OGH 11Os118/13g

OGH11Os118/13g12.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. November 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ostojic als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Anna I***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. Mai 2013, GZ 111 Hv 27/13y-23, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, der Angeklagten und des Verteidigers Mag. Dr. Kier sowie der Privatbeteiligtenvertreter Dr. Koller und Mag. Erman zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben und es wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Anna I***** wird nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von

zwei Jahren verurteilt.

Gemäß § 43a Abs 3 StGB wird ein Strafteil von 16 Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit ihrer gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung wird die Angeklagte auf die Neubemessung der Strafe verwiesen.

Ihrer Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis wird nicht Folge gegeben.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch der Angeklagten wegen gleichartiger Vorwürfe enthält, wurde Anna I***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt.

Inhaltlich des Schuldspruchs hat sie vom 1. Februar 2008 bis 13. Oktober 2011 in Wien in 39 Angriffen die ihr als Buchhalterin und als Zeichnungsberechtigte für Finanzamtskonten eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht, indem sie insgesamt 101.836,95 Euro auf ihr eigenes oder andere Konten überwies, wodurch sie den im Urteil bezeichneten Unternehmen einen 50.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil zufügte.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Angeklagten aus Z 3, 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt teilweise Berechtigung zu.

Soweit die Verfahrensrüge (Z 3) in der Nichtbelehrung des Dr. Michael K***** einen Verstoß gegen § 157 Abs 1 Z 2 StPO erblickt und dazu vorbringt, dass es sich um „den Steuerberater der Unternehmen des Ki*****“ handeln würde, genügt es auf die damit nicht im Einklang stehenden Angaben des Zeugen zu verweisen, wonach er DI Birol Ki***** nur aus den Akten bzw aus dessen aggressiven Mails kenne (ON 11 S 59).

Indem sich die eine unzureichende Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite behauptende Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe orientiert, wonach die Tatrichter diese auch aus der Tätigkeit der Angeklagten, dem damit verbundenen Fachwissen, ihrer der Sache nach geständigen Verantwortung vom 12. Dezember 2011 (ON 7 S 11 ff), ihrer Selbstanzeige vom 6. Dezember 2011 (ON 3) und einer Anweisung an die Zeugin B***** ableiteten (US 8 f), verfehlt sie die Anfechtungskriterien. Im Übrigen hat das Erstgericht die subjektive Tatseite auch durch die Bezugnahme auf das objektive Tatgeschehen formal einwandfrei begründet (US 10; RIS-Justiz RS0098671).

Die weitere Mängelrüge (Z 5 fünfter Fall) verfehlt gleichermaßen die prozessförmige Darstellung, indem sie Aktenwidrigkeit behauptet, aber die das Geständnis der Beschwerdeführerin betreffenden Angaben des Zeugen Ki***** übergeht, wonach die Angeklagte den „Betrug“ zugegeben und eine Zahlungsvereinbarung angestrebt habe (ON 22 S 33 f).

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Zutreffend weist jedoch die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) darauf hin, dass die vom Schöffengericht vorgenommene Wertung der Schulduneinsichtigkeit der Angeklagten als eine für die Strafzumessung (mit-)entscheidende Tatsache (US 12) eine unrichtige Gesetzesanwendung darstellt (RIS-Justiz RS0090897).

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur im Strafausspruch aufzuheben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu erkennen.

Bei der dadurch erforderlichen Strafneubemessung waren die Vielzahl der Angriffe und der lange Tatzeitraum erschwerend und der bis dahin ordentliche Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) mildernd. Ausgehend davon erschien dem Obersten Gerichtshof eine Sanktion von 24 Monaten schuld- und tatangemessen.

Mit Blick auf das langjährige Wohlverhalten der 1955 geborenen Angeklagten vor der ersten Delinquenz erscheint (ungeachtet der Vielzahl der Angriffe und des langen Deliktszeitraums) aber nicht der Vollzug der gesamten verhängten Strafe spezial- und generalpräventiv erforderlich, weshalb gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil bedingt nachzusehen war.

Eine gänzliche bedingte Nachsicht kam mit Blick auf die Vielzahl der Angriffe aus spezialpräventiven Erwägungen nicht in Betracht.

Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass der Milderungsgrund unverhältnismäßig langer Verfahrensdauer gegenständlich nicht gegeben ist. Mit der vorliegenden Entscheidung wurde die eine Vielzahl von Angriffen umfassende Wirtschaftsstrafsache in eineinhalb Jahren, sohin auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Sache für die nicht inhaftierte Beschwerdeführerin in durchaus angemessener Zeit abgeschlossen.

Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Das Erstgericht verpflichtete die Angeklagte gemäß § 369 Abs 1 StPO der N***** GmbH 21.624,48 Euro, der M***** GmbH 18.812,47 Euro, der V***** GmbH 6.000 Euro, der P***** GmbH 33.400 Euro, der I***** GmbH 11.000 Euro, der Z***** GmbH 6.500 Euro und der Ze***** GmbH 2.500 Euro zu bezahlen (US 5).

Die gegen das Adhäsionserkenntnis gerichtete Berufung schlägt fehl.

Hinsichtlich der N***** GmbH, der I***** GmbH, der Z***** GmbH und der Ze***** GmbH konnten sich die Tatrichter auf ein Anerkenntnis der Angeklagten stützen (ON 22 S 5 f). Im Übrigen finden die Zusprüche in den von der Beschwerdeführerin verursachten Vermögensschäden Deckung (§ 1323 ABGB).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte