Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zu Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen Privatbeteiligtenzuspruch und einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden Urteil wurde Hasan T***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 (A./I./) und der Vergewaltigung nach §§ 15 Abs 1, 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 (A./II./1./) sowie der Vergehen der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 StGB (B./I./), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (B./II./1./), der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB (B./II./2./) und der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Satz StGB (C./) schuldig erkannt. Danach hat er
A./ nachgenannte Personen zur Duldung des Beischlafs bzw einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung
I./ genötigt, und zwar am 30. November 2012 in B***** Beata R***** mit Gewalt, indem er dieser ohne deren Wissen und Willen die zu einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung beim Tatopfer führenden schlaffördernden Wirkstoffe Triazolam und Diphenhydramin verabreichte und sodann mit der Widerstandsunfähigen den Geschlechtsverkehr vollzog;
II./ zu nötigen versucht, wobei die Tat infolge massiver Gegenwehr und daran anschließender Flucht des Tatopfers beim Versuch blieb, und zwar
1./ am 23. Mai 2012 in O***** Doris Te***** mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit, indem er im Rahmen einer dem Opfer gewährten Mitfahrgelegenheit seinen PKW auf einem Feldweg abstellte, die Türen von innen verriegelte, Doris Te***** die Jacke herunterriss, sie unter der wiederholten Äußerung „Wir werden schönen Sex haben“ zunächst an den Oberarmen erfasste und festhielt und sodann mit einer Hand ihre Handgelenke packte und ihre Arme am Rücken fixierte sowie ihr mit der anderen Hand vorerst auf die Oberschenkel griff;
B./ Beata R*****
I./ im Zeitraum vom 1. Jänner bis 14. Februar 2013 in B***** und anderen Orten Österreichs dadurch, dass er in einer Weise, die geeignet ist, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, eine längere Zeit hindurch fortgesetzt
1./ ihre räumliche Nähe aufsuchte, indem er sie in jeweils wiederholten Angriffen gegen ihren Willen an ihrer Wohn‑ und Arbeitsstätte besuchte, ihr im dortigen Nahebereich sowie an anderen Orten auflauerte, an ihrer Wohnungstüre anläutete und sie verfolgte;
2./ durch wiederholte, teils versuchte telefonische Kontaktaufnahmen und die Übermittlung zahlreicher SMS‑Nachrichten im Wege einer Telekommunikation Kontakt zu ihr herstellte;
widerrechtlich beharrlich verfolgt;
II./ in B***** zu nachstehend angeführten Handlungen bzw Unterlassungen
1./ genötigt, und zwar am 14. Dezember 2012 dadurch, dass er sie festhielt und ihr den Telefonhörer aus der Hand riss, mit Gewalt zur Abstandnahme von der telefonischen Verständigung der Polizei;
2./ zu nötigen versucht, und zwar am 14. Februar 2013 dadurch, dass er ihr unter der wiederholten Ankündigung, sie allenfalls „tot zu machen“, mehrere Stöße versetzte, mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, zur Einwilligung in ein Gespräch mit ihm;
C./ zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt Ende November 2011 in B***** sich ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht verfügen durfte, nämlich die Bankomatkarte der Beata R*****, mit dem Vorsatz verschafft, dass er durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde, indem er diese unbefugt an sich nahm.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
In der Hauptverhandlung am 2. Juli 2013 beantragte der Nichtigkeitswerber die „Ladung der Zeugin Veronika H***** zum Beweisthema Eheleben zwischen Beata R***** und Hasan T*****, insbesondere, dass nach dem angeblichen Vorfall vom 30. 11. 2012 seitens des vermeintlichen Opfers Beata R***** der Wunsch nach Wiederherstellung einer gemeinsamen dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft beabsichtigt war und für den Fall des Scheiterns die Vernichtung des Angeklagten als Alternative angedroht wurde“ (ON 72 S 25). Nachdem diese zu der gemäß § 276a StPO einvernehmlich fortgesetzten Hauptverhandlung nicht erschienen war, hielt der Verteidiger sein Begehren mit dem Hinweis aufrecht, „dass die Frau H***** eine Freundin und demnach eine Kennende der Interna der Beziehung der Frau R***** mit dem Angeklagten gewesen ist“, und führte zum Beweisthema aus, „dass die Vorfälle vom Mai 2012 sowie 30. 11. 2012 eine Racheaktion der Frau R***** gegen ihren Ehemann, den Angeklagten, gewesen“ sind (ON 79 S 27). Wie bereits das Erstgericht zutreffend festhielt, lässt das Vorbringen nicht erkennen, aufgrund welcher besonderer Umstände die beantragte Zeugin in der Lage sein sollte, die behauptete Falschbezichtigung durch das Tatopfer Beata R***** zu bekunden. Es handelte sich demnach - der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider - um eine reine Erkundungsbeweisführung, die zu Recht ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten abgelehnt werden durfte (ON 79 S 28; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f).
