Spruch:
Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war ab 5. März 2012 bei der Beklagten mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von 40 Stunden als Hilfskraft beschäftigt. Zwischen den Parteien wurde eine Probezeit von einem Monat vereinbart, für die im Dienstvertrag vorgesehen war:
„2. Der erste Monat gilt als Probemonat, während dessen beide Teile mit sofortiger Wirkung das Dienstverhältnis ohne Angabe von Gründen lösen können.
3. Wird das Arbeitsverhältnis über diesen Zeitraum hinaus fortgesetzt, gilt es auf unbestimmte Zeit geschlossen.“
Auf das Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für ArbeiterInnen im Fleischergewerbe (idF: KV) anzuwenden.
Mit von der Klägerin am selben Tag übernommenem Schreiben vom 4. April 2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie das Dienstverhältnis durch Lösung in der Probezeit mit diesem Tag beende.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass das Dienstverhältnis über den 4. April 2012 hinaus aufrecht sei. Nach § 18 KV könne das Dienstverhältnis nur innerhalb der ersten vier Wochen jederzeit, danach nur jeweils zum Ende der Arbeitswoche unter Einhaltung der Kündigungsfristen gelöst werden. Am 4. April 2012 habe das Arbeitsverhältnis aber bereits mehr als vier Wochen bestanden. Weiters habe sie die Beklagte mit Schreiben vom 18. April 2012 über die eingetretene Schwangerschaft informiert.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wandte ein, dass der Ausspruch der Kündigung am 4. April 2012 noch innerhalb der zwischen den Parteien wirksam vereinbarten einmonatigen Probezeit erfolgt sei. § 18 Z 1 KV sei nicht anwendbar, weil er sich nur auf jene Arbeitsverhältnisse beziehe, bei denen keine Probezeit wirksam vereinbart worden sei.
Das Erstgericht folgte dem Standpunkt der Beklagten und wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Zu unterscheiden sei zwischen einem Arbeitsverhältnis auf Probe und einem Arbeitsverhältnis zur Probe. Die Besonderheit des Arbeitsverhältnisses auf Probe liege darin, dass es während der Probezeit von jedem Vertragspartner jederzeit ohne Einhaltung von Kündigungsfristen und ‑terminen aufgelöst werden könne, während ein Arbeitsverhältnis zur Probe ein gewöhnliches befristetes Arbeitsverhältnis mit der Zwecksetzung der Erprobung des Arbeitnehmers sei, bei dem nur die Lösungsmöglichkeiten befristeter Arbeitsverhältnisse zur Verfügung stünden. § 2 Z 2 lit a KV regle nach seinem klaren Wortlaut und in Übereinstimmung mit dem gesetzlichen Fachausdruck in § 1158 Abs 2 ABGB bzw § 19 AngG ein Arbeitsverhältnis auf Probe. Das Verständnis der Klägerin dahin, dass sich § 2 Z 2 lit a KV auf ein zur Probe eingegangenes Arbeitsverhältnis beziehe, würde eine sinnlose Doppelregelung solcher befristeter Arbeitsverhältnisse bedeuten. Der vermeintliche Widerspruch zwischen der Regelung in § 2 Z 2 lit a KV und der Regelung in § 18 Z 1 KV sei dahin aufzulösen, dass § 18 KV für ‑ ohne Vereinbarung eines Probemonats ‑ befristet oder auf unbestimmte Zeit eingegangene Arbeitsverhältnisse für die ersten vier Wochen eine über die sonst bestehenden Lösungsmöglichkeiten hinausgehende Beendigungsmöglichkeit vorsehe. Würde man der Auslegung folgen, dass § 18 Z 1 KV die Möglichkeit, Arbeitsverhältnisse, die unter Vereinbarung einer Probezeit von einem Monat auf Probe eingegangen wurden, während eines Monats ohne Einhaltung von Terminen und Fristen und ohne Vorliegen von Gründen zu lösen, auf die ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses einschränke, verbliebe für die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses auf Probe nach § 2 Abs 2 lit a KV kein Spielraum. Eine solche Auslegung widerspräche dem Grundsatz, dass kollektivvertragliche Normen nicht so ausgelegt werden dürfen, dass sie überflüssig und daher inhaltslos werden.
Die Revision sei zulässig, weil die Auslegungsfrage wegen der möglichen Betroffenheit eines größeren Personenkreises erhebliche Bedeutung zukomme.
In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung.
Die Beklagte beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
1. Der Kollektivvertrag für ArbeiterInnen im Fleischergewerbe lautet auszugsweise:
„ § 2 Begründung des Arbeitsverhältnisses
... 2. Das Arbeitsverhältnis kann eingegangen werden
a) auf Probe bis höchstens ein Monat
b) auf bestimmte oder durch besondere Merkmale bestimmbare Zeit (befristetes Arbeitsverhältnis),
c) auf unbestimmte Zeit.
Wird keine Vereinbarung gemäß lit. a) oder b) getroffen, so liegt ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit vor.
3. Wird das Arbeitsverhältnis über das Ende der Probezeit, über die bestimmte oder über die bestimmbare Zeit (befristetes Arbeitsverhältnis) hinaus fortgesetzt, gilt es als ein für unbestimmte Zeit eingegangenes Arbeitsverhältnis.
