Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem ‑ auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden ‑ angefochtenen Urteil wurde Mustafa A***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall, 15 StGB (A./1./ und B./) und nach § 201 Abs 1 StGB (A./2./ und 3./) schuldig erkannt.
Danach hat er in Wien
A./ Nachgenannte mit Gewalt und/oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zur Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung genötigt, und zwar
1./ am 12. März 2011 Cornelia G*****, indem er sie von hinten packte, ihr den Mund zuhielt, sie zu Boden riss, sich auf sie setzte, ihr in die Hose griff und ihre Strumpfhose sowie Unterhose zerriss, sich auf ihr Gesicht setzte und sie schließlich mit einem Finger vaginal und anal penetrierte, wobei die Tat eine an sich schwere Gesundheitsschädigung, nämlich eine etwa eine Woche dauernde posttraumatische Belastungsstörung, welche in Folge in eine bis zum Juni 2012 dauernde krankheitswerte Anpassungsstörung überging, somit eine 24 Tage überschreitende Gesundheitsschädigung zur Folge hatte;
2./ am 8. Dezember 2011 Fay J*****, indem er sie mit beiden Händen am Hals würgte, zu Boden drückte, ihr die Hose auszog und schließlich mit seinem erigierten Penis vaginal in sie eindrang;
3./ am 19. Dezember 2012 Magdalena N*****, indem er ihr mit beiden Händen auf die Kehle drückte und sie wiederholt mit dem Umbringen bedrohte, ihr die Hose und Unterhose auszog und mit seinem erigierten Penis anal in sie eindrang;
B./ am 7. März 2009 Anita W***** durch Gewalt zur Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht (§ 15 StGB), indem er sie von hinten im Bereich des Genicks an den Haaren packte, sie in den Bereich eines aufgelassenen Postamtsgebäudes zerrte, seine Hose öffnete und versuchte, die Hose des Opfers auszuziehen und der Genannten wiederholt Schläge und Tritte versetzte, wodurch diese eine Schädelprellung, Prellungen und Blutunterlaufungen des Gesichts, einen Bruch des Nasenbeins, eine Prellung des Mundes mit Rissquetschwunde an der Unterlippe und Lockerung des ersten linken oberen Schneidezahns, einen Bruch des linken Außenknöchels, Hautabschürfungen an Händen und Knien und eine Prellung und Blutunterlaufung der rechten Flanke‑Region, mithin eine an sich schwere Körperverletzung, welche eine 24 Tage überschreitende Gesundheitsschädigung zur Folge hatte, erlitt, wobei die Vollendung unterblieb, weil das Opfer flüchten konnte.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten erhobene und auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Indem die Verfahrensrüge sich auf vom Angeklagten im Ermittlungsverfahren gestellte Anträge bezieht, verkennt sie, dass nur während der Hauptverhandlung gestellte Anträge Grundlage der Z 4 sein können (RIS‑Justiz RS0099099).
Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellungen entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS‑Justiz RS0118316). Indem der Angeklagte darauf hinweist, dass er „von einer Vielzahl von Fakten“, welche ihm zur Last gelegt worden waren, letztlich freigesprochen wurde, und er offensichtlich mit „allen nicht aufgeklärten Sittlichkeitsdelikten im Zusammenhang gebracht und als Täter verdächtigt“ wurde, nennt er jedoch kein konkretes, in der Hauptverhandlung vorgekommenes Verfahrensergebnis, welches übergangen worden wäre.
Nach Z 5 dritter Fall ist ein Urteil nichtig, wenn der Ausspruch des Gerichtshofs über entscheidende Tatsachen mit sich selbst in Widerspruch steht (RIS‑Justiz RS0117402). Indem die Nichtigkeitsbeschwerde darauf hinweist, die Tatrichter hätten auf „geringe Unterschiede“ zwischen der Aussage der Zeugin W***** vor der Polizei im Jahr 2009, bei ihrer kontradiktorischen Vernehmung im Jahr 2013 und in der Hauptverhandlung hingewiesen, ihre Angaben jedoch insgesamt als glaubwürdig erachtet (US 14), wird der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht dargestellt.
