Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Begründung
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 9. 5. 2011 wurde über das Vermögen der Schuldnerin der Konkurs eröffnet. Das Unternehmen der Schuldnerin war zu diesem Zeitpunkt bereits geschlossen, die Aktiva der Masse bestanden aus dem von einem Gläubiger erlegten Kostenvorschuss und dem Anspruch gegen den Alleingesellschafter F***** H***** auf Einzahlung der zweiten Hälfte seiner Stammeinlage in Höhe von 17.500 EUR. Die angemeldeten Insolvenzforderungen betrugen 149.690,05 EUR.
Der Masseverwalter erwirkte zur Hereinbringung der Forderung gegen den Gesellschafter einen rechtskräftigen Zahlungsbefehl, aufgrund dessen er in der Folge auch Exekution führte. Aus der gegen den Verpflichteten bewilligten Gehaltsexekution könnten, nach Tilgung einer vorrangigen Forderung von 1.880 EUR samt Anhang, voraussichtlich monatlich 200 EUR für die Masse hereingebracht werden.
Der Insolvenzverwalter zeigte dem Erstgericht die Masseunzulänglichkeit an und legte am 2. 6. 2012 die Schlussrechnung und einen Verteilungsentwurf vor. In diesem beurteilte er die Forderung gegen den Gesellschafter als aktuell uneinbringlich und regte an, den Konkurs mangels kostendeckenden Vermögens aufzuheben, jedoch unter gleichzeitiger Bestellung seiner Person zum Treuhänder der Gläubiger mit dem Auftrag, die titulierte Forderung weiter einzutreiben. Sollte dies gelingen, könne nämlich doch noch eine mehr als 10%ige Quote für die Insolvenzgläubiger erzielt werden.
Die Schuldnerin sprach sich für eine vorbehaltslose Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus.
Das Erstgericht hob nach Durchführung der Schlussrechnungs- und Verteilungstagsatzung mit Beschluss vom 28. 8. 2012 das Insolvenzverfahren mangels Vermögens nach § 123a IO auf (Punkt 1.), nahm aber „die Geltendmachung der Ansprüche gegen F***** H*****“ von der Aufhebung aus (Punkt 2.). Es erklärte alle die freie Verfügung der Schuldnerin beschränkenden Maßnahmen für aufgehoben und enthob den Insolvenzverwalter (vorbehaltslos) seines Amtes.
Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Schuldnerin Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass es den zweiten Spruchpunkt ersatzlos behob.
Die Schuldnerin sei durch die angefochtene Regelung materiell beschwert, weil ihr trotz Aufhebung des Insolvenzverfahrens die freie Verfügung über einen Bestandteil ihres Vermögens entzogen bleibe. Die Insolvenzordnung kenne nur die gänzliche Aufhebung des Insolvenzverfahrens; eine planwidrige Gesetzeslücke sei nicht zu erkennen. Die geltende Rechtslage schaffe nicht nur hinsichtlich des Beginns, sondern auch des Endes der Beschränkungen der Handlungsfähigkeit von Schuldnern die gebotene Transparenz. Hinzu komme, dass nach einer Aufhebung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens nach § 123a IO eine Nachtragsverteilung überhaupt nicht vorgesehen sei, weil diese Art der Aufhebung nur stattzufinden habe, wenn die Behebung der Vermögenslosigkeit in absehbarer Zeit nicht zu erwarten sei. Die Vorgangsweise des Erstgerichts möge praktikabel erscheinen, entbehre aber einer gesetzlichen Grundlage. Der erste Spruchpunkt des erstinstanzlichen Beschlusses sei mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen und daher nicht mehr zu überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 123a IO vorlagen.
Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil zu der über den Anlassfall hinaus relevanten Frage, ob bei einer Aufhebung des Insolvenzverfahrens mangels Vermögens nach § 123a IO die Geltendmachung einzelner Ansprüche ausgenommen werden kann, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Insolvenzverwalters ist aus den vom Rekursgericht genannten Erwägungen zulässig, er ist im Ergebnis auch berechtigt.
