OGH 2Ob16/14p

OGH2Ob16/14p28.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin Dr. R***** L*****, vertreten durch die Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG in Feldkirch, gegen die Beklagte A***** AG, *****, vertreten durch die Dr. Christian Konzett Rechtsanwalt GmbH in Bludenz, wegen 9.624 EUR sA, über die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 3. Oktober 2013, GZ 3 R 256/13i‑55, womit das Urteil des Bezirksgerichts Bludenz vom 25. Juli 2013, GZ 3 C 290/12k‑50, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0020OB00016.14P.0328.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht ließ die Revision (nachträglich) zur Frage zu, wo hinsichtlich der Salzstreuung bei einem Autobahnerhalter „die Grenzen der Zumutbarkeit von unfallverhindernden Maßnahmen“ zu ziehen sind.

Die Klägerin war am 17. 1. 2011 mit ihrem Pkw auf der von der Beklagten betriebenen Autobahn (A14, Vignettenmaut) aufgrund von Glatteis ins Schleudern geraten und mit der Leitplanke kollidiert. Sie machte den Fahrzeugschaden sowie Schmerzengeld geltend. Das Berufungsgericht bejahte die (Vertrags‑)Haftung der Beklagten, weil sie den Beweis dafür, dass sie ‑ bzw ihre Subunternehmerin ‑ die objektiv gebotene Sorgfalt bei der Salzstreuung vor dem Unfall eingehalten habe, nicht erbracht habe. Die Raureifbildung hätte durch sorgfältiges Arbeiten, Überprüfung der Streueinrichtung oder bessere Kontrolle verhindert werden können.

Die Beklagte macht in ihrer Revision geltend, die angefochtene Entscheidung überspanne die Sorgfaltspflichten eines Autobahnhalters und führe zu dessen Erfolgshaftung. Schließlich habe die Beklagte am und vor dem Unfalltag Kontrollfahrten durchführen lassen, bei denen keine Eisbildung feststellbar gewesen sei, die Wetterprognosen hätten keinerlei Gefahren vermerkt, zum Unfallszeitpunkt sei die Lufttemperatur bei ‑1º C und die Bodentemperatur bei etwa ‑3º C gelegen, die Bodensensoren hätten einen Restsalzgehalt mit etwas unter ‑4º C angezeigt, das technische Frühwarnsystem keine Gefahr durch Glätte, und der nicht besonders unfallträchtige Autobahnabschnitt sei trocken gewesen.

Die Klägerin beantragt mit ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision der Beklagten zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

1. Einhaltung und Verletzung der Streupflicht sind nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen; dabei orientiert sich die Grenze der Streupflicht an den Verkehrsbedürfnissen, anderseits an der Zumutbarkeit für den Streupflichtigen (RIS‑Justiz RS0023277). Der Umfang der Streupflicht hängt von den Umständen des Einzelfalls (konkretes Verkehrsbedürfnis und konkrete Zumutbarkeit) ab, weshalb in der Regel die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind. Auch zur auf Autobahnen gebotenen Salzstreuintensität kann der Oberste Gerichtshof keine allgemein gültigen konkreten Richtlinien vorgeben (2 Ob 57/05d).

2. Grundsätzlich dürfen die Sorgfaltspflichten eines Autobahnhalters, den keinesfalls eine Erfolgshaftung trifft, nicht überspannt werden. Unzumutbares ist von ihm auch bei der Prüfung seines Verhaltens auf leichte Fahrlässigkeit nicht zu verlangen (2 Ob 178/07a mwN; RIS‑Justiz RS0114743 [T5]).

3. Im vorliegenden Fall steht fest, dass zum Unfallszeitpunkt die Bodentemperatur im eindeutigen Minusbereich lag, sie die Frostgrenze bereits seit dem Vorabend unterschritten hatte und die Wahrscheinlichkeit für die Bildung von Reifglätte sehr hoch war. Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage ‑ trotz der Anzeige eines für die Bodentemperatur (gerade noch) ausreichenden Restsalzgehalts bei den Messstellen ‑ die flächendeckende Aufbringung von Tausalz fordert, ist dies vertretbar, zumal dann, wenn der Restsalzgehalt bei den Kontrollstellen als gerade noch ausreichend angezeigt wird, es leicht möglich ist, dass das an anderen Stellen nicht mehr der Fall sein wird. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach der Beklagten eine sorgfältigere Vorgangsweise bzw Kontrolle zumutbar gewesen wäre, liegt daher noch innerhalb seines Ermessensspielraums.

4. Da somit keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zu lösen sind, ist die Revision als unzulässig zurückzuweisen. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit hingewiesen, weshalb die Beklagte die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen hat (§§ 50, 41 ZPO).

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