OGH 5Ob131/13w

OGH5Ob131/13w6.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen L***** D*****, geboren am 19. Juni 2007, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter G***** D*****, vertreten durch MMag. Johannes Pfeifer, Rechtsanwalt in Liezen, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 11. Juni 2013, GZ 21 R 177/13w‑230, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0050OB00131.13W.1106.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Das Rekursgericht bejahte im zweiten Rechtsgang seine internationale Zuständigkeit und bestätigte den Beschluss des Erstgerichts vom 18. 10. 2011, GZ 3 PS 81/09v‑143, mit dem dieses der Mutter die Obsorge für den Minderjährigen entzog, diese dem Vater übertrug und aussprach, dass diese Entscheidung insoweit vorläufig sei (§ 107 AußStrG aF), als sie hinfällig werde, sobald die Mutter dem Vater die bereits mit zuvor ergangenen ‑ in Rechtskraft erwachsenen - Entscheidungen unbegleitet eingeräumten Besuchskontakte ermögliche (21 R 436/11f-209). Dieser Beschluss des Rekursgerichts blieb von der Mutter unbekämpft. Die Obsorge über den Minderjährigen kommt demnach zur Zeit allein dem Vater zu. Er befindet sich aber nach wie vor in der Obhut seiner Mutter, die sich mit ihm zuletzt in Australien aufgehalten hatte.

Nach Rückkehr der Mutter nach Österreich beantragte der Vater, dass der Mutter der Reisepass des Minderjährigen abgenommen werde. Diese sei mit dem Minderjährigen bereits einmal für längere Zeit im Ausland aufhältig gewesen, weswegen die Gefahr evident sei, dass dieser neuerlich (gegen den Willen des Obsorgeberechtigten) außer Landes verbracht werde (ON 210).

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die vom Rekursgericht bestätigte Anordnung des Erstgerichts, das der Mutter auftrug, den Reisepass des Minderjährigen auszufolgen und die maßgeblichen Behörden ersuchte, der Mutter bis auf Widerruf keinen neuen Reisepass oder ein gleichwertiges Dokument für den Minderjährigen auszufolgen, gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter zeigt keine Rechtsfragen von der Erheblichkeit gemäß § 62 Abs 1 AußStrG auf.

1. Die Bestimmung des § 107 AußStrG idF BGBl I 2013/15 (Kindschafts‑ und Namensrechts‑ Änderungsgesetz 2013 ‑ KindNamRÄG 2013), auf die sich das Rekursgericht stützte, regelt die besonderen Verfahrensbestimmungen im Verfahren über die Obsorge oder die persönlichen Kontakte. Nach dessen Abs 3 Z 5 zählt die Abnahme der Reisedokumente des Kindes zu den vom Gericht zur Sicherung des Kindeswohls erforderlichenfalls anzuordnenden Maßnahmen, soweit dadurch nicht Interessen einer Partei, deren Schutz das Verfahren dient, gefährdet oder Belange der übrigen Parteien unzumutbar beeinträchtigt werden.

2. Die Revisionsrekurswerberin stellt nicht in Abrede, dass die von den Vorinstanzen angeordnete Maßnahme grundsätzlich geeignet ist, einer Verbringung des Minderjährigen durch den nicht obsorgeberechtigten Elternteil außer Landes entgegenzuwirken, sondern sieht das Wohl ihres Sohnes durch eine Ausübung des Kontaktrechts entsprechend der Beschlussfassung sowie durch die rechtskräftig beschlossene Obsorgeregelung an sich gefährdet. Wegen des seit der Beschlussfassung verstrichenen Zeitraums sei eine Entfremdung des Minderjährigen zu seinem Vater eingetreten, die einer unbegleiteten Kontaktrechtsausübung entgegenstünde. Die Obsorgeregelung entspreche nicht mehr der geänderten Tatsachengrundlage.

3. Grundsätzlich zutreffend referiert die Mutter in diesem Zusammenhang die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach eine nach der Beschlussfassung der Vorinstanzen eingetretene Entwicklung im Hinblick auf das Kindeswohl auch noch im Rechtsmittelverfahren zu berücksichtigen ist (RIS‑Justiz RS0122192; RS0048056). Der von ihr hier geforderten Aktualisierung der Tatsachengrundlage zur Prüfung der Obsorge- und Kontaktregelung steht aber die Rechtskraft dieser Entscheidungen entgegen. Die von ihr behauptete Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegt schon aus diesem Grund nicht vor. Die zwangsweise Durchsetzung eines unbegleiteten Kontakts des Minderjährigen zu seinem Vater, wie sie die Mutter releviert, ist hier nicht zu beurteilen.

4. Mit der angeordneten Abnahme des Reisepasses werden aber weder die tatsächlichen Umstände der Betreuung des Minderjährigen verändert, noch folgt schon daraus die von der Mutter befürchtete Gefährdung des Kindeswohls. Diese Maßnahme soll lediglich einer neuerlichen Verbringung des Minderjährigen ins Ausland gegen den Willen des derzeit Obsorgeberechtigten vorbeugen. Dass das Rekursgericht eine solche Sicherungsmaßnahme für erforderlich und angemessen erachtete, ist im Hinblick auf das aktenkundige Verhalten der Mutter in der Vergangenheit und den Umstand, dass sich der Minderjährige entgegen der bestehenden Obsorgeregelung in ihrer Obhut befindet, gut vertretbar. Mit dem Hinweis auf allfällige Urlaubsreisen oder mögliche Reisen ins Ausland, um Vorstellungsgespräche zu führen, spricht sie auch keine unzumutbare Beeinträchtigung ihre Rechtssphäre iSd § 107 Abs 3 AußStrG an.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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