OGH 4Ob206/13t

OGH4Ob206/13t17.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel und Dr. Jensik, sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Hunger und Mag. Dr. Krenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Gassauer‑Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei O***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Rechnungslegung (Streitwert 72.672,83 EUR) und 363.364,17 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. September 2013, GZ 4 R 70/13p‑159, womit das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 23. November 2012, GZ 34 Cg 36/10s‑153, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entscheidend für die Beurteilung der von der Klägerin gegen die Beklagte erhobenen Ansprüche aus Patentverletzung (Rechnungslegung und Zahlung) ist unstrittig die Auslegung der Lizenzvereinbarung vom 16. 1. 1989. Zu klären ist die Frage, ob der Muttergesellschaft der Beklagten und/oder ihren konzernverbundenen Unternehmen das Recht zur eigenen Herstellung oder zur Lohnherstellung durch Dritte eingeräumt wurde. Unstrittig ist, dass die Auslegung des Vertrags nach Schweizer Recht zu erfolgen hat; dass das von der Beklagten verwendete Verfahren einen Patenteingriff bildet, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.

Abgesehen davon, dass die Vertragsauslegung im Einzelfall, von im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifender krasser Fehlbeurteilung abgesehen, im Allgemeinen keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwirft, wäre die Revision aus Gründen der Rechtssicherheit hier nur dann zulässig, wenn ausländisches Recht unzutreffend ermittelt oder eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt worden wäre oder hiebei grobe Subsumtionsfehler unterlaufen wären (8 ObA 2/07p; RIS‑Justiz RS0042940, RS0042048).

Die Revision wendet sich nicht gegen die vom Berufungsgericht seinen rechtlichen Ausführungen vorangestellte Zusammenfassung der Grundsätze der Vertragsauslegung nach Schweizer Recht; diese wird in dem der Revisionsschrift zugrundeliegenden und der Revision angeschlossenen Schweizer Rechtsgutachten sogar ausdrücklich als zutreffend bezeichnet. Geltend gemacht wird lediglich eine unrichtige Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den hier auszulegenden Vertrag. Eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung vermag die Beklagte aber hier nicht aufzuzeigen.

Der Inhalt eines Vertrags bestimmt sich nach Schweizer Recht in erster Linie durch subjektive Auslegung, das heißt nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen (Art 18 Abs 1 OR). Nur wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmaßlichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Während die objektivierte Vertragsauslegung als Rechtsfrage zu prüfen ist, beruht die subjektive Vertragsauslegung auf Beweiswürdigung, also Tatsachenfeststellung (BGE 131 III 606 4.1.; BGE 121 III 118 4.aa).

Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass die Verhandlungsführer beider Streitteile nicht über die Möglichkeit der Eigenproduktion auf Beklagtenseite sprachen. Klar war, dass die Produktion durch drei beauftragte „Satelliten“‑Unternehmen erfolgen sollte, weil nach dem damaligen Konzept auf Beklagtenseite keine eigene Produktionsstätte vorgesehen war. Es war nie Thema, dass nach Abschluss der strittigen Vereinbarung noch andere Unternehmen auch eine Lizenz erhalten sollten. Daraus folgt eindeutig, dass keine tatsächliche Willensübereinstimmung in dem von der Beklagten nunmehr gewünschten Sinn vorlag. Es entspricht daher den Auslegungsgrundsätzen nach Schweizer Recht, wenn das Berufungsgericht zur objektivierten Auslegung gelangte.

Die von der Revisionswerberin vermisste Wortinterpretation sowie die gleichfalls als fehlend gerügte systematische Analyse führen im vorliegenden Fall zu keinem nachvollziehbaren Ergebnis, gesteht die Beklagte doch selbst zu, dass sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung weder die angegriffene (taxative Aufzählung der erlaubten Produktionsstätten) noch die von der Beklagten gewünschte (gegenteilige) Auslegung ergibt. Den Revisionsausführungen ist weiters zu entnehmen, dass die systematische Interpretation gleichfalls zu keinem überzeugenden Ergebnis führt, allenfalls bloß Fragen aufwirft.

Es ist daher als vertretbar zu beurteilen, wenn das Berufungsgericht mit Hilfe teleologischer Interpretation zu seinem Auslegungsergebnis gelangt. Auch wenn das Berufungsgericht die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin hervorhebt, bedeutet das nicht, dass die wirtschaftlichen Interessen der Beklagten unberücksichtigt geblieben wären oder die Vereinbarung aus deren Blickwinkel unverständlich wäre. Nach den getroffenen Feststellungen sollte die Vereinbarung einerseits die Geschäftsbeziehung der Streitteile aufrecht erhalten und andererseits aufkommende Patentstreitigkeiten beilegen. Dem entspricht die Abtretung der Rechte aus der Patentanmeldung der Muttergesellschaft der Beklagten, wofür diese in einem bestimmten Umfang unentgeltliche Lizenzen erhielt. Dass die offenbar nur von der momentanen wirtschaftlichen Situation der Beteiligten ausgehende Vereinbarung für einen längeren Zeitraum (Laufzeit des Patents) unflexibel und daher wirtschaftlich nicht besonders vernünftig ist, lässt sich weder für das eine noch für das andere Auslegungsergebnis ins Treffen führen.

Dass beide Seiten bei der Produktion von Faktor VIII bereits zusammenarbeiteten und diese Zusammenarbeit auch für die Zukunft bewahren wollten, hat das Berufungsgericht seinen rechtlichen Überlegungen zugrunde gelegt. Ob eine bestimmte Person von Beklagtenseite als Miterfinder des Klagepatents anzusehen sei, ist für die Auslegung der Parteienvereinbarung somit ohne Relevanz; in diesem Zusammenhang gerügte Feststellungsmängel sind nicht zu erkennen. Im Hinblick auf die ausdrückliche Ablehnung sekundärer Feststellungsmängel durch das Berufungsgericht ist auch der von der Beklagten behauptete Mangel des Berufungsverfahrens im Sinne grober Missachtung der Verfahrensgrundsätze nicht nachvollziehbar.

Stichworte