OGH 1Ob132/13p

OGH1Ob132/13p29.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

 Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ÖBB‑Infrastruktur Aktiengesellschaft, Wien 2, Praterstern 3, vertreten durch Lansky, Ganzger + partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokurator in Wien, und 2. Land Tirol, Innsbruck, Eduard Wallnöfer Platz 3, vertreten durch Dr. Paul Bauer und Dr. Anton Triendl, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 13.929.508,75 EUR sA, Rechnunglegung (Streitwert 25.000 EUR), und Feststellung (Streitwert 24.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. Mai 2013, GZ 15 R 92/13d‑46, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20. Februar 2013, GZ 28 Cg 95/08h‑36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0010OB00132.13P.0829.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin nahm die beiden Beklagten als (vermeintliche) Solidarschuldner in Anspruch und begehrte zur ungeteilten Hand die Zahlung von fast 14 Mio EUR, Rechnungslegung und die Feststellung der Ersatzpflicht für bestimmte Schäden an ihren Einrichtungen; weiters erhob sie zwei Eventualbegehren. Sie stützte ihre Ansprüche im Wesentlichen darauf, dass sie durch ein Hochwasser im August 2005 massive Schäden an der Eisenbahninfrastruktur erlitten habe. Gemäß den Bestimmungen des KatFG 1996 und des Hochwasseropferentschädigungs‑ und Wiederaufbau‑Gesetzes (HWG) 2005 seien öffentliche finanzielle Mittel zur Deckung außerordentlicher Ereignisse und zur Beseitigung außergewöhnlicher Schäden im Vermögen physischer und juristischer Personen mit Ausnahme von Gebietskörperschaften heranzuziehen. Auf dieser Basis hätten zahlreiche Geschädigte Anträge auf finanzielle Hilfeleistungen gestellt und von der Zweitbeklagten auch bekommen, nicht jedoch die Klägerin. Die Beklagten hätten vielmehr die Gewährung von Beihilfen mit der Begründung verweigert, sie seien nicht bereit, ausgegliederten Unternehmen des Bundes eine Beihilfe nach dem KatFG 1996 zu gewähren. Da die öffentliche Hand bei der Gewährung von Beihilfen im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung an den Gleichheitssatz gebunden sei, sei die Weigerung rechtswidrig gewesen. Die Klägerin mache ihre Ansprüche daher gerichtlich geltend. Die Passivlegitimation der Beklagen ergebe sich aus der gemeinsamen Zuständigkeit zur Beihilfengewährung im Zusammenhang mit Katastrophenschäden und den damit verbundenen Prüf‑ bzw Schadensfeststellungsverfahren. Sie hätten diese Beihilfen in willkürlicher und diskriminierender, sohin in rechtswidriger Weise nach Absprache verweigert. Die Solidarhaftung ergebe sich auch aus dem Umstand, dass die beiden Beklagten bei der Vergabe von Beihilfen gemäß dem KatFG 1996 zusammenwirkten und dabei gemeinsame Interessen verfolgten; die Erstbeklagte treffe insbesondere eine Kontroll‑ und Aufsichtspflicht bei der Vergabe der Beihilfen. Die passive Klagelegitimation der Erstbeklagten könne sich auf mehrere Grundlagen stützen. Sie ergebe sich zunächst aus § 2 HWG 2005, wonach ein Rechtsanspruch gegenüber dem Bund bestehe. Der Katastrophenschutz als Staatsaufgabe sei kompetenzrechtlich als Querschnittsmaterie anzusehen, weshalb sich die Erstbeklagte nicht aus ihrer durch das KatFG 1996 und HWG 2005 übernommenen Verpflichtung stehlen könne. Die Erstbeklagte hafte außerdem wegen der Zurverfügungstellung von Beihilfenmitteln und aufgrund eines Verwendungsanspruchs der Klägerin. Weiters ergebe sie sich aufgrund der Zuständigkeit des Bundes zur Beihilfengewährung, der Zusage der Beihilfengewährung, gemäß § 4 KatFG 1996, wegen der Verletzung der Aufsichts‑ und Weisungspflicht, wegen der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und aus einem Verstoß gegen das UWG. In rechtlicher Sicht stütze sich die Klägerin auf Schadenersatz wegen Solidarhaftung, auf Erfüllung eines Förderungsvertrags, auf Erfüllung einer Auslobung, auf einen Anspruch wegen Kontrahierungszwangs, auf Schadenersatz wegen absichtlich sittenwidriger Schädigung, auf Vertrag zugunsten Dritter, auf einen Bereicherungsanspruch, auf einen Anspruch wegen Verstoßes gegen Art 87 EGV, auf einen Verstoß gegen das UWG, und eventualiter auf Schadenersatz wegen Eingriffs in ein fremdes Forderungsrecht. Wegen des Bestehens einer materiellen Streitgenossenschaft nach § 11 Z 1 ZPO sei die Zuständigkeit des Erstgerichts im Sinn des § 93 JN auch für die Zweitbeklagte gegeben.