1. Nicht zu folgen ist den Rechtsmittelausführungen, soweit sie die Wirksamkeit der Vertretung des Schuldners im Rechtsmittelverfahren anzweifeln.
Im Insolvenzverfahren besteht zwar keine Anwaltspflicht (§ 254 Abs 1 Z 6 IO), den Parteien bleibt es aber unbenommen, sich von einem Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Die im Revisionsrekurs herangezogene Bestimmung des § 26 IO bezieht sich auf Aufträge, die vor Insolvenzeröffnung erteilt wurden, und steht der Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Vertretung im Insolvenzverfahren durch den Schuldner nicht entgegen. Die Erteilung der Vollmacht ist in diesem Stadium nur nach § 3 Abs 1 IO zu beurteilen, insbesondere kann die Insolvenzmasse vom Schuldner nicht zur Tragung von Kosten verpflichtet werden (ua Weber‑Wilfert/Widhalm‑Budak in Konecny/Schubert , § 26 KO Rz 58; JBl 1966, 370). In die Befugnisse des Insolvenzverwalters wird aber dadurch, dass der Schuldner seine persönlichen Verfahrensrechte durch einen Vertreter wahrnimmt, in keiner Weise eingegriffen.
Nach § 30 Abs 2 ZPO (iVm § 252 IO) ersetzt die Berufung eines Rechtsanwalts auf die erteilte Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis. Eine Überprüfung des Innenverhältnisses zwischen Partei und Vertreter ist im Bereich der Verfahrensvollmacht unzulässig (RIS‑Justiz RS0035627 [T3, T4]). Die Vorinstanzen haben die Bevollmächtigung des Schuldnervertreters daher zutreffend als ausreichend nachgewiesen behandelt.
2. Auch die Überlegungen des Revisionsrekurswerbers über eine sittenwidrige Kollusion zwischen der Schuldnerin und ihrem Alleingesellschafter-Geschäftsführer können nicht überzeugen. Die Wiedererlangung der Handlungsfähigkeit der Schuldnerin infolge Konkursaufhebung führt nicht, wie der Revisionsrekurs meint, zum Untergang ihrer titulierten Forderung auf Einzahlung der Stammeinlage. Diese Forderung würde nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens wiederum als Aktivum der Gesellschaft ein Exekutionsobjekt für deren Gläubiger bilden (2 Ob 407/57; Jabornegg/Artmann , UGB § 131 Rz 38). Auch wenn die Schuldnergesellschaft durch die Konkurseröffnung aufgelöst wurde, besteht sie als Rechtssubjekt bis zu ihrer Vollbeendigung fort.
3. Nach herrschender Auffassung ist die ‑ im Gesetz nicht geregelte ‑ Betrauung eines ehemaligen Insolvenzverwalters mit der Weiterverfolgung von anhängigen Anfechtungsprozessen nach Schlussverteilung und Aufhebung des Konkurses zulässig. Er hat dabei als vom Insolvenzgericht bestellter Treuhänder der Gläubiger vorzugehen, im Erfolgsfall ist über die erstrittenen Beträge eine Nachtragsverteilung analog § 138 Abs 1 IO durchzuführen (ua Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger InsR 4 § 136 KO Rz 7; König , Anfechtung 4 Rz 18/15; RIS‑Justiz RS0064543; 3 Ob 184/11x).
3.1. Es trifft auch zu, dass in jüngerer Zeit eine Ausdehnung dieser für das Anfechtungsrecht entwickelten Möglichkeit auf die nachwirkende Verwertung anderer Masseaktiva befürwortet wurde. Seien noch Verwertungsmaßnahmen offen, die einen über § 138 Abs 3 IO hinausgehenden Erlös erwarten ließen, würde aber eine Verfahrensfortführung eine ungebührliche Verzögerung der Konkursaufhebung nach sich ziehen, so könne der Masseverwalter vom Insolvenzgericht mit der weiteren Verfolgung dieser Agenden außerhalb des Konkursverfahrens beauftragt werden. Die Befürworter dieser Ansicht argumentieren mit wirtschaftlichen Vorteilen und dem Anliegen, die Grundrechtsbeschränkung des Schuldners so kurz wie unbedingt nötig zu halten ( König aaO; Kodek aaO; Bachmann , Befriedigung der Masseforderungen, 178).
