OGH 11Os22/14s

OGH11Os22/14s8.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. April 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Mag. Fürnkranz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fellner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Jürgen K***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 3. Dezember 2013, GZ 46 Hv 86/13i‑123, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch des Angeklagten enthält, wurde Jürgen K***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG (A./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG (B./), des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 12 zweiter Fall StGB, § 27 Abs 1 Z 1 dritter Fall SMG (C./) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (D./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Neunkirchen und andernorts

A./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich MDMA Speed mit zumindest durchschnittlichem Reinheitsgehalt von 10 % Amphetamin, Cannabiskraut mit zumindest durchschnittlichem Reinheitsgehalt von 5 % Delta‑9‑THC, Cannabisharz mit zumindest durchschnittlichem Reinheitsgehalt von 4 % Delta‑9‑THC, amphetaminderivathältiges Ecstasy und LSD‑Trips, anderen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen, wobei er die Straftat (nach § 28a Abs 1 SMG) gewerbsmäßig begangen hat und schon einmal im Verfahren AZ 11 Hv 43/2010k des Landesgerichts Eisenstadt wegen § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist, und zwar

I./ im Sommer 2011 Jasmin Sch***** 50 Gramm MDMA;

II./ von Jänner 2010 bis 3. Februar 2013 Peter B***** 144 Gramm Speed (14,4 Gramm reines Amphetamin) und 175 Gramm Cannabiskraut (8,75 Gramm reines Delta‑9‑THC);

III./ Iosif C***** (zusammengefasst) zwischen April 2006 und 12. März 2013 10.580 Gramm Cannabisprodukte (452 Gramm reines Delta‑9‑THC), 1.120 Gramm Speed (112 Gramm reines Amphetamin), 3.000 Stück Ecstasytabletten und 200 Stück LSD‑Trips;

IV./ von März 2004 bis Ende Februar 2013 Stefan L***** rund 900 Gramm Cannabiskraut (45 Gramm reines Delta‑9‑THC);

V./ zwischen 2010 und 12. März 2013 Daniel S***** 90 Gramm Cannabiskraut (4,5 Gramm reines Delta‑9‑THC);

VI./ von Juni bis Ende September 2012 Michael W***** 40 Gramm Cannabiskraut (2 Gramm reines Delta‑9‑THC) und 40 Gramm Speed (4 Gramm reines Amphetamin);

VII./ von April 2011 bis Jänner 2013 Roman F***** 150 Gramm Cannabiskraut (7,5 Gramm reines Delta‑9‑THC);

VIII./ zwischen Ende Februar 2013 und 12. März 2013 unbekannt gebliebenen Abnehmern das unter Punkt C./ angeführte Cannabiskraut (15,5 Gramm reines Delta‑9‑THC);

IX./ von Juli bis September 2011 Michael We***** in drei Angriffen zumindest 2 Gramm Cannabiskraut (0,1 Gramm reines Delta‑9‑THC);

X./ von 2006 bis 2007 Markus Z***** in mehreren Angriffen zumindest 5 Gramm Cannabiskraut (0,25 Gramm reines Delta‑9‑THC);

B./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aus‑ und nach Österreich eingeführt, und zwar

I./ im Frühjahr 2011 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit dem abgesondert verfolgten Iosif C***** aus den Niederlanden eine nicht mehr feststellbare, 10 Gramm nicht übersteigende Menge Cannabiskraut;

II./ zwischen Sommer 2011 und Sommer 2012 entweder aus der Slowakei, Ungarn oder Tschechien 500 Gramm Speed (50 Gramm reines Amphetamin);

C./ im Spätherbst 2012 den abgesondert verfolgten Matthias B***** durch die Aufforderung, eine Indoor‑Aufzuchtsanlage für Cannabispflanzen in seinem Wohnhaus zu errichten, dazu bestimmt, vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut, zu erzeugen, wobei Matthias B***** die Pflanzen im Heizraum seines Wohnhauses bis zur Blüte aufzog, abschnitt, trocknete und schließlich die Trennung der Cannabisblüten von den Pflanzen vornahm, wodurch schlussendlich 310 Gramm Cannabiskraut mit zumindest durchschnittlichem Reinheitsgehalt von 5 % Delta‑9‑THC gewonnen werden konnten (15,5 Gramm reines Delta‑9‑THC);

D./ von Oktober 2010 bis zum 12. März 2013 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut, erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Indem der Beschwerdeführer in der Mängelrüge (Z 5) wiederholt seine Ansicht darlegt, welchen Aussagen tatsächlich Glauben zu schenken gewesen wäre, argumentiert er unzulässig nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher ist der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen (RIS-Justiz RS0106588; RS0099419).

Das von der Beschwerde als Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze monierte Vorspielen des Tonbands (der Sache nach Z 3) erfolgte in der Hauptverhandlung nicht an Stelle, sondern in Ergänzung zur Vernehmung des Zeugen C***** (ON 122 S 5 f). Der diesbezügliche Einwand der Rüge, die Vorgangsweise verletze die „Unmittelbarkeit der Aussage C*****s“, und deren weiterer Schluss, wonach der Beweis nicht als Grundlage für die Verurteilung herangezogen werden dürfe, ist aus Sicht der §§ 13, 252, 258 StPO nicht nachzuvollziehen.

Angeblich unvollständige Beweisaufnahme ist kein Gegenstand der Mängelrüge (Fabrizy, StPO11 § 281 Rz 44). Die Behauptung, das Erstgericht habe durch Unterlassung einer bestimmten Fragestellung an den Zeugen B***** (gemeint: B*****) seine Pflicht zu amtswegiger Wahrheitsforschung vernachlässigt, macht ‑ obwohl geboten ‑ als Aufklärungsrüge (Z 5a) nicht deutlich, wodurch der Angeklagte an der Ausübung seines Rechts, die Befragung selbst vorzunehmen, oder an einer entsprechenden Antragstellung gehindert war (RIS‑Justiz RS0114036).

Soweit die eine unzureichende Begründung geltend machende Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) die Feststellung der Tatrichter zum Ort der Aufbewahrung der Suchtmittel bekämpft, lässt sie keinen Bezug zu schuld- oder subsumtionsrelevanten Umständen erkennen.

Mit dem unterschiedlichen Aussageverhalten der Zeugen W***** und Sch***** im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung haben sich die Tatrichter eingehend auseinandergesetzt und auch den Denkgesetzen entsprechend dargelegt, weshalb sie den Angaben der Abnehmer vor der Polizei folgten (US 15). Vom Erstgericht nicht berücksichtigte Umstände werden in der Beschwerde, die lediglich vorbringt, dass den ihrer Meinung nach glaubwürdigen Angaben der unter Wahrheitspflicht stehenden Zeugen in der Hauptverhandlung sowie auch der Verantwortung des Angeklagten zu folgen gewesen wäre, nicht aufgezeigt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 432).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

Mit dem die Entscheidungsgründe vernachlässigenden Vorwurf (Z 9 lit a), wonach das Urteil nicht darlege, „weshalb das Vorbringen des Jürgen K***** sehr wohl glaubhaft“ sei, werden die angeführten Anfechtungskriterien verfehlt.

Durch den Verweis auf das Vorbringen der Mängelrüge wird die Rechtsrüge ebenso wenig prozessförmig zur Darstellung gebracht (RIS‑Justiz RS0115902).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Bleibt anzumerken, dass der dem Angeklagten zum Schuldspruch D./ angelastete Erwerb und Besitz von Cannabiskraut nach den Feststellungen dem Eigenkonsum diente (US 17), weswegen die ‑ vom Erstgericht aber zu Unrecht nicht angenommene ‑ Privilegierung des § 27 Abs 2 SMG zum Tragen gekommen wäre. Da dieser Umstand aber angesichts der Strafbemessung nach § 28a Abs 4 SMG ohne nachteilige Wirkung für den Angeklagten war, bedurfte es keines Vorgehens nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO. Sieht sich der Oberste Gerichtshof unter ausdrücklichem Hinweis auf eine verfehlte Subsumtion mangels eines darüber hinausgehenden konkreten Nachteils nicht zu einem amtswegigen Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO veranlasst, so besteht bei der Entscheidung über die Berufung insoweit auch keine (dem Berufungswerber nachteilige) Bindung an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (RIS-Justiz RS0118870).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte