OGH 3Ob173/13g

OGH3Ob173/13g8.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj S***** P*****, vertreten durch den Vater T***** P*****, vertreten durch Brandstätter Ofenböck Rechtsanwaltspartnerschaft in Bad Hofgastein, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter A***** F*****, bzw *****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 19. Juni 2013, GZ 21 R 56/13a-22, womit über Rekurs des Minderjährigen der Beschluss des Bezirksgerichts Zell am See vom 17. Jänner 2013, GZ 41 PU 29/12a-13, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Das Erstgericht stellte die von der Mutter dem Minderjährigen monatlich zu leistenden Unterhaltsbeträge für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 2012 mit 180 EUR und ab 1. Oktober 2012 mit 207 EUR fest. Das darüber hinausgehende Begehren auf Leistung monatlicher Unterhaltsbeiträge von 400 EUR wies es hingegen ab.

Das Rekursgericht änderte über Rekurs des Minderjährigen die Unterhaltspflicht der Mutter dahin ab, dass es sie verpflichtete ab 1. Juli 2012 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 250 EUR zu leisten. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei.

Die Rekursentscheidung wurde der Mutter in zweifacher Weise zuzustellen versucht: Einerseits ordnete das Erstgericht die Zustellung an die inländische Anschrift der Mutter (Anschrift ihrer Eltern) ohne Rückschein an, andererseits mit internationalem Rückschein an der von der Mutter angegebenen Anschrift in Großbritannien, an der sie sich nunmehr aufhalte. Diese Zustellung scheiterte allerdings, weil die Adresse der Mutter auf dem Rückschein unvollständig und falsch angegebenen wurde, sodass die englische Post das Schriftstück mit dem Vermerk retournierte, die Adresse sei unvollständig bzw unbekannt.

Am 19. Juli 2013 übersandte die Mutter dem Erstgericht ein E-Mail, in dem sie mitteilte, dass das „letzte Schreiben“ (gemeint offensichtlich die Rekursentscheidung) am 3. Juli 2013 in Österreich eingelangt sei, und ersuchte alle gerichtlichen Schreiben an ihre englische Adresse zu übersenden. Gleichzeitig übersandte sie per Mail ein als außerordentliches Rechtsmittel bezeichnetes Schreiben, in dem sie sich gegen die Abänderung der erstgerichtlichen Unterhaltsfestsetzung durch das Rekursgericht wandte und die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses anstrebte.

Daraufhin teilte das Erstgericht der Mutter mit, ihr „außerordentliches Rechtsmittel“ sei nicht zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung geeignet. E-Mails seien zur Fristwahrung nur zulässig, wenn binnen einiger Tage das Original bei Gericht einlange. Es fehle auch die Unterschrift, das Original sei daher auch diesbezüglich vor Überreichung bei Gericht zu verbessern. Darüber hinaus wies es die Mutter auf die für Revisionsrekurse geltende Anwaltspflicht hin, weiters auf die 14-tägige Rechtsmittelfrist ab Zustellung der Rekursentscheidung. Weiters enthält das E-Mail die Anfrage, seit wann sich die Mutter in England aufhalte und wann sie die Rechtsmittelentscheidung tatsächlich erhalten habe.

Eine Antwort auf diesen „Verbesserungsauftrag“ und die darin enthaltenen Fragen erhielt das Erstgericht nicht.

Dennoch legte es den Akt mit dem außerordentlichen Revisionsrekurs dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

Weder die Zulässigkeit noch die Rechtzeitigkeit des offenbar als Rechtsmittel gemeinten Schriftsatzes der Mutter lässt sich derzeit beurteilen.

Zunächst ist festzuhalten, dass aus dem Akt nicht ersichtlich ist, ob und allenfalls wann eine wirksame Zustellung der Rekursentscheidung an die Mutter stattgefunden hat. Die mit internationalem Rückschein versuchte Zustellung in Großbritannien scheiterte (unvollständige und falsche Adressenangabe). Die Zustellung ohne Rückschein an der inländischen Anschrift (Wohnsitz der Eltern der Mutter, auch ihrer selbst?) ist aus dem Akt nur insofern ersichtlich, als die Mutter selbst angab, dass die Rekursentscheidung am 3. Juli 2013 „in Österreich eingelangt sei“.

Da die Zustellung in Österreich nicht mit Rückschein erfolgte und keine Hinterlegung stattfand, ist zunächst zu klären, wann das zuzustellende Schriftstück der Zustellempfängerin tatsächlich zugekommen ist. Dieser Zeitpunkt wäre für die Berechnung der Rechtsmittelfrist maßgeblich. Sollte er nicht geklärt werden können, ist im Hinblick darauf, dass offenbar vom tatsächlichen Zukommen der Rekursentscheidung auszugehen ist (inhaltliche Auseinandersetzung mit der Rekursentscheidung und keine gegenteilige Angabe der Mutter), von der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels auszugehen.

Sollte sich hingegen herausstellen, dass die Rekursentscheidung der Mutter tatsächlich bereits am 3. Juli - oder allenfalls vor dem 5. Juli 2013 zugekommen ist, erwiese sich das Rechtsmittel als verspätet und wäre schon vom Erstgericht zurückzuweisen (§ 67 AußStrG).

Erweist sich das Rechtsmittel der Mutter hingegen als rechtzeitig, wäre der Mutter die Behebung der - vom Erstgericht bereits wahrgenommenen - Formgebrechen mittels Beschlusses und unter Fristsetzung aufzutragen, wobei für eine nachweisliche Zustellung zu sorgen ist, um im Falle der unterlassenen rechtzeitigen Verbesserung die gemäß § 67 AußStrG vom Erstgericht zu ziehenden Konsequenzen zu ermöglichen (Zurückweisung wegen Unzulässigkeit).

Weiters ist darauf hinzuweisen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands an Geld oder Geldeswert, über den das Rekursgericht entschieden hat, 30.000 EUR nicht übersteigt, zumal der 36-fache in zweiter Instanz strittige monatliche Unterhaltsbeitrag (193 EUR) unter 30.000 EUR liegt (6.948 EUR). Nach § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs - außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt (RIS-Justiz RS0125732) und das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs nicht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG für zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen - binnen 14 Tagen nach der Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts - beim Erstgericht einzubringenden Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung). Eine solche Zulassungsvorstellung, die mit der Ausführung eines ordentlichen Revisionsrekurses zu verbinden ist, muss hinreichend erkennen lassen, warum der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erachtet wird. Der erstgerichtliche Verbesserungsauftrag - im Falle der Rechtzeitigkeit des ursprünglichen Rechtsmittels - wäre daher auch noch um eine Belehrung in diesem Sinn zu ergänzen.

Stichworte