OGH 12Os35/14k

OGH12Os35/14k8.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Mai 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andrei P***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Andrei P***** und Helene G***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft in Ansehung der Angeklagten Helene G***** gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 9. Jänner 2014, GZ 13 Hv 148/13d-168, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthält, wurde Andrei P***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I./) sowie der Verbrechen des Raubes nach §§ 142 Abs 1, 12 zweiter und dritter Fall StGB (II./1./), Helene G***** der Verbrechen des Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1 StGB (II./2./) schuldig erkannt.

Danach haben ‑ zusammengefasst wieder‑ gegeben ‑ in S***** und andernorts anderen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz

I./ Andrei P***** am 24. Jänner 2013 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Hans‑Jörg M***** als Mittäter mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung eines Messers Angestellten der R*****bank 46.056,50 Euro Bargeld weggenommen und abgenötigt;

II./ andere dazu bestimmt und dazu beigetragen, dass diese mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben Angestellten verschiedener R*****banken Bargeld wegnahmen und abnötigten, und zwar

1./ Andrei P*****, indem er die unmittelbaren Täter jeweils dazu bestimmte, den Raub auszuführen sowie überdies deren „Aufgaben“ verteilte, sie teilweise zu den Tatorten chauffierte und die Raubbeute entgegennahm, und zwar

a./ zu dem von Hrvoja Ma***** am 14. Juni 2013 begangenen Raub von 44.500 Euro;

b./ zu dem von Hrvoja Ma***** am 27. Juni 2013 begangenen Raub von 89.080 Euro;

c./ zu dem von Anel D***** am 21. August 2013 begangenen Raub von 4.300 Euro;

2./ Helene G*****, indem sie jeweils den unmittelbaren Tätern günstige Zeitpunkte nannte, die örtlichen Gegebenheiten und die Anzahl der Bankangestellten nannte sowie weitere Informationen zu den Filialen erteilte, und zwar

a./ ohne Vorsatz betreffend die Verwendung der Waffe zu dem unter Schuldspruch I./ angeführten Raub;

b./ zu den oben zu II./1./a./ bis c./ geschilderten Taten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die von Andrei P***** auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO und von Helene G***** auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerden, die ihr Ziel verfehlen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Andrei P *****:

Wie vom Beschwerdeführer letztlich selbst eingeräumt, betrifft die Frage der Beteiligungsform weder eine entscheidende noch eine erhebliche Tatsache und ist zufolge deren rechtlicher Gleichwertigkeit auch kein Gegenstand der Mängelrüge (ebensowenig übrigens der Subsumtionsrüge aus Z 10; RIS-Justiz RS0117604, RS0013731; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 646). Durch die Abweisung des Antrags auf Vernehmung der Zeugin Irina K*****, der (ua) zum Beweis dafür gestellt worden war, dass nicht der Angeklagte Andrei P*****, sondern die Angeklagte Helene G***** „das Hirn war“ (ON 167 S 54), konnten daher ‑ dem Beschwerdestandpunkt (Z 4) zuwider ‑ Verteidigungsrechte nicht verletzt werden (RIS-Justiz RS0118444, RS0118319).

Der Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen ist nur dann mit sich selbst im Widerspruch, wenn zwei Aussagen getroffen werden, die einander nach den Gesetzen logischen Denkens ausschließen oder die nebeneinander nicht bestehen können. Es begründet jedoch keinen inneren Widerspruch, wenn nach Maßgabe von Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen auch andere als die vom Erstgericht gezogenen Schlüsse zulässig sind (RIS-Justiz RS0117402).

Die gegenüber dem späteren Mittäter Hans‑Jörg M***** getätigte Äußerung des Angeklagten Andrei P*****, gemeinsam mit der Angeklagten Helene G***** einen Raubüberfall „fingieren zu wollen“, schließt die konstatierte Verwendung einer Waffe, nämlich eines Messers, bei der Durchführung des angesprochenen Überfalls (I./) nicht aus, zumal sich im Übrigen der Ausdruck „Fingieren“ bloß auf die Tatsache bezog, dass die Angeklagte Helene G***** als Bankangestellte dieser Filiale sich bei der Tat dort als „Opfer“ aufhalten würde.

