 R 127/13h‑13, womit über Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 5. April 2013, GZ 9 Cg 59/12f‑9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E108028

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die beklagte Partei ist ein Verein im Sinne des VerG 2002. Die G***** (im Folgenden kurz „G“) ist eine im Rahmen der beklagten Partei bestehende „Fachorganisation“, der nach den Vereinsstatuten der beklagten Partei eine Organstellung (ohne eigene Rechtspersönlichkeit) zukommt. Ihr innerer Aufbau und ihre Tätigkeit sind der Kontrolle der beklagten Partei (Gesamtverein) unterworfen.

Der Erstkläger ist Mitglied der G und einer der beiden Vorsitzenden der zweitklagenden Partei, eines Vereins im Sinne des VerG 2002 und einer wahlwerbenden Gruppe innerhalb der G. Der Erstkläger wurde von der zweitklagenden Partei am Bundeskongress der G im November 2011 für die Wahl des Vorstands der G nominiert, aber von der Wahlvorschlagskommission nicht in den Wahlvorschlag aufgenommen.

Im vorliegenden Fall ist in erster Linie strittig, ob der Erstkläger aufgrund der zugrunde liegenden Wahlergebnisse in den 18-köpfigen Vorstand der G aufzunehmen gewesen wäre oder nicht. Für die Entscheidung dieser Frage kommt es auf die Auslegung der Geschäftsordnung („GO“) und der Wahlordnung („WO“) der G, insbesondere des in § 3 Abs 3 GO angesprochenen Verhältniswahlrechts an. Bei der Ermittlung der Mandate wird nach § 22 WO das so genannte d´Hondt-Verfahren angewendet (darüber besteht kein Streit).

GO und WO der G haben auszugsweise folgenden Inhalt:

Nach § 5 Abs 7 GO obliegt dem ‑ in § 3 Abs 2 Z 1 GO neben der Länderkonferenz (Z 2), der Bundeskonferenz (Z 3), dem Vorstand (Z 4) und dem Präsidium (Z 5) als Organ der G bezeichneten ‑ Bundeskongress

„b) die Wahl des Vorsitzenden, der Vorsitzenden-Stellvertreter, der weiteren Vorstandsmitglieder, der Kontrollkommission, des Schiedsgerichtes und der weiteren Bundeskonferenzmitglieder gemäß § 7 Abs. 3 lit. ...“

In § 3 Abs 3 GO ist festgelegt:

„Bei der Wahl (Bestellung) der Mitglieder der Organe … ist das Stärkeverhältnis der Wählergruppen der Landesvertretungen des jeweiligen Bereiches zu Grunde zu legen. Wählergruppen, auf die insgesamt weniger als 5 % der gültigen Stimmen entfielen, sind nicht zu berücksichtigen.“

Gemäß § 8 Abs 3 GO besteht der Vorstand aus

a) den Mitgliedern des Präsidiums und

b) den weiteren Vorstandsmitgliedern.“

Das Präsidium besteht nach § 9 Abs 1 GO „aus dem Vorsitzenden und den Vorsitzenden-Stellvertretern. Zumindest ein Präsidiumsmitglied muss eine Vertreterin des Bereiches Frauen sein.“

Nach § 16 Abs 5 lit b GO obliegt dem Landeskongress „die Wahl des Vorsitzenden und der zwei Vorsitzenden-Stellvertreter des Landesvorstandes sowie die Wahl der weiteren Mitglieder des Landesvorstandes und die weiteren Mitglieder des erweiterten Landesvorstandes gemäß § 17 Abs. 3 lit. d. Der Vorsitzende ist aus der stärksten, ein Vorsitzender-Stellvertreter aus der zweitstärksten Wählergruppe zu wählen (§ 3 Abs. 3 gilt sinngemäß).“

Gemäß § 27 Abs 1 GO wird die aus fünf Mitgliedern und fünf Ersatzmitgliedern bestehende Kontrollkommission vom Bundeskongress gewählt. Die Kontrollkommission wählt aus ihrer Mitte den Vorsitzenden und den Vorsitzenden-Stellvertreter. Das ebenfalls aus fünf Mitgliedern und fünf Ersatzmitgliedern bestehende Schiedsgericht wird nach § 28 Abs 2 GO auf dem ordentlichen Bundeskongress für eine Funktionsperiode gewählt. Die Schiedsrichter wählen aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter (§ 28 Abs 3 GO).

§ 55 WO lautet wie folgt:

„Die Delegierten zum Bundeskongress wählen den Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und die Mitglieder des Vorstandes mit Mehrheit der abgegebenen Stimmen in geheimer Wahl. Der Vorsitzende ist aus der stärksten Wählergruppe zu wählen. § 3 Abs 3 GO gilt sinngemäß.“

Der Vorstand der G setzt sich derzeit aus einem Vorsitzenden, fünf Vorsitzenden-Stellvertretern und zwölf weiteren Mitgliedern, insgesamt aus 18 Personen zusammen. Diese 18 Personen wurden auf dem Bundeskongress im November 2011 in drei gesonderten Wahlgängen nach Funktionskategorien (Vorsitzender/fünf Vorsitzenden-Stellvertreter/zwölf weitere Mitglieder) gewählt, wobei in den einzelnen Wahlgängen (beim ersten spielt es mathematisch keine Rolle) ‑ jeweils für sich gesondert ‑ das d'Hondt-Wahlverfahren angewendet wurde. Auf diese Weise erreichte die zweitklagende Partei, auf die die Wahlzahl 14 entfiel, bei keinem Wahlgang ein Mandat. Wäre nur ein einzelner Wahlvorgang für alle 18 Mitglieder des Vorstands durchgeführt worden, hätte sich im Sinne des d'Hondt-Wahlverfahrens ein 14. Mandat für die zweitklagende Partei ergeben (womit der Erstkläger in den 18‑köpfigen Vorstand aufzunehmen gewesen wäre).

Am 14. November 2011 riefen die klagenden Parteien gegen die statutenwidrige Zusammensetzung des Vorstands und gegen die daraus folgende Verweigerung der Fraktionsanerkennung das Schiedsgericht der G an. Mit Spruch des Schiedsgerichts vom 16. Mai 2012 wurde die Beschwerde in beiden Beschwerdepunkten abgewiesen und festgestellt, dass der Vorstand der G statutengemäß zusammengesetzt sei und dass die Voraussetzungen für eine Fraktionsanerkennung der zweitklagenden Partei auf allen Ebenen nicht erfüllt seien.

Mit ihrer am 4. Juli 2012 eingebrachten Klage begehren die klagenden Parteien

a) die Feststellung, dass der Vorstand der G nicht statutengemäß zusammengesetzt sei und dass der Erstkläger gemäß § 3 Abs 2 Z 4 und Abs 3 GO dem Vorstand der G angehöre, und

b) die Feststellung, dass der zweitklagenden Partei auf allen Ebenen der G der Status als Fraktion im Sinne der Fraktionsordnung der G zukomme.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Nach dem klaren Wortlaut des § 5 Abs 7 lit b GO sei die Wahl des Vorstands in drei separaten Wahlen durchzuführen, nämlich für den Vorsitzenden, die Vorsitzenden-Stellvertreter und die weiteren Vorstandsmitglieder. Übereinstimmend dazu ordne auch § 55 WO an, dass dem Bundeskongress nicht die Wahl des „Vorstandes“ an sich, sondern ‑ explizit ‑ die Wahl des Vorsitzenden, der Vorsitzenden-Stellvertreter und der weiteren Vorstandsmitglieder obliege. Eine ähnliche Bestimmung finde sich im Übrigen in § 16 Abs 5 lit b GO zur Wahl des Landesvorstands, wohingegen die Regeln über die Wahlen der Vorsitzenden bzw Vorsitzenden-Stellvertreter der Kontrollkommission und des Schiedsgerichts davon abweichen. Da jede einzelne der drei Wahlen zur Bestimmung der Mitglieder des Vorstands dem d'Hondt-Wahlverfahren unterliege, sei der Vorstand statutengemäß zusammengesetzt.

