European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0120OS00156.13B.0306.000
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II./, demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alfons K***** der Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1, Abs 2, Abs 5 Z 4 (zu ergänzen: iVm § 161 Abs 1) StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in W***** als im Firmenbuch eingetragener Geschäftsführer der KI***** GmbH, somit als leitender Angestellter einer juristischen Person (§ 161 StGB), die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, dadurch, dass er Geschäftsbücher unvollständig führte und jegliche Kontrolle des faktischen Geschäftsführers unterließ, sodass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens‑, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft erheblich erschwert wurde (§ 159 Abs 5 Z 4 StGB), grob fahrlässig,
I./ von 25. Juni 2004 bis 31. August 2005 die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeigeführt;
II./ von 1. September 2005 bis 15. Februar 2006 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft die Befriedigung wenigstens eines ihrer Gläubiger vereitelt oder geschmälert.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die aus Z 5, 9 lit a und 10a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Dieser kommt teilweise Berechtigung zu.
Zum Schuldspruch I./:
Die Feststellungen zur jedenfalls bereits vor Juli 2005 erfolgten Aufnahme der Tätigkeit der KI***** GmbH leiteten die Tatrichter (unter dem Aspekt der Z 5 vierter Fall mängelfrei) aus der Expertise des Sachverständigen Mag. Dr. Matthias Ko***** ab (US 9 bis 12).
Das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall), wonach die Tätigkeit der KI***** GmbH nicht bereits am 25. Juni 2004, sondern erst mit Juli 2005 eingesetzt habe, kann schon deshalb nicht zielführend sein, weil die Frage des Tatzeitraums vorliegend keine entscheidende Tatsache betrifft (RIS‑Justiz RS0098693; RS0098557).
Im Übrigen trifft der Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht zu (US 10). Vielmehr lässt der Beschwerdeführer seinerseits die relevanten Passagen im Gutachten des Sachverständigen Mag. Dr. Matthias Ko***** außer Acht, wonach zumindest ab September 2004 (wenn nicht schon früher) Mitarbeiter bei der Wiener Gebietskrankenkasse auf die „KI*****“ ***** GmbH angemeldet gewesen seien (ON 9 S 49). Da das von der Wiener Gebietskrankenkasse für die Jahre 2005 und 2006 geführte Anmeldeverzeichnis der KI***** GmbH dem von den Tatrichtern angenommenen Beginn des kridaträchtigen Verhaltens nicht entgegen steht, bedurfte es auch keiner gesonderten Erörterung.
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) sich weder an den Feststellungen zur Aufnahme der Tätigkeit der KI***** GmbH bereits vor Juli 2005 (US 10) noch an den zur subjektiven Tatseite getroffenen Urteilsannahmen (US 5) orientiert, sondern diese bestreitet, verfehlt sie die prozessordnungskonforme Darstellung des Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0099810).
Die Darstellung einer Diversionsrüge ist auf der Basis der Urteilsfeststellungen methodisch korrekt zu entwickeln (RIS‑Justiz RS0124801). Diesen Anfechtungskriterien wird die Diversionsrüge (Z 10a) nicht gerecht, weil sie durch ihren Verweis auf die lange Verfahrensdauer, die Unbescholtenheit und das Fehlen spezialpräventiver Erfordernisse nicht darlegt, weshalb die von den Tatrichtern angestellten Erwägungen zur Generalprävention (§ 198 Abs 1 StPO) die fehlende Anwendung der Diversion nicht tragen.
Zum Schuldspruch II./:
Zutreffend macht die Rechtsrüge (Z 9 lit a) jedoch geltend, dass die getroffenen Feststellungen für einen Schuldspruch wegen § 159 Abs 2 Abs 5 Z 4 iVm § 161 Abs 1 StGB nicht ausreichen. Die Tatrichter gingen im hier maßgeblichen Zusammenhang davon aus, dass der Angeklagte klarstellen wollte, „dass selbst wenn er weiterhin als Geschäftsführer im Außenverhältnis aufscheine, er im Innenverhältnis von T***** schadlos gehalten werden wollte“. Aus diesem Grund habe er sich an Rechtsanwalt Mag. Gerhard S***** gewendet, der ihm in Kenntnis des gewünschten Austritts aus der Gesellschaft empfohlen habe, gegenüber den Gesellschaftern den Rücktritt zu erklären. Im Beisein des faktischen Geschäftsführers T***** und des Rechtsanwalts sei am 25. Juli 2005 zwischen dem Angeklagten und der (Allein‑)Gesellschafterin Petra L***** über die Zurücklegung der Geschäftsführertätigkeit eine handschriftliche Urkunde aufgesetzt worden (US 4 f). Nach Außen wurde der Angeklagte jedoch (wie geplant) weiterhin etwa dadurch tätig, dass er im Herbst 2005 für die KI***** GmbH eine Ratenvereinbarung mit der Wiener Gebietskrankenkasse abschloss (US 9), dort eine Bürgschaftserklärung abgab (US 9), ihm zugestellte Klagen übernahm, weiterreichte und im September 2005 für Unternehmenszwecke Geldbeträge behob (US 8). Erst mit der Bestellung des Karl Ku***** am 23. Februar 2006 wurde die Funktion des Angeklagten im Firmenbuch gelöscht (US 5). Aus der vom Angeklagten nicht veranlassten Löschung des Rücktritts im Firmenbuch und dem weiteren Tätigwerden schloss das Erstgericht, dass der Angeklagte „nach wie vor Strohmann für T***** sein sollte“, wobei der in die Konstruktion nicht eingeweihte Rechtsanwalt Mag. Gerhard S***** als Zeuge für einen Akt, aber nicht als durchführende Kraft aufgetreten sei (US 8).
