OGH 17Os26/13x

OGH17Os26/13x26.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. November 2013 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ostojic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. Johann G***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 21. November 2012, GZ 8 Hv 69/12i‑14, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Johann G***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er von 30. Oktober 2009 bis 9. November 2010 in G***** als Bezirkshauptmann der Bezirkshautmannschaft G*****, somit als Beamter, mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an seinem Recht auf Verfolgung von Verwaltungsübertretungen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes (Art 10 Abs 1 Z 7 B‑VG) als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er zwei Meldungen des Fremdenreferenten der Bezirkshauptmannschaft G***** über zumindest 40 unrichtige polizeiliche Wohnsitzanmeldungen von ungarischen Schülern in den Gemeinden E***** und B***** sowie von ungarischen Schülern und Kindergartenkindern in der Gemeinde M***** „keiner geschäftsordnungsgemäßen Behandlung durch die zuständige Strafabteilung seiner Behörde zur Einleitung von Verwaltungsverfahren zuführte, wodurch alle Meldevergehen verjährten“.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider mussten sich die Tatrichter mit den Wahrnehmungen des Zeugen S***** zur arbeitsmäßigen Belastung des Angeklagten und dessen Erklärungen betreffend fehlendes Personal (ON 13 S 27) sowie gleichlautenden Depositionen des Angeklagten (ON 13 S 15), der seine leugnende Verantwortung gar nicht auf seine berufliche Überlastung stützte (vgl US 7 ff; ON 13 S 3 ff), nicht befassen. Denn das Gericht ist ‑ dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) entsprechend ‑ nicht verpflichtet, sich mit den Beweisresultaten in Richtung aller denkbaren Schlussfolgerungen auseinanderzusetzen (RIS‑Justiz RS0098377; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 428).

Mit dem Vorwurf aktenwidriger Urteilsannahmen (Z 5 fünfter Fall) hinsichtlich des vom Angeklagten ins Kalkül gezogenen „politischen Klimas“ in den von den Scheinanmeldungen betroffenen Gemeinden (US 8) spricht der Beschwerdeführer bloß sein Tatmotiv und damit keinen für die Lösung der Schuld‑ oder Subsumtionsfrage entscheidenden Umstand an (RIS‑Justiz RS0088761).

Das gegen die Urteilsannahme, der Angeklagte hätte auch nach einer Schulung, anlässlich der er ‑ seinen Angaben zufolge ‑ von der Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft zur Verfolgung von Verwaltungsübertretungen nach § 22 MeldeG 1991 erfahren habe, genug Zeit gehabt, „vor Ablauf der Verjährungsfrist tätig zu werden“ (US 7), gerichtete Beschwerdeargument (Z 5 vierter Fall), Verjährung sei bereits zuvor eingetreten, berücksichtigt nicht die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 394; RIS‑Justiz RS0119370, RS0116504). Denn das Erstgericht leitete das Wissen des Angeklagten um seine Befugnisse nicht bloß aus diesem Umstand, sondern überdies aus dessen eigenen Angaben (US 7), dem seit einiger Zeit ausgeübten Amt als Bezirkshauptmann und aus wiederholten Hinweisen auf die Problematik der Scheinmeldungen durch den Zeugen L***** ab (US 9).

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach Z 5 zweiter Fall) neuerlich unberücksichtigte Verfahrensergebnisse zur beruflichen Überlastung des Angeklagten moniert, genügt der Verweis auf die Erledigung der Mängelrüge.

Aus welchem Grund „§ 37 NAG iVm § 8 Datenschutzgesetz“ der Verpflichtung zur Einleitung von Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachts der Begehung von Verwaltungsübertretungen (§ 25 VStG) entgegen stehen soll, macht die Beschwerde (Z 9 lit a) nicht deutlich.

Die Kritik an unterbliebenen Urteilsannahmen dazu, dass sämtliche an den Scheinanmeldungen sonst involvierten Personen das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 (teilweise iVm § 12 dritter Fall) StGB und keine ‑ dazu formell subsidiären (§ 22 Abs 3 MeldeG 1991) ‑ Verwaltungsübertretungen begangen hätten, übergeht die Konstatierungen, wonach es zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Angeklagten von den gemeldeten Sachverhalten „noch nicht klar war, ob es dabei sich um in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbare Handlungen der Bürgermeister und sonstiger (offizieller) Unterkunftgeber handelt“ (US 10 f). Weshalb für den Angeklagten daher keine Pflicht zur Setzung von verwaltungsbehördlichen Verfahrensschritten bestanden hätte, erklärt der Beschwerdeführer demgemäß nicht (zur von § 30 Abs 2 VStG angeordneten Verfahrenseinleitung auch in Subsidiaritätsfällen vgl im Übrigen Stöger in N. Raschauer/Wessely, VStG § 30 Rz 7).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte