OGH 6Ob30/14a

OGH6Ob30/14a20.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache des am 2. Dezember 2010 verstorbenen H***** W***** über den außerordentlichen Revisionsrekurs des erblasserischen Sohnes W***** W*****, vertreten durch Dr. Josef Faulend‑Klauser und Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 24. Oktober 2013, GZ 5 R 158/13m‑93, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leibnitz vom 4. Juni 2013, GZ 8 A 684/10i‑81, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00030.14A.0220.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stellt die Frage, ob ein Miterbe „anderweitig versorgt“ im Sinn des § 3 Abs 1 Z 3 AnerbenG ist, eine solche des konkreten Einzelfalls und damit keine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 62 Abs 1 AußStrG dar (6 Ob 254/00x; 6 Ob 259/01h; 6 Ob 262/11i; 6 Ob 135/13s). Die Vorinstanzen verneinten diese Frage hinsichtlich der erblasserischen Tochter, die sie zur Anerbin bestimmten, aufgrund der Feststellung, die Land- und Forstwirtschaft, die von ihr und ihrem Lebensgefährten derzeit auf einer gemeinsamen Liegenschaft betrieben werde, werfe keine dauerhaft erzielbaren Erträgnisse ab.

Der erblasserische Sohn vertritt die Auffassung, tatsächlich sei nicht der Ist‑Zustand maßgeblich, sondern komme es auf jene Einkünfte an, die seine Schwester und deren Lebensgefährte „als ordentliche Bauern“ aus der genannten Liegenschaft erzielen könnten; derzeit werde die Land- und Forstwirtschaft von ihnen lediglich „extensiv“ betrieben. Dem steht allerdings die Rechtsprechung entgegen, wonach Entscheidungsrelevanz der Beurteilung zukommt, ob der Lebensunterhalt des potenziellen Anerben auf Dauer materiell abgesichert „ist“ (6 Ob 254/00x; 6 Ob 212/07f SZ 2008/12; 6 Ob 262/11i). Nach der Entscheidung 6 Ob 82/12w (NZ 2013/18) kommt es für das Tatbestandsmerkmal der anderweitigen Versorgung dabei „offenbar“ auf den Entscheidungszeitpunkt an (ebenso Eccher in Schwimann/Kodek , ABGB 4 Bd 3 [2013] § 10 AnerbenG Rz 7 unter Hinweis auf 6 Ob 12/95 und 6 Ob 3/95).

Die Überlegungen des erblasserischen Sohnes in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs erinnern an den Anspannungsgrundsatz des Unterhaltsrechts (vgl dazu statt vieler Gitschthaler , Unterhaltsrecht² [2008] Rz 136‑187). Allerdings hat der Oberste Gerichtshof ‑ ganz abgesehen davon, dass auch nach der Anspannungstheorie ein erfolgloser selbstständig erwerbstätiger Unterhaltspflichtiger nur auf ein branchenübliches Einkommen aus unselbstständiger Tätigkeit und nicht auf ein Einkommen eines Unternehmers in vergleichbarer wirtschaftlicher Lage bei optimaler Geschäftsführung angespannt werden könnte ( Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth , EuPR [2011] § 94 ABGB Rz 123; aA LGZ Wien EFSlg 99.594) ‑ zu § 3 Abs 1 Z 3 AnerbenG bereits ausgeführt, dass aus dem Unterhaltsrecht abgeleitete Argumente bei der Beurteilung der Versorgung eines Miterben, der Anerbe werden will, nicht ausschlaggebend sind (6 Ob 10/01s). Wenn der erblasserische Sohn in diesem Zusammenhang aus der Entscheidung 6 Ob 259/01h etwas anderes ableiten will, so übersieht er, dass dort der potenzielle und zum Entscheidungszeitpunkt gerade arbeitslose Anerbe gerade keine Umstände geltend gemacht hatte, die ihm die Wiederaufnahme einer seiner Ausbildung entsprechenden beruflichen Tätigkeit erschweren oder unmöglich hätten machen können; im vorliegenden Verfahren setzten sich die Vorinstanzen hingegen ausführlich mit Umständen auseinander, die gegen die Möglichkeit der erblasserischen Tochter sprechen, aus der von ihr und ihrem Lebensgefährten betriebenen Land- und Forstwirtschaft ein höheres, jedenfalls aber ein ausreichendes Einkommen zu erzielen, das ihre materielle Absicherung auf Dauer bedeuten würde.

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