3.2. Keine Berücksichtigung fand in der veröffentlichten Diskussion bisher, dass zwischen der Weiterverfolgung eines insolvenzrechtlichen Anfechtungsanspruchs und der Verfolgung anderer Forderungen der Masse ein wesentlicher Unterschied besteht. Im Gegensatz zu einer sonstigen Forderung der Masse erlischt ein Anfechtungsanspruch mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach herrschender Auffassung ersatzlos (ua König aaO Rz 18/17). Nur eine Fortführung des Insolvenzverfahrens kann deshalb den endgültigen Verlust der aus der Anfechtung zu erwartenden Mittel für die Gläubiger verhindern. Die weitere Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens führt außerdem nicht dazu, dass die Handlungsfreiheit des Schuldners über sein Vermögen weiterhin eingeschränkt bleibt. Es geht vielmehr darum, einen allein aus dem Insolvenzverfahren heraus begründeten Anspruch abzuwickeln, über den der Schuldner selbst ohnedies niemals verfügen könnte.
Im Gegensatz dazu sieht die Rechtsordnung für die Verwertung von Vermögensteilen zugunsten der Gläubiger außerhalb eines Insolvenzverfahrens ausschließlich das vom Rangprinzip getragene Exekutionsverfahren vor. Eine weiter fortwirkende insolvenzmäßige Verwertung von Vermögensteilen würde zum Exekutionsverfahren in Konkurrenz treten. Dem positiven Recht ist ein nicht personen-, sondern nur objektbezogenes Insolvenzverfahren fremd.
3.3. Eine Rechtsfortbildung durch Analogieschluss setzt voraus, dass der Rechtsfall nach dem Gesetz nicht beurteilt werden kann, jedoch von Rechts wegen einer Beurteilung bedarf, sodass eine Gesetzeslücke im Sinne einer „planwidrigen Unvollständigkeit“ besteht (RIS‑Justiz RS0098756).
Allein die Überlegung, dass die angestrebte Teilaufhebung des Insolvenzverfahrens für den Schuldner weniger belastend und für die Insolvenzgläubiger vorteilhafter als eine Exekutionsführung sein könnte (Gleichbehandlung statt Rangprinzip, Kostenersparnis durch Bündelung), begründet das Vorliegen einer planwidrigen Gesetzeslücke noch nicht. Der Gesetzgeber hat erst jüngst das Insolvenzverfahren mit dem IRÄG 2010 tiefgreifend neu geordnet, aber die in der Literatur bereits länger diskutierte Möglichkeit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens unter Bestellung eines Treuhänders dennoch weiterhin nur im Sanierungs‑ und Abschöpfungsverfahren vorgesehen.
3.4. Auch der vom Rechtsmittelwerber gezogene Vergleich zwischen der Überlassung von befriedigungsuntauglichen Massebestandteilen (§ 119 Abs 5 IO) und einer Ausnahme einzelner Massebestandteile von den Wirkungen der Aufhebung des Insolvenzverfahrens überzeugt nicht. Eine durch Ausscheidungsbeschluss nach § 119 Abs 5 IO überlassene Sache bzw Forderung fällt an den konkursfreien Teil des Schuldnervermögens zurück; die Masse kann sich auf diese Weise wertlosen Ballasts entledigen. Die Ausscheidung stellt aber keine Teilaufhebung des Konkurses dar, es handelt sich ‑ entsprechend der Abschnittsüberschrift „Verfügungen über das Massevermögen und Rechnungslegung“ ‑ um einen Sonderfall der Verwertung.
