Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Susanne M***** - abweichend von der wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall, 148 zweiter Fall StGB erhobenen Anklage - mehrerer Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB schuldig erkannt.
Danach hat sie in zumindest zehn Angriffen zwischen März 2009 und Juni 2011 in Wiener Neustadt falsche Urkunden, nämlich eigenmächtig ausgefüllte Blankorezeptformulare Dris. Wolfgang J***** im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich der ordnungsgemäßen Ausstellung und Bezugsberechtigung zur Vorlage bei Apotheken, benutzt.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a, lit b und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, der - wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt - Berechtigung zukommt:
Nach den wesentlichen Urteilskonstatierungen (US 2 ff) war es der Angeklagten als Ordinationsgehilfin des Arztes Dr. Wolfgang J***** erlaubt, in der Arztpraxis aufliegende, bereits unterfertigte Blankorezepte in Dauermedikation auszufüllen und Patienten ohne weitere Rücksprache mit Dr. J***** auszufolgen. Auch für sich selbst durfte die Angeklagte Medikamente beziehen, sofern sie auf einer Dauermedikationsliste von Dr. J***** freigegeben waren und die Rezeptausstellung im ordinationseigenen Computersystem korrekt erfasst wurde. Im Zeitraum zwischen März 2009 bis Juni 2011 erstellte die Angeklagte wiederholt ohne Rücksprache und ohne korrekte Erfassung „eigenmächtig“ Rezepte für diverse, von ihr regelmäßig eingenommene Medikamente (US 4 f), die ihr aufgrund ihrer Diagnosen auch ohne weiteres von anderen Hausärzten verschrieben worden wären. Nach Rezeptausdruck löschte die Angeklagte den Systemeintrag im ordinationsinternen Computersystem oder datierte den Eintrag auf einen früheren Zeitpunkt zurück, wodurch Dr. J***** die Möglichkeit einer nachträglichen Kontrolle bzw Autorisierung genommen wurde. Die Angeklagte löste diese von ihr selbst ausgefüllten Rezepte bei Apotheken ein. Sie hielt es dabei ernstlich für möglich und fand sich damit ab, durch Verwendung eigenmächtig ausgefüllter Blankorezeptformulare falsche Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich der ordnungsgemäßen Ausstellung und ihrer Bezugsberechtigung, zu gebrauchen.
Die gegen die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhalts als Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) zeigt zutreffend auf, dass der angefochtenen Entscheidung keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Annahme der (vorsätzlichen) Herstellung und des (vorsätzlichen) Einsatzes einer „falschen“ (dh unechten) Urkunde zu entnehmen ist, welche im hier in Betracht kommenden Fall des Missbrauchs einer Ausfüllungsermächtigung (Kienapfel/Schroll in WK2 § 223 Rz 195) nur gegeben ist, wenn derjenige, der ermächtigt ist, eine fremde - vom Aussteller blanko unterschriebene - Urkunde durch Ausfüllung zu vervollständigen, ihr einen von der Vereinbarung im Innenverhältnis abweichenden Inhalt gibt (RIS-Justiz RS0094445 und RS0095552 [T4]; SSt 61/144; Kienapfel/Schroll in WK2 § 223 Rz 195).
In den Entscheidungsgründen ist insofern aber nur davon die Rede, dass die Angeklagte „eigenmächtig“ (US 4, 5 und 12) ausgefüllte Blankorezeptformulare für diverse Medikamente herstellte und deren korrekte Erfassung im ordinationseigenen Computersystem hintertrieb (US 4 f und 11), was - ohne nähere Feststellungen zum konkreten Inhalt der im Innenverhältnis getroffenen Vereinbarung - die Annahme, die Genannte habe den Blankorezepten jeweils einen vom Willen Dris. J***** abweichenden Inhalt gegeben, nicht trägt. Dass die Angeklagte - trotz grundsätzlicher Erlaubnis, Dauermedikation für sich selbst zu beziehen (US 3) - in den vorliegenden Fällen nicht autorisiert war, die jeweiligen Rezepte ohne Rücksprache mit Dr. J***** für sich auszustellen, und demnach den von ihr selbst ausgefüllten Rezepten (vorsätzlich) einen dem Willen des ausstellenden Arztes widersprechenden Inhalt gab, lässt sich der Urteilsbegründung, die insofern nur auf die erfolgte Vereitelung nachträglicher Kontrollmechanismen abstellt, nämlich nicht entnehmen.
Das aufgezeigte Fehlen von Feststellungen erfordert die Kassation des Schuldspruchs, demzufolge auch des Strafausspruchs und macht die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung (§ 285e StPO) unumgänglich, weshalb sich ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdeargumente erübrigt.
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