Das Berufungsgericht hob infolge Berufung der klagenden Parteien das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Seiner rechtlichen Beurteilung legte es § 3 Abs 3 GO zugrunde, wonach bei der „Wahl (Bestellung) der Mitglieder der Organe […] das Stärkeverhältnis der Wählergruppen der Landesvertretungen des jeweiligen Bereiches zu Grunde zu legen“ sei. § 55 WO ordne für die Wahl des „Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und die Mitglieder des Vorstandes“ die sinngemäße Anwendung des § 3 Abs 3 GO an und normiere weiters, dass der Vorsitzende aus der stärksten Wählergruppe zu wählen sei.

Nach § 8 Abs 3 GO bestehe der Vorstand aus den Mitgliedern des Präsidiums und den weiteren Vorstandsmitgliedern; das Präsidium wiederum werde nach § 9 Abs 1 GO aus dem Vorsitzenden und den Vorsitzenden-Stellvertretern gebildet. Daraus ergebe sich, dass das Organ Präsidium ein Teil des Organs Vorstand sei.

Da der Vorstand somit auch das Präsidium umfasse, sei bei der Zuteilung der Mandate unter Berücksichtigung des Stärkeverhältnisses der Wählergruppen im Sinne des § 3 Abs 3 GO eine Gesamtschau anzustellen, in die alle Mitglieder des Vorstands, nämlich das Präsidium und die weiteren Mitglieder einzubeziehen seien. Bei der Zuteilung der Mandate für den Vorstand sei ungeachtet der Dreiteilung der Wahl zunächst von der Mandatszuteilung für den Gesamtvorstand (18 Mandate) auszugehen. In weiterer Folge sei zu berücksichtigen, inwieweit bereits ein Mandat für den Vorsitzenden und für seine Stellvertreter vergeben worden sein. Danach seien die Mandate für die zwölf weiteren Vorstandsmitglieder auf die einzelnen Fraktionen aufzuteilen.

Diese Methode entspreche ‑ im Vergleich zu einer gesonderten Mandatszuteilung bei den einzelnen Funktionskategorien ‑ deutlich besser den auf die einzelnen Fraktionen entfallenen Stimmenanteilen.

Unstrittig entfalle auf die zweitklagende Partei das 14. Mandat (von 18).

Ausgehend von einer vom Berufungsgericht nicht geteilten Rechtsansicht habe das Erstgericht nicht alle für eine abschließende Beurteilung notwendigen Feststellungen getroffen. Insbesondere seien Feststellungen zur konkreten Berechnung des Stärkeverhältnisses der Wählergruppen im Sinne des § 3 Abs 3 GO und die Ermittlung der Wahlzahlen für die durch den Bundeskongress 2011 der G zu bestellenden Organe erforderlich. Weiters sei festzustellen, wie viele Vorstandsmandate (inklusive Präsidium) an die einzelnen Fraktionen tatsächlich vergeben worden seien. Schließlich seien auch Tatsachenfeststellungen zum weiteren Feststellungsbegehren über die Fraktionsanerkennung der zweitklagenden Partei notwendig. Hiezu werde auf § 2 Z 1 der Fraktionsordnung verwiesen, wonach die Anerkennung als Fraktion in der G über Beschluss des Vorstands der G und nicht automatisch erfolge.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil der Auslegung der GO und der WO der G bei der Bestellung von Organen der G eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Im Rekursverfahren an den Obersten Gerichtshof wiederholen die Parteien ihren bereits im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren dargelegten Rechtsstandpunkt.

Aus Sicht der beklagten Partei als Rekurswerberin sei die rechtliche Lage eindeutig: Bei jeder einzelnen Wahl sei das d'Hondt-Wahlverfahren anzuwenden, was auch demokratiepolitisch nicht unkorrekt sei, weil akzentuiertere Mehrheitsbildungen durchaus als zweckmäßig anzusehen seien. Für ihren Standpunkt führt sie ins Treffen, dass sich § 3 Abs 3 GO nicht auf die „Wahl (Bestellung) der Organe“, sondern auf die „Wahl (Bestellung) der Mitglieder“ der Organe beziehe.

Die klagenden Parteien wiederum weisen darauf hin, dass dann, wenn innerhalb eines Organs die Wahl in mehrere Schritte zerlegt werde, das gesamte Stärkeverhältnis der einzelnen Wählergruppen nicht entsprechend berücksichtigt werde; aus diesem Grund sei ‑ wie vom Berufungsgericht dargelegt ‑ eine Gesamtschau anzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Dazu wurde erwogen:

1. Anders als die beklagte Partei meint, sind die rechtlichen Grundlagen nicht eindeutig, weil daraus nicht klar hervorgeht, ob aus den Regeln, wie die Wahlen durchzuführen sind, auch Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Organe zu ziehen sind.

1.1. Das Erstgericht hat aus einer Kombination von zwei Gründen:

‑ es sind drei gesonderte Wahlen durchzuführen,

‑ das Ergebnis jeder einzelnen Wahl ist nach dem d'Hondt-Wahlverfahren zu ermitteln,

den Schluss gezogen, dass sich auf diese Weise die Zusammensetzung des Vorstands automatisch in der Form ergibt, dass die Einzelergebnisse jeder der drei Wahlen zusammenzuzählen sind (wodurch die Mehrheitsverhältnisse „akzentuiert“ werden).

1.2. Das Berufungsgericht hat demgegenüber ‑ ebenfalls ausgehend von drei Wahlgängen ‑ aus dem sinngemäß anzuwendenden § 3 Abs 3 GO den Schluss gezogen, dass in der Zusammensetzung des Vorstands insgesamt das Stärkeverhältnis der Wähler-gruppen ‑ im Sinne des Verhältniswahlrechts ‑ abgebildet werden müsse. Ein zentrales Argument für die „Gesamtschau“ wird aus § 3 Abs 2 GO gewonnen, wo der Vorstand (Z 4) und das Präsidium (Z 5) als eigene Organe genannt werden; entsprechend § 8 Abs 3 GO setzt sich der Vorstand aus den Mitgliedern des Präsidiums und den weiteren Vorstandsmitgliedern zusammen. Aus dem Umstand, dass das Organ Präsidium Teil des Organs Vorstand sei, ergebe sich nach Ansicht des Berufungsgerichts, dass bei der Gesamtzusammensetzung des Organs Vorstand die Stärkeverhältnisse der Wählergruppen Niederschlag finden müssten.

1.3. Die beklagte Partei, die die Einzelergebnisse aller drei Wahlen für maßgeblich ansieht, hält dieser Argumentation des Berufungsgerichts in ihrem Rekurs entgegen, dass in § 3 Abs 3 GO nicht auf die „Wahl der Organe“, sondern auf die Wahl der „Mitglieder der Organe“ verwiesen wird. § 3 Abs 3 GO wird also ‑ sinngemäß ‑ folgendermaßen gelesen: „Jeder einzelnen Wahl von Mitgliedern von Organen ist das Stärkeverhältnis der Wählergruppen … zu Grunde zu legen.“

2. Zweifellos ist dieses Argument nicht unbedeutend. Ein zwingender Schluss auf das von der beklagten Partei angestrebte Ergebnis ist daraus aber nicht zu ziehen, ist doch die Wortfolge „Bei der Wahl der Mitglieder der Organe ...“ relativ unbestimmt. Aus dieser Wortfolge ergibt sich nicht unmittelbar, ob am Ende eine Einzelbetrachtung (das Ergebnis jeder einzelnen Wahl wird extra gezählt) oder eine Gesamtschau (die Mandatsverteilung richtet sich nach dem Stärkeverhältnis insgesamt; das Ergebnis des ersten und zweiten Wahlvorgangs wird auf das Ergebnis des dritten Wahlvorgangs angerechnet) steht, wird doch in der Bestimmung nicht explizit nur auf die Wahl von Funktionskategorien (Vorsitzender/fünf Vorsitzenden-Stellvertreter/zwölf weitere Mitglieder) abgestellt (arg: „bei der Wahl ...“). Generell sagt die Anzahl der Wahlvorgänge unmittelbar nichts über die Mandatsverteilung im Vorstand aus.

3. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind Bestimmungen in Vereinsstatuten bzw Durchführungsbestimmungen, welche von dem zuständigen Vereinsorgan nach den statutarischen Grundsätzen geschaffen wurden, nicht nach § 914 ABGB, sondern wie generelle Normen nach den §§ 6 und 7 ABGB auszulegen (RIS-Justiz RS0008813 [T10, T13 und T14]). Ausgangspunkt ist also der objektive Sinngehalt der Bestimmungen (RIS-Justiz RS0008813 [T9]). Im Zweifel hat die Auslegung gesetzeskonform und im Sinne der Vereinsfreiheit zu erfolgen (RIS-Justiz RS0008813 [T5]). Weiters wird ausgeführt, dass sich die Auslegung an der Gesetzestreue, dem Vereinszweck und den berechtigten Interessen der Mitglieder zu orientieren hat (RIS-Justiz RS0008813 [T7]); auch der bisherigen Übung (Observanz) kann Bedeutung zukommen (RIS-Justiz RS0008813 [T6]; Gschnitzer, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts [1966] 102; vorsichtig einschränkend Rummel, Privates Vereinsrecht im Konflikt zwischen Autonomie und rechtlicher Kontrolle, in FS Strasser [1983] 813 [820]). Die Auslegung soll dazu führen, dass die Anwendung der Bestimmungen im Einzelfall brauchbare Ergebnisse zeitigt (RIS-Justiz RS008813 [T12]); das Auslegungsergebnis soll billig und vernünftig sein (RIS-Justiz RS0008813 [T11]).

4. Aus diesen Leitlinien lässt sich für den vorliegenden Fall Folgendes ableiten.

4.1. Das Berufungsgericht hat letztlich ‑ teleologisch ‑ in den Vordergrund gestellt, dass nur auf die von ihm angenommene Weise im Vorstand dem Verhältnismäßigkeitsprinzip (Verteilung der Mandate nach dem Stärkeverhältnis entsprechend dem d'Hondt-Wahlverfahren) zum Durchbruch verholfen werden kann.

4.2. Der Oberste Gerichtshof hält diesen ‑ vom Berufungsgericht näher begründeten ‑ Gedanken für schlüssig und nachvollziehbar (§ 528a iVm § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Trotz der nicht eindeutigen Wortwahl in § 3 Abs 3 GO, wo auf die „Wahl“ der Mitglieder der Organe abgestellt wird, ist doch der grundsätzliche Zweck der Bestimmung erkennbar, dass in jedem kollegialen Gremium, daher auch im Vorstand insgesamt die Stärkeverhältnisse der Wählergruppen abgebildet werden sollen. Mit dem demokratischen Prinzip sind an sich Verhältnismäßigkeits- wie Mehrheitswahlsysteme vereinbar. Sowohl GO als auch WO gehen aber vom Verhältnismäßigkeitswahlrecht nach dem d'Hondt-Wahlverfahren aus, weshalb es nahe liegt, im Zweifel eine Auslegung vorzunehmen, die mit diesem System besser vereinbar ist. Für eine gesamtergebnisorientierte „Gesamtschau“ spricht, dass die Organe der G nach § 3 Abs 2 GO jeweils kollegialen Charakter haben. In jedem einzelnen Organ ‑ hier sowohl im Präsidium als auch im Vorstand ‑ soll letztlich das Stärkeverhältnis der Wählergruppen (soweit wie möglich) widergespiegelt werden. Ein geringer gewichtiges Argument ist noch, dass eine durchgehende Heranziehung des d'Hondt-Wahlverfahren bei jeder einzelnen Wahl nicht möglich ist, weil dieses bei der Wahl einer Einzelperson (konkret des Vorsitzenden des Präsidiums) keinen Sinn macht.

5. Die dem Aufhebungsbeschluss zu Grunde liegende Rechtsansicht, dass es für die Verteilung der Mandate im Vorstand auf eine Gesamtschau ankommt, weshalb die Ergebnisse früherer Wahlvorgänge auf die späteren Wahlvorgänge anzurechnen sind, ist zutreffend.

6. Wenn das Berufungsgericht ‑ ausgehend von der vom Obersten Gerichtshof geteilten Rechtsansicht ‑ eine endgültige Beurteilung der Grundlagen des eingeklagten Feststellungsanspruchs als noch nicht möglich erachtet, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegen treten (RIS-Justiz RS0042179 [T17]).

7. Der Rekurs erweist sich demnach als nicht berechtigt.

Der Kostenvorbehalt beruht auf den §§ 50, 52 ZPO.

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