4. Letztlich ist die Frage, ob eine Fortführung von Verwertungsmaßnahmen nach Schlussverteilung und Aufhebung des Konkurses zulässig wäre, im vorliegenden Fall aber nicht abschließend zu klären.
Das Erstgericht hat das Insolvenzverfahren nach § 123a IO (vormals § 166 KO) mangels kostendeckenden Vermögens aufgehoben. Für diese Beendigungsform wurde die Möglichkeit einer Treuhänderbestellung zur Verfolgung von Anfechtungsansprüchen in der Literatur zwar ebenfalls nicht ausgeschlossen, aber doch als problematisch erkannt (§ 138 IO; vgl König aaO Rz 18/15 mwN).
4.1. Es besteht ein unübersehbarer Widerspruch zwischen dem Vorhandensein einer für hinreichend verwertbar erachteten Masse und einer Aufhebungsart, die gerade das Fehlen einer solchen voraussetzt. Hinzu kommt, dass eine im Erfolgsfall in Analogie zu § 138 IO durchzuführende Nachtragsverteilung auf dem Schlussverteilungsentwurf beruhen müsste, der bei dieser Beendigungsform aber nicht vorliegt. Es besteht keine tragfähige positivrechtliche Grundlage für die Abwicklung des erstgerichtlichen Beschlusses.
4.2. Abgesehen davon, dass eine Betrauung des Masseverwalters mit den erforderlichen Aufgaben im angefochtenen Beschluss des Erstgerichts überhaupt fehlt, besteht wegen der Beendigung des Insolvenzverfahrens keine verfahrensrechtliche Handhabe für eine weitere Überwachung bei den nachträglichen Verwertungsmaßnahmen und keine Verfahrensrechte des Schuldners und der ehemaligen Gläubiger mehr.
4.3. Für die im vorliegenden Verfahren ausständige Verwertung einer nicht liquiden Forderung sieht die Insolvenzordnung explizit die Möglichkeit der Veräußerung vor (§ 119 Abs 5 IO). Durch diese Form der Verwertung kann ein überlanges Verfahren hintangehalten werden. Sollte sich herausstellen, dass mangels Werthaltigkeit auch eine Veräußerung nicht möglich oder tunlich ist, kann das Verwertungsverfahren durch Ausscheiden der Forderung beendet werden, sodass keine Regelungslücke besteht.
Eine Aufhebung des Konkurses nach § 123a IO mit Ausnahme noch ausstehender Verwertungsmaßnahmen kommt daher, wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, nicht in Betracht.
5. Allerdings ist dem Revisionsrekurs beizupflichten, dass der Beschluss des Erstgerichts ungeachtet seiner Unterteilung in zwei Spruchpunkte inhaltlich eine unteilbare Einheit darstellt.
Die Vorgangsweise des Erstgerichts beruhte auf der logischen Prämisse einer Teilbarkeit der Masse in einen wertlosen (nicht kostendeckenden) und einen werthaltigen Teil, die ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben könnten. Ist eine solche Aufteilung aber nicht zulässig, dann wird nicht nur dem zweiten, sondern auch dem ersten Teil die Grundlage entzogen. Der Umstand, dass die Schuldnerin in ihrem Rekurs ausdrücklich nur den zweiten Spruchpunkt bekämpft hat, ändert nichts daran, dass der Beschluss nur in seiner Gesamtheit anfechtbar war und keine Teilrechtskraft eingetreten ist.
Nach dem vorliegenden Verfahrensstand erscheint eine über § 138 Abs 3 IO hinaus ertragreiche Verwertung der titulierten Forderung der Gesellschaft zumindest möglich, sodass derzeit vom Fehlen kostendeckenden Vermögens iSd § 123a IO nicht ausgegangen werden kann. Es wird dem Insolvenzverwalter obliegen, die sich bietenden Verwertungsalternativen zu prüfen.
Im Ergebnis war dem Revisionsrekurs daher Folge zu geben, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Abschluss der Verwertung aufzutragen.
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