OGH 14Os18/14z

OGH14Os18/14z1.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. April 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fellner als Schriftführer in der Strafsache gegen Cosmin T***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Viorel C***** sowie die Berufungen des Angeklagten Cosmin T***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 5. Dezember 2013, GZ 47 Hv 74/13b‑409, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten Viorel C***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruht, wurde ‑ soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant ‑ Viorel C***** jeweils eines Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB (A/2), des Mordes nach § 75 StGB (B/1) und des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (B/2) schuldig erkannt.

Danach hat er

(A/2) am 6. September 2012 in S***** dadurch, dass er den unmittelbaren Tätern Informationen über die Person, das Alter und die Vermögensverhältnisse des Tatopfers sowie über die Zutrittsmöglichkeiten zu dessen Haus erteilte und während der Tat Aufpasserdienste leistete, dazu beigetragen, dass Cosmin T***** und Ciprian T***** im einverständlichen Zusammenwirken Franz H***** mit Gewalt gegen seine Person, nämlich durch Zu-Boden-Reißen, Versetzen von Schlägen und Tritten, Würgen am Hals und Fesselung seiner Extremitäten mittels eines Klebebandes, 10.100 Euro und ein Mobiltelefon mit dem Vorsatz wegnahmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei Franz H***** durch die Tat (unter anderem) eine schwere Verletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine Fraktur des Ringknorpels mit geringer Verschiebung der Bruchenden, Schluckbeschwerden und Heiserkeit erlitt;

(B) am 4. Dezember 2012 in K***** im einverständlichen Zusammenwirken mit Cosmin T***** Johanna Te*****

1) durch Versetzen von wuchtigen Schlägen und Tritten gegen Kopf und Körper sowie durch gewaltsame Verlegung der Atemwege durch Knebelung und Strangulieren am Hals, wodurch die Genannte multiple, im Urteil detailliert beschriebene Verletzungen erlitt, vorsätzlich getötet;

2) durch die zu B/1 beschriebene Gewalteinwirkung, sohin mit Gewalt gegen ihre Person, im Urteil näher beschriebenen Schmuck und Bargeld im Gesamtwert von etwa 31.200 Euro mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 5, 6, 8 und 10a des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Viorel C***** verfehlt ihr Ziel.

Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider lehnten die Tatrichter die begehrte Vernehmung von drei namentlich genannten „Tatortbeamten“ zum Beweis dafür, dass die Spurenlage am Tatort zu den Schuldsprüchen B/1 und 2, „insbesondere die daktyloskopischen Spuren ausschließlich Cosmin T***** zuordenbar sind und auch zum Beweis dafür, dass die genannten Tatortbeamten die Spurenlage im Gutachten erklären“ (ON 369 S 3), mit Recht ab. Dass ‑ mit Ausnahme eines am Fensterrahmen sichergestellten Fingerabdrucks ‑ keine der am Tatort aufgefundenen Spuren vom Beschwerdeführer stammte, ergab sich schon aus den dem Schwurgerichtshof bereits im Antragszeitpunkt vorliegenden Verfahrensergebnissen (ON 119 S 99 ff; ON 216 S 339 ff, S 363 ff; vgl auch ON 216 S 353 ff sowie ON 342 S 1). Inwiefern die Erläuterung der Spurenlage durch die einschreitenden Beamten der Spurensicherung bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabs dennoch eine erfolgversprechende Bereicherung der zur Wahrheitsfindung führenden Prämissen erwarten ließ und ergeben sollte, dass „ausschließlich der Erstangeklagte Cosmin T***** als Alleintäter zum Nachteil des Opfers Johanna Te***** in Frage kommt und eine Täterschaft des Drittangeklagten C***** auszuschließen ist“ (vgl RIS-Justiz RS0107445, RS0116987), wurde im Antrag nicht dargelegt. Im Übrigen wurde der Bericht über die Auswertung der sichergestellten Spuren in der Hauptverhandlung am 21. November 2013 (also nach der Antragstellung) vom Zeugen Gerald K*****, einem weiteren Mitglied der zuständigen Tatortgruppe, ausführlich erläutert (ON 370 S 2 ff).

Der Antrag auf Vernehmung von „Bezirksinspektor J***** … sowie … Polizeikommissar D*****“ ‑ zusammengefasst ‑ zum Beweis dafür, dass Cosmin T***** anlässlich seiner Befragung am 23. Jänner 2013 in München ‑ über die im darüber aufgenommenen Protokoll (ON 63 S 153 ff), dessen Richtigkeit vom Vernommenen nicht bestritten worden war (ON 368 S 20 f), hinausgehende ‑ Angaben zur Entlastung des Viorel C***** machte, zielte auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330), weil ihm nicht zu entnehmen war, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Beschwerdeführer behauptete Ergebnis (dass Cosmin T***** nämlich „eingestanden“ hätte, „den Raub und Mord zum Nachteil der Johanna Te***** alleine begangen zu haben“, nachdem er mit dem Spurengutachten und dem gerichtsmedizinischen Gutachten konfrontiert worden war) erwarten ließ (Danek, WK-StPO § 238 Rz 7).

Das ergänzende Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde unterliegt dem sich aus dem Wesen dieses Nichtigkeitsgrundes ergebenden Neuerungsverbot und ist demnach unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).