Die Zweitbeklagte erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit, weil keine materielle Streitgenossenschaft, sondern eine bloß formelle Streitgenossenschaft im Sinn des § 11 Z 2 ZPO vorliege. Da die Erstbeklagte nicht passiv legitimiert sei, könne auch die behauptete Solidarhaftung nicht bestehen. Da sich die mangelnde Berechtigung der gegenüber der Erstbeklagten behaupteten Ansprüche anhand der Klageangaben schon aus rein rechtlichen Gründen ergebe, könne sich die Klägerin auf den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach § 93 JN nicht berufen.

Das Erstgericht wies einerseits die gegen die Erstbeklagte erhobene Klage ohne Beweisaufnahme ab, weil sich auch unter Zugrundelegung der Klagebehauptungen ein Anspruch gegen diese nicht begründen ließe; dieses Urteil erwuchs unbekämpft in Rechtskraft. Zugleich wies das Erstgericht die gegen die Zweitbeklagte erhobene Klage zurück. Die behauptete Zuständigkeit sei allein aufgrund der Klagebehauptungen zu prüfen, auch wenn die die Zuständigkeit begründenden Tatsachen zugleich Anspruchsvoraussetzungen (doppelrelevante Tatsachen) seien. Begründeten schon die Klagsangaben die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht, sei die Klage zurückzuweisen. Da mangels Leistungspflicht der Erstbeklagten eine Solidarverpflichtung nicht vorliege, könne auch die behauptete Solidarverpflichtung nicht bestehen, womit der Tatbestand des § 93 JN nicht erfüllt sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Im Fall von sogenannten doppelrelevanten Tatsachen trete das Problem auf, dass das Gericht die Zuständigkeitsfrage nur lösen kann, wenn es gleichzeitig die Hauptfrage beantwortet. Die jüngere Rechtsprechung verlange lediglich, dass das Vorbringen des Klägers hinsichtlich des Sachzusammenhangs schlüssig ist, und verlagere die Frage, ob tatsächlich der geforderte materielle Zusammenhang vorliegt, in das eigentliche Hauptverfahren, um nicht die Zuständigkeitsprüfung mit einer weitgehenden Sachprüfung zu belasten. Ob diese „doppelrelevanten Tatsachen“ zutreffen, sei nicht im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung des angerufenen Gerichts zu entscheiden, sondern bleibe der Sachentscheidung vorbehalten. Für die Frage der Zuständigkeit sei eine Überprüfung doppelrelevanter Tatsachen somit ausgeschlossen. Hier habe das Erstgericht aber allein aufgrund des Klagevorbringens das Begehren der Klägerin gegenüber der Erstbeklagten schon aus ‑ von der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen ‑ rechtlichen Erwägungen als nicht bestehend und im Ergebnis damit das Klagevorbringen als unschlüssig erachtet. Diese Beurteilung habe keine Tatsachenerhebungen und ‑feststellungen erfordert. Dass das Erstgericht gleichzeitig mit dem angefochtenen Beschluss das Klagebegehren gegenüber der Erstbeklagten mit Urteil abgewiesen habe, ändere daran nichts. Die Frage der Zuständigkeit wäre nicht anders zu beurteilen gewesen, hätte das Erstgericht zunächst allein den nun angefochtenen Unzuständigkeitsbeschluss gefasst und diesen auf dieselben, die Unschlüssigkeit des Klagebegehrens gegen die Erstbeklagte begründenden, rechtlichen Erwägungen gestützt. Dem Erstgericht sei darin zuzustimmen, dass eine Solidarverpflichtung der Zweitbeklagten dort nicht bestehen könne, wo schon eine Verpflichtung der Erstbeklagten nicht schlüssig behauptet werde.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs erweist sich als nicht zulässig, weil die Auffassung des Rekursgerichts ‑ entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin ‑ der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entspricht.