Soweit in der Rüge releviert, beantragte der Beschwerdeführer die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Gynäkologie zum Nachweis, „dass die behauptete Vergewaltigung vom 30. November 2012 aufgrund des unmittelbar nach der angeblichen Tat erfolgten Befundung im Rahmen des Spitalsaufenthalts aus gynäkologischer Sicht nicht nachvollziehbar ist, zumal der Körper des angeblichen Opfers keinerlei Spuren von Gewaltanwendung aufgewiesen hat“, sowie die molekularbiologische Untersuchung eines am Tatort aufgefundenen „Dildos“ zum Beweis, dass der Angeklagte diesen nicht in der Hand hatte (ON 79 S 27). Auch diese Anträge ließen jedoch ‑ auch unter Berücksichtigung des seit dem Tatzeitpunkt verstrichenen Zeitraums ‑ nicht erkennen, warum die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und zielten solcherart ebenfalls auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung und verfielen daher zutreffend der Abweisung (ON 79 S 28 f).
Das in der Nichtigkeitsbeschwerde nachgetragene Vorbringen zur Fundierung des Antrags, das im Übrigen hinsichtlich der Zeugin Veronika H***** darauf hinweist, es sei begründet worden, warum das Beweismittel geeignet sein „könnte“, das Beweisthema zu klären, ist prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).
Die von der Mängelrüge behauptete Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der Feststellung zu Schuldspruchpunkt C./, der Angeklagte habe ohne Wissen von Beata R***** deren Bankomatkarte an sich genommen und damit mehrfach Geldbeträge behoben, setze dies doch die Kenntnis über den Code derselben voraus, betrifft keine entscheidende Tatsache, weil die tatsächliche Verwendung des Zahlungsmittels im unbaren Zahlungsverkehr bereits außerhalb des gesetzlichen Tatbilds nach § 241e Abs 1 StGB liegt (Schroll in WK2 StGB § 241e Rz 15). Außerdem wurden die Geldbehebungen - wie auch das Rechsmittel einräumt - vom Beschwerdeführer zugestanden.
Da die spätere Rückzahlung der behobenen Beträge eine zum Zeitpunkt der Wegnahme der Bankomatkarte bestehende - dem Bereicherungsvorsatz der Vermögensdelikte ‑ vorverlagerte Bereicherungstendenz (Schroll in WK2 StGB § 241e Rz 10) nicht ausschließt, war die entsprechende Verantwortung des Angeklagten dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider nicht erörterungsbedürftig.
Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht eröffnet (vgl RIS-Justiz RS0119583). Indem die Tatsachenrüge vermeint, die Gesamtbegleitumstände des Vorfalls vom 30. November 2012, wie insbesondere das Aufwachen des Tatopfers mit einer anderen Unterhose und das Nichtaufräumen des Ortes des Geschehens, indizierten die Richtigkeit der Verantwortung des Angeklagten, und damit für ihn günstigere Schlüsse zieht als das Erstgericht, gelingt es ihr nicht, derartige sich aus den Akten ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden Tatsachen zu wecken.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810). Der Beschwerdeführer muss von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 gerügten Fehlers klarstellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz (§ 259, § 260 Abs 1 Z 2 StPO) hätte abgeleitet werden sollen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 584).
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a, dSn Z 10) zu A./II./1./ den vom Erstgericht angenommenen Vorsatz, Doris Te***** zur Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen (vgl US 9, 18 f, 21), bestreitet, wird sie diesen Anforderungen ebensowenig gerecht wie das zu B./I./ erstattete Vorbringen, aus der Aussage der Beata R***** sei eine Beharrlichkeit der Verfolgung durch die Übermittlung von SMS-Nachrichten ab 1. Jänner 2013 nicht ableitbar; dabei lässt die Nichtigkeitsbeschwerde die Urteilsannahme außer Acht, dass der Angeklagte neben den an sie gerichteten Mitteilungen auch mehrfach versuchte, über ihren Nachbarn Emmerich A***** Kontakt mit ihr aufzunehmen (US 8).
Dass es dem vom Erstgericht zu B./I./ festgestellten Aufsuchen der räumlichen Nähe des Tatopfers ab dem 1. Jänner 2013 an der Eignung der Beeinträchtigung der Lebensführung ermangle, wird von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) ebenso bloß begründungslos behauptet und nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet wie die zu B./II./ aufgestellte Behauptung, aus den tatrichterlichen Konstatierungen sei „das Tatbild der Nötigung nicht abzuleiten, zumal es hier an der erforderlichen Willensbeugung fehlt“. Damit wird der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund jedoch nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (§ 285a Z 2 StPO; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588, § 285d Rz 12 ff).
Der Rechtsmittelantrag, „nach § 288a StPO die Hauptverhandlung zu vernichten“, ist nicht nachvollziehbar, weil kein Oberlandesgericht die Rechtswirksamkeit der Anklageschrift festgestellt hat (§ 281a StPO).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Das Erstgericht hat die gänzliche Uneinsichtigkeit des Angeklagten im Punkt der strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung bei der Ausmessung der Strafhöhe zu Unrecht in Anschlag gebracht (US 24). Da dem Nichtigkeitsgrund (Z 11 dritter Fall; vgl RIS-Justiz RS0090897) noch im Rahmen der Berufungsentscheidung Rechnung getragen werden kann (RIS-Justiz RS0118870; Ratz, WK-StPO § 290 Rz 29), bedarf es keiner amtswegigen Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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