OGH 3Ob122/13g

OGH3Ob122/13g29.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Musger und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Univ.‑Prof. DDr. A*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar Dr. Norbert Marschall Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei Dr. G*****, vertreten durch MMag. Gabriele Marth, Rechtsanwältin in Wien, wegen Herausgabe, infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. August 2012, GZ 48 R 150/12g‑26, womit infolge Rekurses der gefährdeten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 12. Jänner 2012, GZ 3 C 37/11h‑5, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0030OB00122.13G.1029.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei wird dahin Folge gegeben, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die gefährdete Partei ist schuldig, ihrer Gegnerin die mit 373,68 EUR (darin 62,28 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung und die mit 1.095,98 EUR (darin 74,66 EUR Umsatzsteuer und 648 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die gefährdete Partei hat ihre Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen endgültig selbst zu tragen.

Begründung

Die gefährdete Partei wird im Folgenden als Kläger, die Gegnerin der gefährdeten Partei als Beklagte bezeichnet. Der Kläger und die Beklagte sind in aufrechter Ehe miteinander verheiratet.

Der Kläger begehrte zur Sicherung seines (eingeklagten) Anspruchs auf Herausgabe bestimmter, nach seinen Behauptungen von seinen Eltern und seiner Tante geerbten Schmuckstücke und Wertgegenstände,

1. der Beklagten zu untersagen, diese in einem von ihr angemieteten Banksafe befindlichen Fahrnisse zu veräußern, zu belasten, zu verpfänden oder sonst in einer für den Kläger nachteiligen Weise damit zu verfahren,

2. den Herausgabeanspruch der Beklagten aus deren Schrankfachvertrag mit der Bank einzuziehen und dem Kläger zwecks Ausfolgung der Fahrnisse durch die Bank zu überweisen, und

3. der Bank durch Drittverbot zu untersagen, bei der Öffnung des Safes mitzuwirken und die von der Beklagten dort deponierten antragsgegenständlichen Fahrnisse an jemand anderen als den Kläger auszufolgen.

Das Erstgericht wies diese drei Sicherungsanträge mit der Begründung ab, dass dem Kläger die Bescheinigung einer konkreten Gefährdung nicht gelungen sei. Die Mutmaßungen, was die Beklagte im Fall einer (zu erwartenden) zwangsweisen Räumung der gemeinsam gemieteten Wohnung mit dem Schmuck möglicherweise anfangen werde, stellten keine Bescheinigung einer Gefährdung dar. Dazu komme, dass die Beklagte bereits seit 1999 tatsächlich allein über den Schmuck verfügen hätte können und diesen bisher nicht veräußert habe. Dass der Kläger subjektiv die (weitere) Verbringung der Wertgegenstände befürchte, sei zwar verständlich; dies ersetze aber nicht die Bescheinigung der objektiven Gefährdung.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers teilweise Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es dem ersten Sicherungsbegehren zur Gänze stattgab und dem zweiten Sicherungsbegehren dadurch, dass es den Anspruch der Beklagten gegenüber der Bank aus dem Schrankfachvertrag auf Mitwirkung bei der Öffnung des Safes pfändete. Das Mehrbegehren zum zweiten Sicherungsantrag auf Einziehung des Mitwirkungsanspruchs der Beklagten und Überweisung des Anspruchs an den Kläger wurde ebenso abgewiesen wie der dritte Sicherungsantrag.

Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand (pauschal) mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

Gegen die einstweilige Verfügung des Rekursgerichts erhob die Beklagte Widerspruch (dieser wurde bereits abgewiesen) und einen außerordentlichen Revisionsrekurs aus den Revisionsrekursgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und (erkennbar) der Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens.

In der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung stellt der Kläger den Antrag, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist auch im Sinne einer Wiederherstellung des antragsabweisenden Beschlusses des Erstgerichts berechtigt.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs führt die Beklagte unter anderem aus, dass es an einer objektiven Gefährdung fehle. Eine konkrete Gefahr, dass sie einen (bestrittenen) Herausgabeanspruch vereitle und den Schmuck veräußern wolle, liege nicht einmal ansatzweise vor, wie ihr Verhalten seit mehr als einem Jahrzehnt zeige; sie habe auch niemals eine Veräußerung oder Belastung des Schmucks angedroht. Die Mutmaßungen des Klägers, was bei einer Räumung der Mietwohnung passieren werde, könnten den Nachweis einer konkreten Gefährdung nicht ersetzen.

Dazu wurde erwogen:

1. Wann im Einzelfall die konkrete Anspruchsgefährdung ausreichend bescheinigt ist, stellt für sich allein keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS‑Justiz RS0005103 [T1]), es sei denn, dem Rekursgericht wäre eine Fehlbeurteilung unterlaufen, die aus Gründen der Rechtssicherheit (§ 528 Abs 1 ZPO) einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte (RIS‑Justiz RS0005103 [T2]). Eine Fehlbeurteilung dieser Art liegt vor, weil das Rekursgericht die Anspruchsgefährdung letztlich auf abstrakte Mutmaßungen gestützt hat.

2. Die Gefährdung des Anspruchs im Sinne des § 381 Z 1 oder Z 2 EO ist durch Glaubhaftmachung konkreter Tatsachen darzutun (RIS‑Justiz RS0011600 [T1]). Demnach kann nicht schon jede abstrakte oder theoretische Möglichkeit einer im § 381 EO erwähnten Vereitelung, erheblichen Erschwerung, Gewaltanwendung oder Herbeiführung eines unwiederbringlichen Schadens eine Anspruchsgefährdung begründen (RIS‑Justiz RS0005175 [T2]). Die abstrakt immer gegebene Möglichkeit einer Gesetzesverletzung reicht zur Gefahrenbescheinigung nicht aus (RIS‑Justiz RS0005175 [T3]). Auch die bloße Bestreitung des behaupteten Anspruchs rechtfertigt noch nicht die Annahme, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Anspruchs gefährdet werden könnte. Es müssten zu dieser Bestreitung noch irgendwelche Umstände hinzukommen, die eine solche Besorgnis begründet erscheinen lassen (RIS‑Justiz RS0005369 [T13]), wobei wiederum abstrakt gehaltene Befürchtungen nicht ausreichen (RIS‑Justiz RS0005369 [T9]).

3. Die Beklagte zeigt in ihrem Revisionsrekurs zutreffend auf, dass die Tatsache, dass sie dem Kläger unverändert seit Jahren den Zugriff auf seine Fahrnisse verwehrt, für sich allein keine konkrete Gefährdung begründen kann, wie das Rekursgericht angenommen hat. Auch aus dem Umstand, dass nunmehr die Räumung der Ehewohnung bevorstehen dürfte, kann eine konkrete Gefährdung des Herausgabeanspruchs des Klägers nicht abgeleitet werden. Eine konkrete Gefahrensituation wird vom Kläger nicht aufgezeigt.

4. Die den Antrag abweisende Entscheidung des Erstgerichts ist wiederherzustellen, ohne dass es eines Eingehens auf die weiteren Argumente im Revisionsrekurs bedürfte.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 41, 50 und 52 Abs 1 ZPO.

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