Soweit der Nichtigkeitswerber dem Schöffengericht Widersprüchlichkeit der Urteilsbegründung vorwirft, weil es ausführte, die genannte Zeugin hätte auf einem ihr im Ermittlungsverfahren gezeigten Lichtbild des Angeklagten diesen nicht mit Sicherheit als Täter erkannt, während sie den Angeklagten aufgrund eines in einer Zeitung veröffentlichten Fotos mit 100%iger Sicherheit identifizierte und ihn im Rahmen einer Wahlkonfrontation zweifelsfrei erkannte (US 14), zeigt er Nichtigkeit nach Z 5 dritter Fall ebensowenig auf, sondern bekämpft lediglich die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung.
Das gilt auch für den Hinweis auf den ‑ vom Erstgericht gewürdigten (US 14) ‑ Umstand, dass die Zeugin bei der Schätzung der Größe des Angeklagten um 10 cm abwich.
Die beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts, wonach die Zeugin Cornelia G*****, die das Gesicht des Täters während der Tat nicht sehen konnte, ihn jedoch an seiner Stimme in der Hauptverhandlung sicher erkannte, wobei sie bei einem Stimmenvergleich im Ermittlungsverfahren noch angegeben hatte, der Angeklagte habe „dem Täter sehr ähnlich geklungen“ (US 15), sind entgegen der weiteren Mängelrüge unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (Z 5 vierter Fall). Mit der Behauptung, es stelle eine unzulässige Vermutung zu Lasten des Angeklagten dar, wenn das Erstgericht ausführe, es erscheine durchaus lebensnah, dass der Angeklagte beim Stimmenvergleich seine Stimme verstellte (US 15), bekämpft die Beschwerde neuerlich bloß die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung, ohne Nichtigkeit aus Z 5 aufzuzeigen (vgl RIS‑Justiz RS0102162).
Das weitere unter Z 5 erstattete Vorbringen, „darüber hinaus setzt sich das Erstgericht nicht mit dem Umstand auseinander, dass die Zeugin W***** anlässlich ihrer kontradiktorischen Einvernahme (Seite 12 des Protokolls vom 3. Juni 2013) angegeben hat, dass sie den Täter anhand seiner Statur erkannt hat und dass der Täter zum Zeitpunkt des Vorfalls eine andere Statur gehabt haben soll und demgegenüber die Zeugin G***** den Angeklagten gerade anhand seiner Statur erkannt haben will, nämlich deshalb weil er eben zum Tatzeitpunkt und in der Hauptverhandlung die gleiche Statur gehabt haben soll, so ist dies ein nicht aufzulösender Widerspruch“, bleibt unverständlich.
Die Berufung auf den sogenannten Zweifelsgrundsatz ist kein aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO beachtliches Vorbringen (RIS‑Justiz RS0102126).
Weiters macht die Nichtigkeitsbeschwerde (inhaltlich Z 11 iVm Z 5 vierter Fall) betreffend die im angefochtenen Urteil ausgesprochene Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB geltend, das Erstgericht hätte sich auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Univ.‑Doz. Dr. Karl D***** gestützt, obwohl dieses in der Hauptverhandlung nicht verlesen worden wäre (§ 258 Abs 1 StPO). Dabei lässt der Angeklagte jedoch außer Acht, dass der genannte Experte sein Gutachten in der Hauptverhandlung erstattete und seine schriftlichen Gutachten vom 28. Mai 2013 und vom 16. Oktober 2013 aufrecht hielt (ON 164 S 19 ff). Im Übrigen wurden in der Hauptverhandlung am 30. Oktober 2013 „die bisherigen Verfahrensergebnisse“, und somit auch die angesprochenen schriftlichen Gutachten, laut dem ungerügt gebliebenen Hauptverhandlungsprotokoll einverständlich vorgetragen (§ 252 Abs 2 Z 4 und Abs 2a StPO). Das gilt auch für die in das Gutachten des Sachverständigen D***** einbezogene testpsychologische Untersuchung des Angeklagten durch die Psychologin Mag. Irene F***** (vgl ON 117).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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