Entgegen der vom Erstgericht vertretenen Rechtsauffassung („zwar ist es noch denkbar, dass ein juristisch/wirtschaftlich nicht ausgebildeter Rechtssuchender sich noch mit der Auskunft zufrieden gibt, dass er mit dem Rücktritt als Geschäftsführer nicht mehr Geschäftsführer sei“ (US 8), lässt das Gesetz die Beendigung der Geschäftsführerfunktion ‑ wie etwa hier zur Haftungs-vermeidung ‑ durch Erklärung gegenüber der Alleingesellschafterin ausdrücklich zu (§ 16a GmbHG). Der zurückgetretene Geschäftsführer kann, aber muss das Erlöschen der Vertretungsbefugnis nicht zur Eintragung im Firmenbuch anmelden (§ 17 Abs 2 GmbHG). Funktion und Tätigkeit des Geschäftsführers sind voneinander zu unterscheiden (vgl Straube/Ratka/Stöger/Völkl in Straube, GmbHG § 15 Rz 5). Die Beendigung der Organstellung (Gesellschaftsrecht) führt nicht automatisch zur Beendigung des Anstellungsvertrags (vgl Ratka in Straube , GmbHG § 16a Rz 9). Die Eintragung im Firmenbuch ist zum Schutz des guten Glaubens Dritter im geschäftlichen Verkehr bestimmt. Für die Frage allfälliger strafrechtlicher Haftung als Geschäftsführer kommt es dagegen auf den Stand des Firmenbuchs nicht an. § 17 Abs 3 GmbHG greift im öffentlichen Recht nicht. Der organschaftliche Rücktritt ist von der (lediglich deklarativ wirkenden) Eintragung im Firmenbuch unabhängig und bereits nach dem Zugang der Erklärung (bzw beim Fehlen eines wichtigen Grundes nach Ablauf von 14 Tagen) wirksam (vgl Arnold in Gruber/Harrer , GmbHG‑Kommentar § 17 Rz 44; Koppensteiner/Rüffler , GmbHG³, § 17 Rz 8; Umfahrer , GmbHG 6 Rz 213; Reich‑Rohrwig I² Rz 2/707; Petrasch/Verweijen in Straube , GmbHG § 17 Rz 2, 37). Mit dem Rücktritt endet auch die Geschäftsführereigenschaft. Ab diesem Zeitpunkt ist der zurückgetretene Geschäftsführer nicht mehr geschäftsführungs‑ und vertretungsbefugt, lediglich der Rechtsverkehr darf bis zur Eintragung der Löschung auf seine Vertretungsbefugnis vertrauen.
Mit Blick auf die in mehrfacher Hinsicht verfehlte Rechtsauffassung des Erstgerichts kann sich der Oberste Gerichtshof auch nicht der von der Generalprokuratur vertretenen Sichtweise anschließen, wonach die Tatrichter durch die referierten Feststellungen zum Ausdruck bringen wollten, dass der Angeklagte gegenüber der Alleingesellschafterin eine nicht ernstgemeinte Scheinrücktrittserklärung abgegeben habe. Hiezu hätte es unmissverständlicher Konstatierungen bedurft.
Für eine abschließende strafrechtliche Beurteilung reichen die Urteilsannahmen aber nicht aus. Im zweiten Rechtsgang wird abzuklären sein, ob sich der Angeklagte nach Beendigung des organschaftlichen Vertrags allenfalls als Geschäftsführer gerierte oder als leitender Angestellter (§ 74 Abs 3 StGB) tätig wurde. Der aufgezeigte Rechtsfehler fordert eine Aufhebung des Schuldspruchs II./.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a StPO.
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