OGH 4Ob234/13k

OGH4Ob234/13k17.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Russische Föderation, vertreten durch die ständige Vertretung der Russischen Föderation bei den Internationalen Organisationen in Wien, *****, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. O***** K*****, vertreten durch Dr. Lutz Riede, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Dr. Romana Zeh‑Gindl, Rechtsanwältin in Wien, wegen 52.757,19 EUR sA und Räumung, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 42.325,92 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. September 2013, GZ 40 R 76/13t‑49, womit das Teilurteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 3. Jänner 2013, GZ 8 C 1382/11s‑45, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00234.13K.0217.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.977,84 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 329,64 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Vorinstanzen haben im Rahmen des über die von der Klägerin erhobene Mietzins‑ und Räumungsklage geführten Verfahrens dem Mietzinsbegehren der Klägerin im Ausmaß von 42.325,95 EUR sA stattgegeben.

Das Berufungsgericht billigte die Anwendung österreichischen Rechts, verneinte die Nichtigkeit des dem Zahlungsbegehren zu Grunde liegenden Mietvertrags in Folge behaupteten Verstoßes gegen Art 42 des Wiener Übereinkommens über die diplomatische Beziehungen und verwarf auch die Einrede des Beklagten, die Klägerin hätte auf rückständige Mieten zumindest schlüssig verzichtet. Die geltend gemachten Mietzinsrückstände seien auch nicht verjährt. Da über mögliche Auswirkungen des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen auf die Vermietung von Wohnraum, „der sich als diplomatisches Territorium darstelle“, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle, sprach das Berufungsgericht aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Die Revision des Beklagten, mit der er die Abweisung des Mietzinszahlungsbegehrens anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Der Beklagte vermag in seiner Revision keine Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Wahrnehmung einer bereits vom Berufungsgericht geprüften Nichtigkeit ist in dritter Instanz ausgeschlossen (RIS‑Justiz RS0042981, RS0035572, RS0039226). Der Versuch des Beklagen, neuerlich die örtliche oder sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts oder das Fehlen der inländischen Gerichtsbarkeit geltend zu machen, muss daher ebenso scheitern wie die Wiederholung der Rüge erstinstanzlicher Verfahrensmängel, die das Berufungsgericht gleichfalls verneinte (RIS‑Justiz RS0042963).

2. Fragen allfälliger völkerrechtlicher Immunität stellen sich im vorliegenden Fall von vornherein nicht, ist doch der Beklagte selbst unstrittig kein Diplomat und das strittige Bestandobjekt nicht Bestandteil der Räumlichkeiten einer diplomatischen Mission. Die Klägerin ihrerseits hat durch Einleitung des Verfahrens (Klageführung) auf eine allenfalls zu ihren Gunsten bestehende Immunität verzichtet.

3. Behauptet die klagende Partei die Anwendbarkeit österreichischen Rechts und bleibt dieses Vorbringen unbestritten, beruft sich vielmehr die beklagte Partei selbst auf österreichisches Recht, liegt eine beachtliche Rechtswahl der Parteien iSd § 35 Abs 1 IPRG vor (RIS‑Justiz RS0040169). Ob nach den konkreten Umständen des Einzelfalls eine ‑ allenfalls schlüssige ‑ Rechtswahl der Parteien anzunehmen ist, wirft von ‑ hier nicht vorliegender ‑ krasser Fehlbeurteilung abgesehen keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

Wurde mangels entsprechenden Tatsachenvorbringens in erster Instanz keine Rechtswahl festgestellt, ist die Miete einer unbeweglichen Sache grundsätzlich nach dem Recht des Gelegenheitsorts zu beurteilen (Art 4 Abs 3 EVÜ; hier infolge des vor dem 17. 12. 2009 liegenden Vertragsabschlusses noch anzuwenden; vgl 8 Ob 33/13f).

4. Gemäß § 879 Abs 1 ABGB ist ein Vertrag nichtig, der gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. In Lehre und Rechtsprechung anerkannt ist allerdings, dass die Nichtigkeitssanktion nur jene Verträge trifft, die vom betreffenden Verbot ausdrücklich genannt werden oder wenn sich das aus dem Normzweck ergibt (vgl RIS‑Justiz RS0016417, RS0016457).

Der vom Beklagten ins Treffen geführte Art 42 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen (BGBl 66/1966) lautet: „Ein Diplomat darf im Empfangsstaat keine freien Berufe und keine gewerbliche Tätigkeit ausüben, die auf persönlichen Gewinn gerichtet sind“. Schon der klare Wortlaut zeigt, dass sich dieses Verbot gegen die Tätigkeit von Diplomaten und nicht jene von fremden Staaten als Wirtschaftssubjekt richtet. Darüber hinaus zeigt Art 31 Abs 1 lit c des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, wonach der Diplomat bei einem Verstoß gegen das Verbot des Art 42 zivil‑ und verwaltungsrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden kann, dass entgegen dem Verbot geschlossene Verträge gültig und durchsetzbar sind.

Dass aus Art 42 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen die Nichtigkeit eines von einem fremden Staat als Liegenschaftseigentümer mit einem Österreicher zu Wohnzwecken abgeschlossenen Mietvertrags nicht abgeleitet werden kann, ist daher so klar, dass es einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hiezu nicht bedarf.

5. Bei der Beurteilung der Frage, ob auf ein Recht stillschweigend verzichtet wurde, ist besondere Vorsicht geboten. Ein Verzicht darf immer nur dann angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, dass er ernstlich gewollt ist. Die bloße Untätigkeit des Berechtigten auch durch einen längeren Zeitraum ist für sich allein noch kein Grund Verzicht anzunehmen (RIS‑Justiz RS0014190; RS0014420). Für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen damit erklärten rechtsgeschäftlichen Willen legt § 863 ABGB einen strengen Maßstab an (RIS‑Justiz RS0014146, RS0014157). Ob nach den Umständen des Einzelfalls ein Verzicht anzunehmen ist oder nicht, bildet im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0107199). Eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung ist in der Auffassung des Berufungsgerichts, die festgestellten Äußerungen des Vertreters der Klägerin seien allenfalls im Sinn einer reinen Stundung zu verstehen, nicht zu erkennen.

6. Die Rüge fehlender Begründung für den Beginn der zugesprochenen Verzugszinsen übersieht die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts (unbestritten in erster Instanz).

Die Revision des Beklagten ist daher zurückzuweisen.

Da die Klägerin auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hinwies, hat ihr der Beklagte die Kosten der zweckentsprechenden Revisionsbeantwortung gemäß der §§ 41 und 50 ZPO zu ersetzen.

Stichworte