Zu Unrecht nimmt die Revisionsrekurswerberin an, die Entscheidung hinge zentral von der Rechtsfrage ab, ob es zulässig sei, im Falle von „doppelrelevanten Tatsachen“ eine Klagezurückweisung wegen Unzuständigkeit darauf zu stützten, dass „nach Durchführung des Hauptverfahrens“ das Fehlen der doppelrelevanten Tatsache hervorgekommen ist. Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist allein die Frage der Zuständigkeit des Erstgerichts für die Zweitbeklagte. Insoweit kann keine Rede davon sein, dass bereits das „Hauptverfahren“, womit vernünftigerweise nur das Verfahren über die gegenüber der Zweitbeklagten erhobenen materiellen Ansprüche gemeint sein kann, durchgeführt worden wäre. Vielmehr hat sich das Erstgericht im Hinblick auf die zweitbeklagte Partei ausschließlich mit der Zuständigkeitsfrage befasst. Dass auch in Ansehung der zweitbeklagten Partei bereits ausreichende Entscheidungsgrundlagen für eine meritorische Entscheidung vorlägen, behauptet die Revisionsrekurswerberin nicht.

Auch die Annahme, die Vorinstanzen seien davon ausgegangen, dass „nunmehr die Zuständigkeit für den anderen Streitgenossen weggefallen“ sei, nachdem das Erstgericht die gegen die Erstbeklagte erhobenen Ansprüche aus rein rechtlichen Gründen „materiell‑inhaltlich“ abgewiesen hat, ist unrichtig. Zutreffend hat schon das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass sich die Zuständigkeitsfrage nicht anders stellen kann, wenn eine urteilsmäßige (klageabweisende) Entscheidung im Verhältnis zur Erstbeklagten unterblieben wäre und sich das Erstgericht auf eine Zurückweisung der Klage gegen die Zweitbeklagte beschränkt hätte, wobei es ebenso zu prüfen gehabt hätte, ob sich aus dem Klagevorbringen die behauptete Solidarverpflichtung bei der Beklagten ableiten lässt. Ist die klagende Partei der Auffassung, die Zurückweisung der Klage gegen einen Streitgenossen mit der Begründung, der „zuständigkeitsbegründende“ andere Streitgenosse könne mangels jeglicher Haftung kein Solidarverpflichteter sein, kann sie dies zweifellos mit Rekurs bekämpfen, in dem darzulegen wäre, warum entgegen der Auffassung der Vorinstanz die Klagebehauptungen doch insoweit schlüssig sind, als sich aus ihnen sehr wohl ein Anspruch gegen die eine Partei begründen lässt. Im vorliegenden Fall wird aber die Berechtigung des ursprünglichen Klagebegehrens gegen die Erstbeklagte gar nicht mehr behauptet.

