OGH 3Ob172/13k

OGH3Ob172/13k8.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek, und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** L*****, vertreten durch Dr. Franz Grauf und Dr. Bojan Vigele, Rechtsanwälte in Völkermarkt, gegen die beklagte Partei R***** T*****, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung und Einwilligung in die Einverleibung (Streitwert 5.800 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 14. Juni 2013, GZ 1 R 311/12y‑50, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Bleiburg vom 11. September 2012, GZ C 18/11 z‑46, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0030OB00172.13K.1008.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 93,19 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Der Beklagte ist Eigentümer einer aus mehreren Grundstücken bestehenden Liegenschaft, von der er 2008 dem Rechtsvorgänger des Klägers ein neugebildetes Grundstück verkaufte. Dieses Grundstück, auf dem ein Haus samt Nebengebäuden errichtet ist, wird vom öffentlichen Weg über einen in der Natur als Asphaltstraße ausgebildeten Zufahrtsweg erreicht, der teilweise über ein anderes Grundstück führt, das zur Liegenschaft des Beklagten gehört und nicht mitverkauft wurde.

Anlässlich der zum Verkauf führenden Gespräche trafen der Beklagte und der Rechtsvorgänger des Klägers keine Vereinbarung über die Zufahrt, sie sprachen nicht einmal darüber, auch nicht über die in der Natur faktisch gegebene Zufahrtsmöglichkeit, die sie sahen. Der Beklagte zeigte dem Käufer nur die Eigentumsgrenzen. Der Kaufvertrag vom 17. Juni 2008 enthielt keine Regelung über die Zufahrt. Der Käufer zog in das Haus ein und benutzte in der Folge den Zufahrtsweg, ohne dass der Beklagte, der auf der ihm verbleibenden Liegenschaft ebenfalls ein Haus hat, das er unter Nutzung desselben Zufahrtswegs erreicht, dagegen Einwände erhoben hätte.

Mit Kaufvertrag vom 8. April 2010 kaufte der Kläger vom Vertragspartner des Beklagten die Liegenschaft „mit allen Rechten und Pflichten, mit denen der Verkäufer das Kaufobjekt bisher benützt und besessen hat“. Bei der ersten Besichtigung, bei der auch der Beklagte anwesend war, hatte sein Rechtsvorgänger dem Kläger die Grenzen und die Zufahrt ‑ ohne über letztere zu sprechen ‑ gezeigt. Zunächst benutzte auch der Kläger die Zufahrt ungehindert, erst im Herbst 2010 entbrannte zwischen den Streitteilen ein Streit über die Zufahrt.

Die Vorinstanzen gaben der auf Feststellung und grundbücherliche Einräumung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über das im Eigentum des Beklagten verbliebenen Trennstück zugunsten des Klägers als Eigentümer der von ihm erworbenen Liegenschaft gerichteten Klage statt. Mit der dann erfolgten Übereignung des neu gebildeten Trennstücks aus der Liegenschaft des Beklagten an den Rechtsvorgänger des Klägers und durch die unter einem erfolgte Abschreibung und Zuschreibung des Trennstücks mit der Weganlage, die offenkundig der Zufahrt zum ersten Trennstück diente, sei im Zweifel das Geh‑ und Fahrtrecht entstanden. Den Beweis, dass von der auch hier anzuwendenden grundsätzlichen Auslegungsregel im Sinn der durch die Teilung entstehenden Dienstbarkeit ausdrücklich oder schlüssig abgegangen worden sei, habe der Beklagte nicht erbracht. Er habe mit dem ersten Käufer bei der Übereignung über die Zufahrt keine Vereinbarung getroffen und über die faktisch gegebene Zufahrtsmöglichkeit nicht gesprochen. Er habe dem ersten Käufer auch nicht ‑ wie von ihm behauptet ‑ den Kauf des Trennstücks mit dem Weg angeboten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten, mit der er weiterhin die Abweisung der Servitutsklage anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass der Erwerber der herrschenden Liegenschaft die Einverleibung einer Dienstbarkeit begehren kann, wenn der Eigentümer zweier Liegenschaften die herrschende und die dienende an verschiedene Personen überträgt und der tatsächliche Zustand im Zeitpunkt der Übertragung durch offenkundige oder doch ersichtliche Anlagen erkennbar war (RIS‑Justiz RS0011547). Dies gilt auch dann, wenn der Eigentümer nur eines der beiden Grundstücke veräußert und das andere behält (RIS‑Justiz RS0011547 [T1 und T5]). Die Offenkundigkeit einer Grunddienstbarkeit durchbricht den Eintragungsgrundsatz (RIS‑Justiz RS0111211).

Ob die zunächst demselben Eigentümer gehörenden Liegenschaften als solche schon früher oder erst im Zuge des Abverkaufs einer Liegenschaft geschaffen wurden, ändert nichts daran, dass mit dem Auseinanderfallen der Eigentümerstellung betreffend das herrschende und das dienende Grundstück im Fall der offenkundigen Dienstbarkeit der von der Rechtsprechung anerkannte Einverleibungsanspruch des neuen Erwerbers des herrschenden Grundstücks entsteht.

Es bildet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Berufungsgericht aufgrund der tatsächlichen Umstände dieses Falls (in der Natur vorhandener asphaltierter Zufahrtsweg und keine Gespräche über die Zufahrt oder über einen allfälligen Erwerb des für die Zufahrt benutzten Grundstücks) weder eine ausdrückliche noch eine stillschweigende Vereinbarung annahm, welche der Entstehung der offenkundigen Dienstbarkeit entgegengestanden wäre. Ebenso vertretbar ist die Verneinung eines vom Beklagten ins Treffen geführten Verzichts des Grundstückserwerbers, der es offenbar (naheliegenderweise) als selbstverständlich annahm, über den einzigen ausgebaut vorhandenen Zufahrtsweg zu dem von ihm erworbenen Haus auch gehen und fahren zu dürfen.

Die Argumentation des Beklagten mit dem dem Rechtsvorgänger des Klägers bekannten Teilungsplan geht ins Leere, weil im Hinblick auf die offenkundig bestehende Zufahrtsmöglichkeit die Eigentumsverhältnisse zum Zufahrtsweg außerhalb des erworbenen Grundstücks (zunächst öffentliches Gut und dann Eigentum des Verkäufers) für die rechtlich gesicherte Möglichkeit des Zugangs und der Zufahrt nicht essentiell sind.

Ist Offenkundigkeit des dienenden Zwecks zu bejahen, kommt es unabhängig vom gewählten Begründungsansatz (Begründung der „ruhenden“ Servitut oder vertraglich durch Stillschweigen begründete Servitut) auf die ‑ fahrlässige ‑ Unkenntnis der Erwerber nicht an (5 Ob 273/07v). Die Überlegungen des Revisionswerbers zur behaupteten Sorglosigkeit des Klägers bzw seines Rechtsvorgängers können daher auf sich beruhen.

Da der Kläger auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hinwies, hat ihm der Beklagte die Kosten der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Revisionsbeantwortung zu ersetzen (§§ 41 und 50 ZPO).

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