Aktenwidrig sind die Entscheidungsgründe, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder eines anderes Beweismittels (Urkunde) in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben (RIS-Justiz RS0099547). Dass Feststellungen von einzelnen Aussagen abweichen, begründet keine Aktenwidrigkeit. Von vornherein ins Leere geht daher die zu Schuldspruch I./ zum konstatierten Einsatz der Waffe vom Beschwerdeführer aufgezeigte Diskrepanz zwischen einzelnen Aussagen des Angeklagten Hans‑Jörg M***** und der Zeugin Ingeborg J*****.

Von einem Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz und einer demzufolge offenbar unzureichenden, weil nur auf in der Hauptverhandlung verlesenen Beweisergebnissen beruhenden Begründung (Z 5 vierter Fall) kann keine Rede sein, weil der gesamte Akteninhalt mit Einverständnis der Beteiligten in der Hauptverhandlung vom Vorsitzenden vorgetragen wurde und solcherart gesetzeskonform dort vorgekommen ist (ON 167 S 56).

Entgegen dem Beschwerdevorbringen (Z 5 zweiter Fall) haben sich die Tatrichter mit dem im Laufe des Verfahrens unterschiedlichen Aussageverhalten des Angeklagten Andrei P***** ausführlich auseinandergesetzt (US 22 f).

Unter Hinweis auf die Verabredung des Raubüberfalls mit Helene G***** und die in den anderen Fällen erfolgte Verwendung einer Waffenattrappe gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, erhebliche Bedenken gegen die tatrichterliche Lösung der Schuldfrage zu I./ in Ansehung der qualifizierten Tatbegehung zu wecken.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Helene G *****:

Mit der Behauptung, die Aussage des Angeklagten Anel D***** stünde den zum Tatbeitrag der Angeklagten Helene G***** getroffenen Feststellungen entgegen, wird keine Aktenwidrigkeit im Sinn des letzten Falles der Z 5 zur Darstellung gebracht.

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) einzelne Aussagen der Angeklagten Hans‑Jörg M***** und Hrvoja Ma***** herausgreift und behauptet, die von der Angeklagten Helene G***** vorweg erteilten Informationen wären nutzlos gewesen, die Taten hätten sich letztlich nicht wie geplant durchführen lassen, gelingt es nicht, beim Obersten Gerichtshof qualifizierte Bedenken gegen die festgestellte Beitragstäterschaft der Beschwerdeführerin hervorzurufen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die zu den Schuldsprüchen 2./b./ iVm 1./b./ und 1./c./ das Vorliegen eines straflosen „Beitragsversuchs“ der Angeklagten behauptet, weil „ein erfolgswirksam gewordener Tatbeitrag nicht vorliege“ nimmt nicht ‑ wie bei Geltendmachung materieller Nichtigkeit jedoch stets geboten (RIS‑Justiz RS0099810) ‑ an den Urteilsfeststellungen Maß, wonach sich der Angeklagte Andrei P***** (auch) in diesen Fällen aufgrund der Informationen der Angeklagten Helene G***** zur Tatbegehung entschlossen hat (US 14 und US 16; vgl RIS‑Justiz RS0089832).

Zu I./1./ behauptet die Beschwerdeführerin aus Z 9 lit b das Vorliegen der Voraussetzungen des Rücktritts vom Versuch nach § 16 Abs 1 StGB, vermag aber nicht ansatzweise darzustellen, inwiefern angesichts der Beteiligung mehrerer an der Deliktsvollendung die Voraussetzungen der Verhinderung der Tatausführung oder der Erfolgsabwendung durch die Angeklagte vorlägen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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