OGH 1Ob73/14p

OGH1Ob73/14p22.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen A***** B*****, vertreten durch Dr. Christof Joham und Mag. Andreas Voggenberger, Rechtsanwälte in Eugendorf, über den Revisionsrekurs des Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 12. März 2014, GZ 21 R 427/13k‑65, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 18. November 2013, GZ 41 P 60/12b‑56, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Erstgericht genehmigte mit dem in der Folge in Rechtskraft erwachsenen Beschluss vom 27. 11. 2012 den Kaufvertrag, mit dem der Betroffene seine Liegenschaft um 379.000 EUR verkaufte. Die Käuferin verkaufte die Liegenschaft um 735.000 EUR weiter. Im Oktober 2013 beantragte der Betroffene die Abänderung des Genehmigungsbeschlusses im Sinn des § 73 Abs 1 Z 6 AußStrG.

Das Erstgericht wies seinen Antrag zurück. § 139 Abs 2 AußStrG schließe ein Abänderungsverfahren aus.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. In seiner rechtlichen Beurteilung verwies es auf den Wortlaut des mit „Besondere Verfahrensbestimmungen“ überschriebenen § 139 AußStrG und die Materialien zu dessen Abs 2. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergebe sich, dass ein Abänderungsverfahren nach den §§ 72 ff AußStrG in den Verfahren des 10. Abschnitts des II. Hauptstücks des AußStrG nicht stattfinde. Soweit der Betroffene darauf verweise, dass § 139 Abs 1 AußStrG von „Verfügungen“ des Gerichts spreche und sich dessen Abs 2 ausschließlich auf diese beziehe, so sei dem entgegenzuhalten, dass § 139 Abs 2 AußStrG keinen Hinweis auf eine derartige Beschränkung enthalte. Auch sei es weitgehend unbestritten, dass mit der Formulierung „Verfügungen“ auch Beschlüsse umfasst seien, so etwa die nach dem Willen des Gesetzgebers unzweifelhaft umfassten „Rechnungslegungsbeschlüsse“. Auch für rechtskräftige pflegschaftsgerichtliche Genehmigungen nach § 132 AußStrG sei die Möglichkeit der Abänderung über § 73 AußStrG somit ausgeschlossen.

Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht mit dem Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des § 139 Abs 2 AußStrG auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigungen vermögens-rechtlicher Angelegenheiten Pflegebefohlener.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Betroffenen ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

Der 10. Abschnitt des II. Hauptstücks des AußStrG, BGBl I 2003/111 trägt die Überschrift „Vermögensrechte Pflegebefohlener“. Als erste Bestimmung findet sich in diesem Abschnitt der mit „Genehmigung von Rechtshandlungen Pflegebefohlener“ übertitelte § 132 AußStrG. § 133 AußStrG („Aufsicht über die Verwaltung des Vermögen Pflegebefohlener“) befasst sich mit der Erforschung des Vermögens Pflegebefohlener und der Überwachung von dessen Verwaltung. In den §§ 134 bis 138 AußStrG wird die Rechnungslegung geregelt. Der genannte Gesetzesabschnitt endet unter der Überschrift „Besondere Verfahrensbestimmungen“ mit § 139 AußStrG, der lautet:

„(1) Von Verfügungen des Gerichts ist der Pflegebefohlene, unabhängig von seiner Verfahrensfähigkeit, in Kenntnis zu setzen, soweit dies seinem Wohl dient.

(2) Ein Kostenersatz und ein Abänderungsverfahren finden nicht statt.“

In den ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 89 (wiedergegeben bei Fucik/Kloiber AußStrG 420) heißt es dazu insbesondere:

„Abs. 1 verstärkt die Stellung des Pflegebefohlenen durch die Verpflichtung des Gerichtes, ihm die Verfügungen zur Kenntnis zu bringen, soweit dies seinem Wohl dient, also ein effektives Informationsinteresse und eine minimale Verständigungsfähigkeit bestehen.

