OGH 14Os174/13i

OGH14Os174/13i28.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Jänner 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mascha als Schriftführer in der Strafsache gegen Michael K***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Geschworenengericht vom 24. September 2013, GZ 704 Hv 1/13z-972, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Michael K***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (I) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 4 Z 1 SMG (II) schuldig erkannt.

Danach hat er

(I) am 27. Juni 2006 im Raum P***** Julia K***** auf nicht mehr feststellbare, jedenfalls gewaltsame Weise, mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Gewaltanwendung gegen den Kopf, vorsätzlich getötet, nachdem er ihr einen heftigen Faustschlag gegen den Mund versetzt hatte, welcher eine Eindrückung des Zahnfaches des zweiten rechten oberen Schneidezahns und einen Abbruch des ersten rechten oberen Schneidezahns zur Folge hatte;

(II) zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis 27. Juni 2006 in P***** und D***** der am 29. Mai 1990 geborenen, sohin minderjährigen Julia K***** den Gebrauch von Suchtgift ermöglicht, wobei er selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als die Minderjährige war, indem er der Genannten vorschriftswidrig eine nicht mehr feststellbare Menge Suchtgift, und zwar Crystal Meth (beinhaltend Methamphetamin), zum Grammpreis von 100 Euro überließ.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 und 6 des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Soweit die Verfahrensrüge (Z 5) die - auf Initiative des Zeugen Kurt L***** erfolgte - Zurückweisung einer an den Genannten gerichteten Frage des Verteidigers (zur - zudem unerheblichen - Detailliertheit und Regelmäßigkeit der Eintragungen im sichergestellten Tagebuch des Tatopfers) durch den Schwurgerichtshof (ON 964 S 750) kritisiert, scheitert sie schon an der erforderlichen Bezugnahme auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag des Beschwerdeführers oder gegen dessen Widerspruch gefassten Beschluss (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 302).

Der Antrag auf Durchführung eines Ortsaugenscheins „sowohl an der Örtlichkeit der ehemaligen Videothek in P***** als auch in D*****“ (ON 964 S 979 f) zur Klärung der „akkustischen Verhältnisse“, fehlte es schon deshalb an der Erheblichkeit (also der Eignung, die zur Feststellung entscheidender Tatsachen anzustellende Beweiswürdigung maßgeblich zu beeinflussen), weil - wie die Rüge selbst einräumt - der konkrete Tatort vorliegend nicht festgestellt werden konnte, womit der Antrag ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen wurde (ON 964 S 986).

Zudem lässt sich dem diesbezüglichen Vorbringen in der Hauptverhandlung, wonach das Opfer eines Schlages gegen die Zähne nach den Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr. Denk „in aller Regel“ mit einem Schrei reagiere (konkret wies der Experte auf die Erfahrungstatsache hin, dass ein Schrei - abhängig von Tageszeit und Örtlichkeit - „eine natürliche“ Reaktion auf einen Schlag gegen die Zähne sein kann, wenn das Opfer Hilfe erwartet [ON 964 S 865 und 874]) und ein solcher sowohl vom Zeugen Andreas G***** (vgl dazu aber dessen Aussage ON 964 S 342) als auch von anderen (nicht näher benannten) „Gelegenheitspersonen“ wahrgenommen hätte werden müssen, nicht entnehmen, warum die begehrte Beweisaufnahme das (gerade noch erkennbar) behauptete Beweisthema (fehlender Gewaltausübung gegen das Opfer) erwarten lasse und zielte solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Kritik am Unterlassen einer Eventualfrage an die Geschworenen (§ 314 Abs 1 StPO) wird nur dann prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht, wenn die Beschwerde in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse deutlich und bestimmt bezeichnet (§ 302 Abs 1 StPO iVm § 258 Abs 1 StPO), die einen Sachverhalt indizieren, der nach den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen Anlass zur begehrten Fragestellung geboten hätte (vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23; RIS-Justiz RS0117447).

Indem die Fragenrüge (Z 6) eine Eventualfrage nach (nicht weiter differenzierten) Tatbeständen der §§ 86 und 87 StGB reklamiert, dazu aber - zudem ohne Angabe der konkreten Fundstelle in den umfangreichen (34 Bände umfassenden) Akten (vgl RIS-Justiz RS0124172) - bloß auf Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr. Denk zum Thema, ob und unter welchen Umständen ein Faustschlag gegen das Gesicht eines Menschen zu dessen Tod führen kann (ON 964 S 874), verweist und daran eigene Mutmaßungen zum Tatvorsatz des (im Übrigen jeglichen Zusammenhang mit dem Tod des Opfers leugnenden) Beschwerdeführers anstellt (vgl dazu Hager/Meller/Hetlinger, Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung³ S 89 mwN), spricht sie solche Verfahrensergebnisse nicht an. Der Umstand, dass die Art der Tat nicht zwingend zum Tod eines Menschen führe, lässt im Übrigen zwar eine Schlussfolgerung nach bloßem Verletzungsvorsatz denkbar erscheinen, begründet für sich allein aber ebenfalls kein die Fragestellung erforderndes Indiz (vgl 13 Os 151/08t).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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