OGH 14Os158/13m

OGH14Os158/13m5.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. November 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Buchner als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Laurentiu D***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 15. April 2013, GZ 37 Hv 10/13t-67, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des Laurentiu D***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Danach hat er am 19. November 2012 in Salzburg unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, beruht, Otto L***** absichtlich schwer am Körper zu verletzen versucht, indem er ihm mit einem Weißbierglas einen wuchtigen Schlag gegen den Hinterkopf versetzte, und dadurch das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB begangen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der 4, 5, 5a, „9“ und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen verfehlt ihr Ziel.

„Ablehnung“ (im Sinn des § 44 Abs 3 StPO) des bestellten Verteidigers (hier gemäß § 61 Abs 2 Z 1 StPO) sieht das Gesetz entgegen dem ersichtlich von der Verfahrensrüge (Z 4) vertretenen Standpunkt nicht vor. Ein begründetes Begehren auf Vertagung der Hauptverhandlung zwecks Ersuchen an den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer zur Bestellung eines anderen Verteidigers (§ 45 RAO; vgl Achammer, WK-StPO § 62 Rz 11 ff) ist dem - unbeanstandet gebliebenen - Protokoll über die Hauptverhandlung hinwieder nicht zu entnehmen. Dass dem Beschwerdeführer durch einen „offenkundigen Mangel“ der Verteidigung (also durch falsches oder fehlerhaftes Verhalten des Verteidigers, das eine konkrete und wirksame Verteidigung, wie sie mit Blick auf Art 6 Abs 3 lit c MRK erforderlich wäre, nicht mehr gewährleistet) konkrete Nachteile entstanden wären (vgl das Urteil des EGMR vom 10. Oktober 2002, Czekalla gegen Portugal, Nr 38830/97; NL 2002, 209), wurde auch gar nicht behauptet (vgl dazu 13 Os 101/08i). Vielmehr hat der Betroffene im Zusammenhang mit seiner zweimaligen Erklärung, den Verteidiger abzulehnen, zunächst ausdrücklich angegeben, er könne „gegenüber dem Herrn Anwalt … überhaupt keine Anschuldigungen machen“ (ON 66 S 7) und sodann unterlassene Antragstellung auf Vernehmung zweier Zeugen kritisiert, die der Verteidiger umgehend nachholte (ON 66 S 24).

Die Beiziehung eines bestimmten Sachverständigen zur Hauptverhandlung kann zwar durch das Vorbringen erheblicher Einwände verhindert werden (§ 126 Abs 3 letzter Satz und Abs 4 iVm § 248 Abs 1 erster Satz StPO; Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 72; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 370). Derartige (aus Z 4 relevante) Einwände wurden mit der - zudem nach mündlicher Erörterung der schriftlichen Expertise des dem Verfahren beigezogenen Experten Dr. G***** (ON 29) in der Hauptverhandlung (ON 66 S 17 ff) getätigten - Äußerung des Betroffenen, er lehne „auch das Gutachten des Herrn Professor ab“, denn er habe „Dr. M*****“ (einem „Arzt in Neumarkt“) alles gesagt, was mit ihm los sei und ihm auch erzählt, wie er „unter Drogen gesetzt“ und sein „Vermögen gestohlen wurde“ (ON 66 S 24), nicht einmal ansatzweise angesprochen, womit auch dieser Antrag zu Recht der Abweisung verfiel.

Gleiches gilt für das Begehren auf Vernehmung von „Dr. M*****“ und Viorica Ma***** zum Beweis dafür, „dass der Betroffene nicht schizophren ist und ihm alles gestohlen wurde“ (ON 66 S 24). Abgesehen davon, dass diesem Vorbringen nicht zu entnehmen war, auf welcher konkreten Wahrnehmungslage die Genannten verlässliche Angaben zu den Beweisthemen tätigen hätten können, ist die Beschwerde in Betreff des der Sache nach angestrebten Nachweises der Zurechnungsfähigkeit des Betroffenen nicht zu dessen Vorteil ausgeführt (RIS-Justiz RS0124358, RS0126727; Ratz in WK² StGB Vor §§ 21 bis 25 Rz 15). Inwiefern frühere Vermögensverluste des Beschwerdeführers für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage relevant sein sollten, ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht dargelegt.

Dem - undifferenziert auf „Z 5 und 5a“ gestützten - Beschwerdeeinwand zuwider begegnet die Ableitung der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aus den für glaubwürdig erachteten Angaben der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen (US 5) unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) keinen Bedenken. Indem die Rüge aus deren Depositionen anhand eigener Beweiswerterwägungen für ihren Prozessstandpunkt günstigere Schlüsse zieht, wendet sie sich - ungeachtet gegenteiliger Versicherung - nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO). Der zur Überzeugung von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen oder Angeklagten aufgrund des von den Tatrichtern in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher ist nämlich einer Anfechtung aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO entzogen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 412, 457).

Erhebliche, somit erörterungsbedüftige Widersprüche (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 425) zwischen den zur Fundierung der kritisierten Urteilsannahmen herangezogenen Zeugenaussagen zeigt die Nichtigkeitsbeschwerde nicht auf.

Der Einwand von Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) verfehlt den gesetzlichen Bezugspunkt, weil ein derartiger Begründungsmangel nur bei unrichtiger oder sinnentstellter Wiedergabe konkret bezeichneter Beweisergebnisse vorliegt, nicht aber bei - hier zudem gar nicht getroffenen - Tatsachenfeststellungen, die von einzelnen Beweisen abweichen (RIS-Justiz RS0099524).

„Undeutlichkeit“ (Z 5 erster Fall) wird schließlich ohne jedes argumentative Substrat behauptet.

Soweit die Rüge das Vorbringen „hilfsweise“ auch unter dem Aspekt der Z 5a verstanden wissen will, zeigt sie keine sich aus den Akten ergebenden Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen auf.

Der vom Erstgericht in Bezug auf die subjektive Tatseite vorgenommene (US 5) Schluss von einem gezeigtem Verhalten (hier: einem wuchtigen Schlag mit einem Bierglas gegen die sensible Kopfregion des Opfers) auf ein zugrunde liegendes Wollen (hier: eine auf die Zufügung einer schweren Körperverletzung gerichtete Absicht des Beschwerdeführers) widerspricht weder den Gesetzen folgerichtigen Denkens noch grundlegenden Erfahrungssätzen (Z 5 vierter Fall) und ist bei (wie hier) leugnenden Angeklagten (Betroffenen) in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0098671; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).

Die Rechtsrüge („Z 9“) sowie die - eine rechtliche Beurteilung des Täterverhaltens als (den Kriterien einer Anlasstat nicht entsprechendes) Vergehen der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB anstrebende - Subsumtionsrüge (Z 10) erschöpfen sich darin, die Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite auf Basis spekulativer Erwägungen zur (hier gerade nicht realisierten) Bruchsicherheit von Weißbiergläsern in Zweifel zu ziehen und verfehlt solcherart den in der Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581 ff).

Der in diesem Zusammenhang nach Art einer Aufklärungsrüge (Z 5a) geäußerten Kritik an unterbliebener amtswegiger Einholung eines Sachverständigengutachtens fehlt es am erforderlichen Hinweis, wodurch der Beschwerdeführer an sachgerechter Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen sei (RIS-Justiz RS0115823).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

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