Spruch:
Im Verfahren AZ 631 Hv 8/13t des Landesgerichts Korneuburg verletzt das Urteil vom 9. August 2013 (ON 49) in der rechtlichen Unterstellung aller zu I./ inkriminierten Taten auch unter § 206 Abs 3 erster Fall StGB das Gesetz in dieser Bestimmung.
Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in diesem Umfang und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Einweisungserkenntnis nach § 21 Abs 2 StGB aufgehoben und es wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Alfred V***** hat durch die ihm zu I./ zur Last liegenden Taten in einem Fall das Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und in einer unbestimmten Anzahl weiterer Fälle die Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB begangen.
Die Straffestsetzung dafür und für die Alfred V***** zu den Schuldsprüchen II./, III./, IV./ und V./ weiterhin zur Last liegenden Verbrechen und Vergehen sowie die Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einweisung des Alfred V***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher wird dem Erstgericht aufgetragen.
Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 9. August 2013, GZ 631 Hv 8/13t-49, wurde der Angeklagte Alfred V***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (I./), der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (II./), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (III./), der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (IV./) und der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (V./) schuldig erkannt. Unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 7. November 2008, AZ 630 Hv 11/08v wurde über den Angeklagten eine Zusatzfreiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verhängt.
Gemäß § 21 Abs 2 StGB wurde die Unterbringung des Alfred V***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.
Soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes von Bedeutung hat Alfred V***** zwischen Sommer 2007 und 6. Juni 2008 in M***** mehrmals pro Woche mit seinem am 31. Juli 1999 geborenen, mithin unmündigen Sohn Ronaldo V***** in zahlreichen Angriffen dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er den Penis des Unmündigen in den Mund nahm, Handonanie an diesem vornahm, den Unmündigen dazu veranlasste, seinen Penis in den Mund zu nehmen und Handonanie an ihm vorzunehmen bis er in eine Stoffwindel ejakulierte, wobei die Taten eine posttraumatische Belastungsstörung bei Ronaldo V*****, sohin eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), zur Folge hatten (I des Urteilsspruchs).
Nach den Feststellungen war jede der Taten zu I./ mitkausal für die daraus resultierende posttraumatische Belastungsstörung des Rolando V*****, die Krankheitswert erreicht und bereits mehrere Jahre andauert (US 4).
Gegen das Strafausmaß richtet sich die auf Erhöhung der Freiheitsstrafe gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft, über die vom Oberlandesgericht Wien noch nicht entschieden wurde (ON 1 S 23, ON 53).
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, stehen die Schuldsprüche I./ mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Sind mehrere gleichartige sexuelle Übergriffe nach § 206 Abs 1 StGB für eine der Folgen nach § 206 Abs 3 StGB ursächlich geworden, darf die Erfolgsqualifikation nur bei einer dieser Taten angelastet werden (RIS-Justiz RS0120828).
Der Angeklagte hat daher durch die ihm zu I./ zur Last liegenden Taten nur ein einziges nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB qualifiziertes Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und damit real konkurrierend eine Vielzahl weiterer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB begangen.
Gemäß § 292 letzter Satz StPO sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Schuldsprüche zu I./ aufzuheben und in diesem Umfang in der Sache selbst zu entscheiden.
Im Hinblick auf die seit dem Urteil erster Instanz verstrichene Zeit wird zur Neubeurteilung der Voraussetzungen für eine Einweisung des Angeklagten in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher das Gutachten des Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie entsprechend zu ergänzen sein. Die Entscheidung über den Einweisungsantrag und die Straffrage war daher dem Erstgericht zu überlassen.
Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung des Strafausspruchs zu verweisen.
Bei der Entscheidung über den Antrag auf Einweisung des Alfred V***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 2 StGB wird zu beachten sein, dass die Prognosetat im Urteil zumindest ihrer Art nach näher zu umschreiben ist, um solcherart die rechtliche Beurteilung der zu erwartenden mit Strafe bedrohten Handlungen mit schweren Folgen (unter Beachtung der tatbestandsmäßigen Folgen wie auch sonstiger Tatauswirkungen) zu ermöglichen.
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