Die Revisionswerberin geht bei ihren Rechtsausführungen sogar vom Nichtbestehen der gegen die Erstbeklagte erhobenen Ansprüche aus und versucht lediglich zu argumentieren, aus welchem Grund dennoch gegenüber der Zweitbeklagten der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach § 93 Abs 1 JN gegeben wäre. Es geht also, wie schon gesagt, nicht um die Frage, ob die Zuständigkeit für die Zweitbeklagte (nachträglich) weggefallen ist, sondern ob sie überhaupt jemals bestanden hat. Da die Klägerin ‑ wie sie ja selbst nicht mehr in Zweifel zieht ‑ von vornherein keine Tatsachen behauptet hat, die geeignet wären, einen materiellen Anspruch gegen die Erstbeklagte zu begründen, geht es auch nicht um das Problem der Zuständigkeitsprüfung bei sogenannten doppelrelevanten Tatsachen, also solchen, die gleichzeitig sowohl für die Zuständigkeit als auch für die inhaltliche Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs von Bedeutung sind, sondern um die Frage, ob der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach § 93 Abs 1 JN auch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn die klagende Partei sich zwar im Rahmen ihrer Rechtsansicht auf eine Solidarhaftung beider Parteien beruft, tatsächlich aber hinsichtlich jener Partei, an deren allgemeinen Gerichtsstand die Klage eingebracht wurde, lediglich Tatsachen vorträgt, die allenfalls als „doppelirrelevant“ angesehen werden können, weil sie auch bei Annahme ihres Vorliegens den geltend gemachten Anspruch nicht rechtfertigen und damit auch für den weiteren Streitgenossen, der seinen allgemeinen Gerichtsstand vor einem anderen Gericht hat, nicht zuständigkeitsbegründend wirken können. Die im Revisionsrekurs (zutreffend) dargelegte Rechtsprechung zur Behandlung doppelrelevanter Tatsachen bei der Zuständigkeitsprüfung (vgl dazu nur RIS‑Justiz RS0056159, RS0116404), die von den „Klagebehauptungen“ bzw den „schlüssigen Klagebehauptungen“ ausgeht, hat nahezu ausnahmslos Fälle im Auge, in denen der Kläger zwar Tatsachen vorgetragen hat, die sowohl für die Sach‑ als auch die Zuständigkeitsentscheidung von Bedeutung sind, die aber vom Prozessgegner bestritten wurden. Dass in solchen Fällen die Sachentscheidung den Vorrang haben soll, wenn erst nach Durchführung eines Beweisverfahrens das Vorliegen dieser Tatsachen abschließend beurteilt werden kann, hat vernünftige prozessökonomische Erwägungen für sich (s etwa Mayr/Czernich , Europäisches Zivilprozessrecht Rz 164, mit Judikaturnachweisen). Diese passen allerdings nicht ohne weiteres auf die Fälle der behaupteten Streitgenossenschaft wegen einer vermeintlichen Solidarverpflichtung, wenn die Haftung der Streitgenossen ‑ wie hier ‑ auf unterschiedliche rechtliche Erwägungen gestützt wird. Dann liegt eben häufig ‑ wie gerade der vorliegende Fall zeigt ‑ keineswegs die Situation vor, dass auch schon gegenüber jener Partei, die die Zuständigkeit bestreitet, eine abschließende Sachentscheidung möglich wäre, die den Vorrang vor einer Zurückweisungsentscheidung haben soll. Vielmehr führt die allein aufgrund der Klageangaben gewonnene Erkenntnis, dass der behauptete Klageanspruch gegenüber der einen Partei mit Sicherheit nicht besteht, keineswegs zwingend dazu, dass nunmehr auch über das gegen die andere Partei erhobene Begehren meritorisch abgesprochen werden könnte. Die im Revisionsrekurs angeführten Beispielsfälle, in denen es jeweils nur eine beklagte Partei gegeben hat, sind auf die hier zu beurteilende Problemstellung somit in keiner Weise übertragbar.

Nicht anzuschließen vermag sich der erkennende Senat auch den Bedenken der Revisionsrekurswerberin gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanzen zur Möglichkeit eines Überweisungsantrags ‑ und in der Folge zur Gefahr der Verjährung. Die ZPO enthält ausreichende Möglichkeiten für den Kläger, der die Klage (möglicherweise) bei einem unzuständigen Gericht erhoben hat, prozessuale und materielle Nachteile durch eine schließlich von den Gerichten erkannte Unzuständigkeit zu vermeiden.

Wendet der Beklagte ‑ wie hier ‑ das Fehlen der örtlichen Unzuständigkeit ein, kann der Kläger gemäß § 261 Abs 6 ZPO ‑ unter Aufrechterhaltung seiner ursprünglichen Zuständigkeitseinschätzung ‑ hilfsweise den Antrag stellen, die Klage an ein bestimmtes Gericht zu überweisen, falls das Gericht seine Unzuständigkeit aussprechen sollte. Von einem solchen Überweisungsantrag wird der Kläger regelmäßig nur dann Abstand nehmen, wenn er sich der Zuständigkeit ausreichend sicher ist. Wird der Überweisungsantrag gestellt, hat das Gericht seine (vom Beklagten bestrittene) Zuständigkeit eingehend zu prüfen und (nur) im Falle seiner festgestellten Unzuständigkeit gleichzeitig die Überweisung an das vom Kläger genannte andere Gericht auszusprechen, wenn es dieses nicht für offenbar unzuständig erachtet. Dass die Klägerin im vorliegenden Verfahren einen solchen Überweisungsantrag im Hinblick auf das gegen die Zweitbeklagte erhobene Begehren nicht gestellt hat, kann zweifellos nicht als Argument für eine besonders großzügige Anwendung des Gerichtsstands nach § 93 Abs 1 ZPO ins Treffen geführt werden.