Die Fragenrüge (Z 6) bezieht sich mit ihrer Kritik an der Formulierung der Hauptfragen IV und V (zu den Schuldsprüchen B/1 und 2) und der daran anknüpfenden Forderung nach „Eventualfragen in Richtung Alleintäterschaft Cosmin T*****“ (anstatt einer Tatbegehung „im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter“, auf die die kritisierten Fragen gerichtet waren; vgl dazu im Übrigen § 314 StPO) ausschließlich auf nicht den Beschwerdeführer, sondern den genannten Mitangeklagten betreffende Fragen und entzieht sich schon deshalb einer inhaltlichen Erwiderung.

Davon abgesehen erklärt sie nicht, weshalb es den Geschworenen ‑ wie die Beschwerde behauptet ‑ nicht möglich gewesen wäre, trotz Bejahung der angesprochenen Hauptfragen die ‑ den Beschwerdeführer betreffenden ‑ korrespondierenden Hauptfragen VI und VII (allenfalls unter gleichzeitiger Streichung der kritisierten Passagen „im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter“ in den Hauptfragen IV und V) zu verneinen.

Auch die Instruktionsrüge (Z 8) verfehlt die Ausrichtung am Verfahrensrecht (Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 65), weil sie sich nicht am Inhalt der Rechtsbelehrung orientiert, die ‑ von der Beschwerde ignoriert ‑ sowohl die vermissten Ausführungen zur Alleintäterschaft (S 10 der Rechtsbelehrung) als auch eine Instruktion der Geschworenen über die ihnen nach § 330 Abs 2 StPO zukommende Möglichkeit der Streichung von Tatumständen (S 29 der Rechtsbelehrung) enthält.

Das Urteil eines Geschworenengerichts ist in Bezug auf die Beweiswürdigung dann nichtig aus Z 10a, wenn die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO iVm § 323 StPO gesetzlich zustehende Ermessen in einer Weise gebraucht haben, die ‑ aus Sicht des Obersten Gerichtshofs ‑ im Tatsächlichen geradezu unerträglich ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 470, 490). Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen wird durch den Nichtigkeitsgrund nach Z 10a nicht eröffnet (RIS‑Justiz RS0119583).

Genau darin erschöpft sich aber die Tatsachenrüge (Z 10a) zu den Schuldsprüchen B/1 und 2, indem sie unter Hinweis auf einzelne Verfahrensergebnisse auf Grund eigener Beweiswerterwägungen den Schluss zieht, dass der am Tattag um 12:57 Uhr am Mobiltelefon der Ingrid B***** vom Handy ihrer Mutter (dem Tatopfer) eingegangene (unbeantwortet gebliebene) Anruf von dieser selbst „gewillt“ abgesetzt wurde, auf Basis dieser Prämisse davon ausgeht, dass Johanna Te***** noch lebte, als der Beschwerdeführer sich (nach Aussage der Zeugin Katharina S***** um 12:40 Uhr) vom Tatort entfernte, und solcherart seiner leugnenden Verantwortung zum Durchbruch zu verhelfen sucht, dabei aber die ihn belastenden Beweisergebnisse, wie die (erst in der Hauptverhandlung abgeschwächten; ON 368 S 11 ff) Angaben des Mitangeklagten Cosmin T***** (ON 53 S 19 ff, ON 63 S 137 ff, ON 130 S 5, ON 146 S 7 ff, ON 210), übergeht und dessen Aussage, er habe das Mobiltelefon der Johanna Te***** erst zertrümmert (und dadurch den Anruf durch Betätigung der entsprechenden Kurzwahltaste oder des Notrufknopfs ausgelöst), als er das Haus (mehrere Minuten nach Viorel C*****, ON 53 S 21) verließ (ON 146 S 11 f, ON 210 S 20 f), auf Grundlage allgemeiner Überlegungen als „unlogisch“ bezeichnet.

Der erneute Hinweis auf die Auswertung der am Tatort sichergestellten ‑ nahezu ausschließlich Cosmin T***** zugeordneten ‑ Spuren vernachlässigt dessen Angaben, nach denen sich der Beschwerdeführer unmittelbar nach dem Eindringen in das Haus des Tatopfers seine Socken über die Hände stülpte (ON 146 S 11, ON 210 S 9), sowie das Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Mag. Dr. N*****, der ‑ zusammengefasst ‑ ausführte, dass aus der Spurenlage Alleintäterschaft des Cosmin T***** nicht abzuleiten sei (ON 369 S 58 ff).

Aus dem Inhalt der in § 331 Abs 3 StPO bezeichneten Niederschrift der Geschworenen können schließlich keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen abgeleitet werden, weil die Niederschrift nicht im Sinn des § 345 Abs 1 Z 10a StPO zu „den Akten“ zählt (RIS-Justiz RS0115549).

Zum Schuldspruch A/2 bekämpft die Tatsachenrüge die Annahme eines ‑ durch Information der unmittelbaren Täter über die Person des Opfers und die Zutrittsmöglichkeiten zu dessen Haus sowie durch Aufpasserdienste während der Tat ‑ mit entsprechendem Vorsatz geleisteten Beitrags zum schweren Raub zum Nachteil des Franz H***** unter Hinweis auf Passagen aus den Aussagen der Mitangeklagten Ciprian T***** und Cosmin T*****, nach denen Einzelheiten nicht vorab besprochen wurden, der Beschwerdeführer sich unmittelbar nach der Tat etwa 200 bis 300 Meter vom Haus des Opfers entfernt aufhielt und man ihn erst im Nachhinein „rudimentär“ davon in Kenntnis setzte, welche „grässliche“ („garstige“) Tat begangen worden sei, nach Art einer im einzelrichterlichen Verfahren vorgesehenen Schuldberufung. Eine solche Anfechtungsmöglichkeit eröffnet der herangezogene Nichtigkeitsgrund aber ‑ wie bereits dargestellt ‑ nicht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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