Abs. 2 schließt jeden Kostenersatz, der mit dem rechtsfürsorglichen Charakter der Vermögenssorge unvereinbar wäre, ebenso wie das Abänderungsverfahren aus. Allfällige Mängel der laufenden Rechnung können bei der nächsten laufenden Rechnung ‑ zB durch Änderung der numerischen Prämissen ‑ korrigiert werden; der Versagung wie auch der Bestätigung der Schlussrechnung kommen verfahrensintern so geringe normative Wirkungen zu, dass auch sie aus verfahrensökonomischen Gründen nicht abänderbar sein sollen.“

Dem Umstand, dass die expliziten Überlegungen des Gesetzgebers zum Ausschluss des Abänderungsverfahren ausschließlich auf die Rechnungslegung abstellen und die in § 132 AußStrG geregelte pflegschaftsgerichtliche Genehmigung oder Versagung mit keinem Wort erwähnen, kommt nicht die Bedeutung zu, welche ihr der Revisionsrekurswerber, der § 139 Abs 2 AußStrG nur auf die in den §§ 134 bis 138 leg cit geregelten Angelegenheiten angewendet wissen will, beimisst. Die gewünschte Einschränkung findet im Wortlaut der besonderen Verfahrensbestimmung des § 139 Abs 2 AußStrG nicht Deckung. Eine teleologische Reduktion, die er offensichtlich anstrebt, würde nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs den klaren Nachweis des Gesetzeszwecks erfordern, an dem sich die (letztlich den Gesetzeswortlaut korrigierende) Auslegung orientieren soll (RIS‑Justiz RS0106113 [T3]). Es müsste im Sinn der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0008979) nachgewiesen werden, dass das Verfahren über die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung von Rechtshandlungen Pflegebefohlener (§ 132 AußStrG) von den Grundwertungen oder Zwecken des § 139 Abs 2 AußStrG entgegen dessen Wortlaut gar nicht getroffen wird und sich von den in den §§ 133 bis 138 AußStrG geregelten Angelegenheiten so weit unterscheidet, dass eine Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre.

Weder das Gesetz selbst noch die zitierten Materialien bieten irgendeinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass der Gesetzgeber Verfahren über die Genehmigung von Rechtshandlungen Pflegebefohlener (§ 132 AußStrG) eine höhere Wertigkeit oder Bedeutung als den Aufgaben des Pflegschaftsgerichts bei der Aufsicht über die Verwaltung des Vermögens (§§ 133 ff AußStrG) zumessen und deshalb in den zuerst genannten Verfahren eine Abänderung gerichtlicher Entscheidungen nach den §§ 72 ff AußStrG zulassen wollte. Nach seinen Vorstellungen sollten die umfassende pflegschaftsgerichtliche Rechtsfürsorgepflicht im Bereich der Vermögensverwaltung gegenüber dem gesetzlichen Vertreter und die Eingriffe vor allem auf die Abwendung akuter Gefährdungsfälle reduziert werden sowie der gerichtlichen Erforschungspflicht und der Pflicht des gesetzlichen Vertreters zur Rechnungslegung von Anfang an nur das nennenswerte Vermögen unterliegen (ErlRV aaO 85 f zu § 133 AußStrG, wiedergegeben bei Fucik/Kloiber aaO 401 ff). Im ersten Satz der Erläuterungen zu § 139 Abs 2 AußStrG (aaO 89) wird außerdem die Vermögenssorge insgesamt ebenso angesprochen wie der Ausschluss des Abänderungsverfahrens. Auch das deutet darauf hin, dass diese Norm (wie auch § 139 Abs 1 AußStrG) nicht nur für die §§ 133 bzw 134‑138 leg cit gelten soll. Nimmt der Gesetzgeber in allen Rechnungslegungsangelegenheiten, demnach auch in Fällen hoher Vermögen von Pflegebefohlenen, bewusst in Kauf, dass ein rechtskräftiger Beschluss über die Genehmigung einer Schlussrechnung keiner Abänderung im Sinn des § 73 AußStrG unterliegt (vgl Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 72 Rz 11; vgl Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 139 Rz 9; vgl Zankl/Mondel in Rechberger, AußStrG² § 139 Rz 2), kann ihm eine gegenteilige Zielvorstellung bei der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung von Rechtsgeschäften Pflegebefohlener wohl nicht unterstellt werden.

Als Ergebnis ist somit festzuhalten:

Im Verfahren über die Genehmigung von Rechtshandlungen Pflegebefohlener (§ 132 AußStrG) findet nach § 139 Abs 2 AußStrG ein Abänderungsverfahren nicht statt.

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