…
§ 18 Lösung des Arbeitsverhältnisses
1. Innerhalb der ersten vier Wochen kann das Arbeitsverhältnis jederzeit vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelöst werden.
2. Danach kann das Arbeitsverhältnis beiderseits jeweils zum Ende der Arbeitswoche unter Einhaltung nachstehender Kündigungsfristen gelöst werden:
bei einer ununterbrochenen Betriebs-zugehörigkeit
bis zu 6 Monaten | 1 Woche |
über 6 Monate | 2 Wochen. |
3. Wurde das Arbeitsverhältnis für eine befristete Zeit eingegangen, so endet dasselbe mit Ablauf der vereinbarten Zeit."
2. Der normative Teil eines Kollektivvertrags ist nicht nach den §§ 914, 915 ABGB, sondern gemäß den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB nach seinem objektiven Inhalt auszulegen. Maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (vgl RIS‑Justiz RS0010088; RS0008782 ua). Dabei darf den Kollektivvertragsparteien zumindest im Zweifel unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und daher eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (RIS‑Justiz RS0008897).
Ausgehend von diesen Auslegungsgrundsätzen erweist sich die Rechtsansicht der Vorinstanzen als zutreffend, sodass zunächst darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO).
3. Demgegenüber möchte die Klägerin die vermeintliche Antinomie des § 2 Abs 2 lit a und § 18 Abs 1 KV im Ergebnis so lösen, dass der Begriff des Monats iSd § 2 Abs 2 lit a KV auf eine vierwöchige Zeitspanne zu reduzieren sei. Dafür bringt sie vor, die Regelung des § 18 Z 1 KV stelle aufgrund des Merkmals „jederzeitige beidseitige Auflösung“ offensichtlich auch auf das Arbeitsverhältnis auf Probe ab, sei daher als Spezifizierung der generellen Regelung des § 2 Abs 2 lit a KV zu verstehen. Wenn im KV eine jederzeitige Lösungsmöglichkeit des Dienstverhältnisses durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den ersten vier Wochen vorgesehen sei, sei nicht einzusehen, warum unter einem Probemonat eine längere Frist verstanden werden solle. Wie auch im Fleischergewerbe häufig, könne das Wort Monat auch im Sinn eines Zeitraums von (rund) vier Wochen verstanden werden, zumal der Kollektivvertrag auf Arbeitswochen aufbaue und die Beendigung des Dienstverhältnisses generell zu Ende einer Arbeitswoche vorsehe.
4. Bereits die Wortinterpretation der in § 2 Abs 2 lit a KV enthaltenen Wortfolge „bis höchstens ein Monat“ ergibt jedoch ein eindeutiges Ergebnis für die Bedeutung des Wortes Monat. Dieses steht darüber hinaus im Einklang mit der allgemeinen Regelung des § 1158 Abs 2 ABGB, wonach ein auf Probe vereinbartes Dienstverhältnis „während des ersten Monates“ von beiden Teilen jederzeit gelöst werden kann (ebenso § 19 Abs 2 AngG: Dienstverhältnis auf Probe „für die Höchstdauer eines Monats“). Auch vor dem Hintergrund, dass die Dauer eines Probemonats landläufig als ein Monat verstanden wird, kann den Kollektivvertragsparteien nicht unterstellt werden, mit der in § 2 Abs 2 lit a KV verwendeten Wortfolge des Arbeitsverhältnisses auf Probe „bis höchstens ein Monat“ eine Dauer von vier Wochen gemeint zu haben.
5. Ungeachtet der kollektivvertraglichen Systematik ist § 2 Abs 2 lit a KV auch nicht dahin zu verstehen, dass er nur für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit Probezeit Bedeutung hätte, während § 18 dessen Lösung regle. Denn wie bereits das Erstgericht zutreffend dargelegt hat, kann die in § 18 Abs 1 KV vorgesehene Lösungsbefugnis schon deshalb nicht als Einschränkung der Auflösbarkeit des in § 2 Abs 2 lit a KV vorgesehenen Arbeitsverhältnisses auf Probe gedeutet werden, weil sonst der Eingehung eines Arbeitsverhältnisses auf Probe „bis höchstens ein Monat“ keine Bedeutung zukäme. Die Frage, ob den Kollektivvertragsparteien diese unterschiedlichen Auflösungsfristen bewusst waren, muss hier dahingestellt bleiben.
6. Im Ergebnis steht damit die Regelung des § 18 Abs 1 KV der Wirksamkeit einer innerhalb eines Monats erklärten Auflösung eines Arbeitsverhältnisses, bei dem der erste Monat iSd § 2 Abs 2 lit a KV als Probemonat vereinbart wurde, auch dann nicht entgegen, wenn die Auflösung zwar nach Ablauf von vier Wochen, jedoch noch innerhalb des Probemonats erfolgt ist.
7. Die Vorinstanzen sind danach zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass die vertragliche Vereinbarung der Streitteile eines Probemonats, während dessen beide Teile das Dienstverhältnis mit sofortiger Wirkung lösen können, gegen kein dem Arbeitnehmer günstigeres kollektivvertragliches Recht (§ 3 Abs 1 ArbVG) verstößt. Da das Arbeitsverhältnis der Klägerin folglich rechtzeitig innerhalb der Probezeit beendet wurde, ist ihrer Revision keine Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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