OGH 16Ok1/14

OGH16Ok1/145.5.2014

Der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht hat durch den Hofrat Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm und Dr. Kodek als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Thyri, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin K***** GmbH, *****, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen §§ 26, 48 KartG, über den Rekurs des Bundeskartellanwalts, 1011 Wien, Schmerlingplatz 11, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 7. November 2013, GZ 27 Kt 106, 107/13‑8, den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

B e g r ü n d u n g :

Mit Beschluss vom 7. 10. 2013 hat das Erstgericht das Verfügungsbegehren der Antragstellerin abgewiesen, der Antragsgegnerin den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung bis zur Rechtskraft der über den Antrag im Hauptverfahren auf Abstellung von Zuwiderhandlungen gegen § 5 KartG bzw Art 102 AEUV ergehenden Entscheidung zu untersagen. Diese Entscheidung ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Erstgericht aus, dass seine Entscheidung vom 7. 10. 2013 nicht gemäß § 37 Abs 1 KartG durch Aufnahme in die Ediktsdatei veröffentlicht werde. Einstweilige Verfügungen (§ 48 Abs 1 KartG) seien im taxativen Katalog der nach § 37 KartG zu veröffentlichenden Entscheidungen nicht erwähnt. Hätte der Gesetzgeber auch eine Veröffentlichung von Entscheidungen im Provisorialverfahren beabsichtigt, so wäre dies wohl ‑ wie in Art 30 Abs 1 VO 1/2003 ‑ ausdrücklich angeführt worden. Es sei daher davon auszugehen, dass sich der österreichische Gesetzgeber dafür entschieden habe, von einer Veröffentlichung im Provisorialverfahren abzusehen. Die bloße Tatsache der Abweisung eines Antrags hindere allerdings eine Veröffentlichung nicht: § 37 KartG könne zwar dahingehend ausgelegt werden, dass nur stattgebende Entscheidungen zu veröffentlichen seien. Dem stehe aber entgegen, dass der Gesetzeswortlaut („Entscheidungen über die Abstellung“) nach den Auslegungsprinzipien des § 6 ABGB so zu verstehen sei, dass auch antragsabweisende Entscheidungen zu veröffentlichen seien.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Bundeskartellanwalts mit dem Antrag, dem Erstgericht aufzutragen, im Hinblick auf eine Veröffentlichung der Entscheidung vom 7. 10. 2013 das Verfahren gemäß § 37 Abs 2 KartG einzuleiten.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

§ 37 Abs 1 KartG idF BGBl I 2013/13 lautet:

„Das Kartellgericht hat rechtskräftige Entscheidungen über die Abstellung einer Zuwiderhandlung, die Feststellung einer Zuwiderhandlung, die Verhängung einer Geldbuße oder über Anträge nach den §§ 11 und 16 durch Aufnahme in die Ediktsdatei (§ 89j GOG) zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung erfolgt unter Angabe der Beteiligten und des wesentlichen Inhalts der Entscheidung einschließlich der verhängten Sanktionen. Sie muss einem berechtigten Interesse der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Rechnung tragen. Wurde die Entscheidung des Kartellgerichts durch eine Entscheidung des Kartellobergerichts abgeändert, so ist die Entscheidung des Kartellobergerichts zu veröffentlichen.“

Vor dem 1. 3. 2013 lautete § 37 Abs 1 KartG:

„Das Kartellgericht hat der obsiegenden Partei, wenn diese daran ein berechtigtes Interesse hat, auf Antrag die Befugnisse zuzusprechen, die Entscheidung über die Abstellung einer Zuwiderhandlung, die Feststellung einer Zuwiderhandlung oder die Verhängung einer Geldbuße innerhalb bestimmter Frist auf Kosten des Gegners zu veröffentlichen. Umfang und Art der Veröffentlichung sind im Beschluss zu bestimmen.“

Die Neufassung der Bestimmung durch das KaWeRÄG 2012 erweiterte den Katalog der zu veröffentlichenden Entscheidungen um Entscheidungen über Prüfungsanträge im Zusammenschlussverfahren (§ 11 KartG) und über Anträge auf nachträgliche Maßnahmen nach § 16 KartG; einstweilige Verfügungen (§ 48 KartG) sind weiterhin im taxativen Katalog der zu veröffentlichenden Entscheidungen nicht angeführt.

Zu § 37 Abs 1 KartG in der Fassung vor dem KaWeRÄG 2012 hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die dort angeordnete Entscheidungsveröffentlichung eine Sachentscheidung in der Hauptsache voraussetzt, stellt doch auch die Vorbildnorm des § 25 UWG auf eine Endentscheidung ab (16 Ok 14/11 mwN; Ciresa, Handbuch der Urteilsveröffentlichung Rz 128, 133).

Die gegenteilige Ansicht des Rekurswerbers, § 37 Abs 1 KartG orientiere sich an Art 30 VO (EG) 1/2003 , welche Norm auch einstweilige Maßnahmen nach Art 8 VO (EG) 1/2003 umfasse, weshalb auch der österreichische Gesetzgeber den Begriff „Entscheidungen über die Abstellung einer Zuwiderhandlung“ in diesem weiten Sinn verstanden habe, überzeugt im Blick auf die Materialien nicht. Der österreichische Gesetzgeber hat sich nämlich die genannte unionsrechtliche Veröffentlichungsnorm lediglich hinsichtlich des Umfangs der Entscheidungsveröffentlichung zum Vorbild genommen (ErläutRV 1804 BlgNR 24. GP 18).

Auch die ratio des § 37 Abs 1 KartG, die Öffentlichkeit über erfolgte Kartellrechtsverstöße zu informieren, verlangt ‑ entgegen der im Rechtsmittel vertretenen Auffassung ‑ keine gegenteilige Auslegung: Eine im Provisorialverfahren ergangene Entscheidung ist regelmäßig befristet und hat somit immer nur vorläufigen Bestand; die endgültige Aussage über einen Kartellrechtsverstoß erfolgt erst im Hauptverfahren. Eine Information der Öffentlichkeit über einen bloß vorläufigen Zwischenbefund ist aber entbehrlich, weil Dritte daraus noch keine Konsequenzen für die Verfolgung von Schadenersatzansprüchen ziehen können.

Dem Rekurs kann deshalb kein Erfolg beschieden sein.

Ergänzend ist anzumerken, dass ‑ entgegen der Auffassung von Erstgericht und Rechtsmittel-werber ‑ abweisende Entscheidungen nicht nach § 37 Abs 1 KartG zu veröffentlichen sind. Die Materialien zur Neufassung dieser Veröffentlichungsbestimmung (ErläutRV 926 BlgNR 22. GP 9) weisen darauf hin, dass mit § 37 KartG die im KartG 1988 an verschiedenen Stellen vorgesehenen Entscheidungsveröffentlichungen in einer Bestimmung zusammenfasst und auf alle Entscheidungen ausgedehnt werden, „mit denen eine Zuwiderhandlung abgestellt oder festgestellt wird“. Damit bleibt nach der Absicht des Gesetzgebers für eine Veröffentlichung auch abweisender Entscheidungen kein Raum. Dazu kommt, dass Dritte aus abweisenden Entscheidungen keine Informationen über eine konkrete Rechtsverletzung entnehmen und zur Grundlage von Schadenersatzklagen infolge eines bindend festgestellten kartellrechtswidrigen Verhaltens machen können (vgl 16 Ok 4/13, Punkt 2.4.).

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