OGH 13Os100/13z

OGH13Os100/13z12.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ostojic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rudolf P***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, seine Nichtigkeitsbeschwerde und seine Berufung sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. Juli 2013, GZ 43 Hv 52/13z‑44, und die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung

I/ den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

II/ zu Recht erkannt:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der zu Punkt I angelasteten Taten (auch) nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG, demzufolge auch im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung, sowie der Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte, dieser auch mit seiner Beschwerde, auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rudolf P***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (I) sowie je eines Vergehens der Vorbereitung von Suchgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (II), nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (III/1) und nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (III/2) schuldig erkannt.

Danach hat er ‑ soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung ‑ vom Frühjahr 2012 bis zum 15. April 2013 in Wien vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 42 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 49,8 % (somit 20,9 Gramm Reinsubstanz), Roland C***** durch wiederholten Verkauf überlassen, wobei er die Tat gewerbsmäßig (§ 70 StGB) beging und schon einmal wegen einer (§ 28a) „Abs 1 (SMG) gleichzusetzenden Straftat verurteilt“ worden war.

Die ausschließlich gegen den Schuldspruch I aus den Gründen der Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Laut im Akt erliegendem Rückschein (ON 1 S 34) wurde das Urteil dem Verteidiger im elektronischen Rechtsverkehr gemäß § 89d Abs 2 GOG (wonach als Zustellungszeitpunkt elektronisch übermittelter gerichtlicher Erledigungen der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag gilt) am 28. August 2013 zugestellt. Davon ausgehend wurde die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde am 25. September 2013 rechtzeitig, nämlich am letzten Tag der vierwöchigen Frist (§ 285 Abs 1 StPO), überreicht. Mangels Versäumung einer prozessualen Frist war der Antrag auf Wiedereinsetzung als gegenstandslos zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0101307; Lewisch, WK-StPO § 364 Rz 7).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Zutreffend zeigt die Subsumtionsrüge (Z 10) einen Rechtsfehler mangels Feststellungen im Zusammenhang mit der Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung auf. Dem Urteil ist nämlich nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in der Absicht gehandelt habe, sich durch wiederkehrendes Überlassen von jeweils (allenfalls sukzessive zu erreichenden) die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftmengen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl US 6). Dies wäre aber Voraussetzung für die rechtliche Annahme der Qualifikation des § 28a Abs 2 Z 1 SMG (RIS‑Justiz RS0114843 [T5]), weshalb deren Aufhebung bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) unumgänglich war und sich eine Antwort auf die weitere, ausschließlich mit dieser Zielrichtung erhobenen Subsumtionsrüge erübrigt.

Der teilweise Wegfall des Schuldspruchs bedingt auch die Aufhebung des Strafausspruchs und des von diesem abhängigen (vgl RIS‑Justiz RS0101886) Beschlusses auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht.

Darauf waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren Berufungen, dieser auch mit seiner Beschwerde, zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht ‑ bei neuerlicher Subsumtion nach dieser Bestimmung ‑ auf eine mängelfreie Begründung der Feststellung, dass die qualifikationsbegründend herangezogene Verurteilung zu AZ 63 Hv 100/05v des Landesgerichts für Strafsachen Wien wegen „§ 28 Abs 2 und 3 1. Fall SMG aF“ eine Tat betraf, die alle Merkmale des geltenden § 28a Abs 1 SMG erfüllte, also insbesondere in Bezug auf ein die Grenzmenge übersteigendes Suchtgiftquantum begangen wurde (vgl US 5 und 6), zu achten haben (vgl RIS‑Justiz RS0126985). Dies lässt sich, wie die Mängelrüge im Ergebnis (nominell Z 5 fünfter Fall, der Sache nach vierter Fall) zutreffend aufzeigt, allein aus der Strafregisterauskunft (vgl US 7) nicht ableiten. Eine Einsichtnahme der Tatrichter in das zu jenem Verfahren ergangene Urteil lässt sich weder den Entscheidungsgründen noch dem Akteninhalt (vgl ON 1 S 32 iVm ON 36 S 3, wonach nur der Akt zu AZ 41 Hv 31/11v beigeschafft wurde) entnehmen.

Im darüber hinausgehenden Umfang erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde hingegen als nicht berechtigt:

Entscheidend für die rechtliche Annahme des Überlassens einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Suchtgiftmenge ist die unmissverständliche Feststellung, der Beschwerdeführer habe (bei seinen wiederholten Verkäufen) insgesamt 42 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 49,8 % (somit 20,9 Gramm Reinsubstanz) überlassen (US 5 f und 9). Wie oft derartige Verkäufe durchgeführt wurden und wie viel Kokain in jedem Einzelfall überlassen wurde, ist demgegenüber unmaßgeblich, weshalb die diesbezüglichen (bloß Annäherungswerte enthaltenden) Konstatierungen als Bezugspunkt der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) reklamierenden Mängelrüge nicht in Betracht kommen (RIS-Justiz RS0117499).

Die Kritik (Z 5 vierter Fall), das Erstgericht habe die Feststellung zum Reinheitsgehalt des überlassenen Suchtgifts bloß auf Gerichtsnotorietät gestützt, nimmt nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370). Die Tatrichter stützten sich dabei nämlich insbesondere auf den Bericht über die kriminaltechnische Untersuchung des sichergestellten Kokains, auf die Aussage des Zeugen (und einzigen Abnehmers) Roland C***** zur Qualität des Suchtgifts und den hohen Verkaufspreis (US 8).

Der Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) scheitert schon im Ansatz, weil im Urteil (vgl US 7 f) Details der Aussage des Zeugen Roland C***** betreffend die Häufigkeit seiner Einkäufe beim Beschwerdeführer und der jeweils überlassenen Suchtgiftmengen gar nicht wiedergegeben werden (RIS-Justiz RS0099431). Im Übrigen stehen die dazu getroffenen Feststellungen ‑ dem Beschwerdestandpunkt zuwider ‑ sehr wohl im Einklang mit den Angaben dieses Zeugen (vgl ON 43 S 12 ff). Unter dem ins Treffen geführten Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) erörterungsbedürftige Widersprüche sind zudem nicht erkennbar. Zu einer ausdrücklichen Auseinandersetzung mit sämtlichen Details dieser Zeugenaussage war das Erstgericht mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS-Justiz RS0098377).

Mit dem Verweis auf das Vorbringen der Mängelrüge zu angeblichen Widersprüchen in der Aussage des Zeugen Roland C***** weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in diesem Umfang schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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