Auch der Hinweis auf Fälle, in denen dem Kläger keine ausreichende Möglichkeit zur Stellung eines solchen Überweisungsantrags gegeben wurde, vermag keinen (unwiederbringlichen) Nachteil zu begründen, sieht doch § 230a ZPO ausdrücklich vor, dass der Kläger noch binnen 14 Tagen nach Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses die Überweisung der Klage an ein anderes Gericht beantragen kann, wenn die Klage zurückgewiesen wurde, ohne dass der Kläger Gelegenheit gehabt hatte, einen Überweisungsantrag nach § 261 Abs 6 ZPO zu stellen. Er kann einen solchen Überweisungsantrag auch nur eventualiter erheben und in erster Linie die Zurückweisung bekämpfen (vgl nur Rechberger/Klicka in Rechberger ³ § 230a ZPO Rz 5). Somit kann keine Rede davon sein, dass in Fällen wie dem vorliegenden der Rechtsschutz des Klägers bei der von den Vorinstanzen vorgenommenen Gesetzesauslegung unzumutbar beeinträchtigt wäre.

Für die Rechtsansicht der Revisionsrekurswerberin, zur Beurteilung der „Zuständigkeit des Streitgenossengerichtsstands“ nach § 93 JN reiche es aus, dass die Klagebehauptungen ein vollständiges Tatsachenvorbringen enthalten, „aus dem der Kläger rechtlich plausibel (das heißt nicht völlig unvertretbar)“ eine Solidarschuld der Streitgenossen ableitet, finden sich weder in der gesetzlichen Regelung noch in der dazu ergangenen Judikatur Anhaltspunkte. Auch die Berufung auf die zu 9 ObA 120/09a ergangene Entscheidung vermag die Rechtsansicht der Klägerin nicht zu stützen. Dort wird nämlich nicht ‑ wie im Revisionsrekurs behauptet ‑ davon ausgegangen, dass es darauf ankomme, dass „im Rahmen einer vertretbaren Rechtsansicht“ die Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft nach § 11 Z 1 ZPO vorgebracht werden und es nicht auf die tatsächliche Richtigkeit des Klagevorbringens ankomme. Vielmehr hat der Oberste Gerichtshof auch in dieser Entscheidung (Zurückweisung eines außerordentlichen Revisionsrekurses) nur betont, dass bei der Zuständigkeitsprüfung trotz Gegenbehauptungen des Beklagten dennoch von den Klagebehauptungen auszugehen ist, wenn diese sowohl zuständigkeitsbegründend als auch Anspruchsvoraussetzung sind (sogenannte doppelrelevante Tatsachen). Nicht der dort klagenden Partei, sondern dem Rekursgericht hat der Oberste Gerichtshof eine „vertretbare Rechtsauffassung“ im Zusammenhang mit der Beurteilung zugebilligt, dass aus dem Klagevorbringen eine Streitgenossenschaft im Sinn des § 11 Z 1 ZPO erschlossen werden könne. Damit ist er vom Grundsatz, dass die Zuständigkeit dann zu verneinen ist, wenn sie sich schon aus den Prozessbehauptungen des Klägers nicht ergibt, in keiner Weise abgerückt.

Nur der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass für die Revisionsrekurswerberin auch nichts zu gewinnen wäre, ließe man es ausreichen, wenn der Kläger „rechtlich nicht völlig unvertretbar“ von einer Solidarschuld der mehreren Beklagten ausgeht. Der Revisionsrekurs enthält nämlich nicht einmal im Ansatz einen Hinweis darauf, aufgrund welchen Erwägungen die Klägerin vernünftigerweise von einer Haftung auch der Erstbeklagten hätte ausgehen dürfen.

 

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

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