OGH 15Os51/13h

OGH15Os51/13h22.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Mai 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Müller als Schriftführerin in der Strafsache gegen Patrick F***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Patrick F***** und Marco H***** sowie über die Berufung des Angeklagten Kevin G***** gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 31. Jänner 2013, GZ 11 Hv 174/12m-70, weiters über die Beschwerden der Angeklagten F***** und H***** gegen den gleichzeitig gefassten Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten Patrick F***** und Marco H***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch rechtskräftige Freisprüche und einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Angeklagten Kevin G***** enthaltenden - Urteil wurden Patrick F***** und Marco H***** jeweils des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1 zweiter Fall, 143 zweiter Fall StGB (I./) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (III./ und IV./1./), H***** überdies der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (IV./2./) und des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB (V./) schuldig erkannt.

Danach haben - soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Relevanz - Patrick F*****, Marco H***** und Kevin G***** (zu I./) am 6. Oktober 2012 in S***** in einverständlichem Zusammenwirken durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Stefan W***** unter Verwendung einer Waffe 120 Euro Bargeld, eine Wasserpfeife, eine Digitalwaage, zumindest 20 Gramm Cannabiskraut und zwei Cannabispflanzen, mit dem Vorsatz weggenommen, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, indem F***** mit einem Messer und einer Schreckschusspistole, H***** mit einem Jagdmesser und G***** mit einem Baseballschläger bewaffnet die Wohnung W*****s stürmten, F***** mit den Worten „Sag, wo ist das Gras, oder du bekommst eine Kugel in den Kopf!“ die Schreckschusspistole gegen den Kopf W*****s, dann abwechselnd gegen diesen und Patrick T***** richtete, G***** nach dem Aufbewahrungsort des „Grases“ fragte, wobei er zugleich mit dem Baseballschläger zum Schlag gegen W***** ausholte und sodann die Wohnung nach werthältigen Gegenständen durchsuchte, und H***** die ausgewählten Beutestücke zu dem von den Angeklagten gemeinsam benützten Fluchtfahrzeug verbrachte.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen I./ des Schuldspruchs von Patrick F***** aus Z 5 und 5a und von Marco H***** aus Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Patrick F*****:

Soweit die Mängelrüge eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen betreffend den auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz des Angeklagten behauptet, verkennt sie, dass die unter Nichtigkeitsdrohung stehende Begründungspflicht ausschließlich für den Ausspruch über entscheidende Tatsachen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399) besteht. Darunter sind solche zu verstehen, die entweder auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss üben (§§ 260, 270 Abs 2 Z 4 und 5, 281 Abs 1 Z 5 StPO). Indem der Angeklagte unter Hinweis auf seine Verantwortung, wonach das Opfer ihm 60 Euro geschuldet hätte, die Annahme, er habe im Wissen gehandelt, auf die weggenommenen Gegenstände keinen Rechtsanspruch zu haben (US 10), als nicht oder nur offenbar unzureichend begründet rügt, spricht er keine für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache an, weil nach den Feststellungen Sachen in einem 60 Euro übersteigenden Wert geraubt wurden. Im Übrigen haben die Tatrichter formell einwandfrei dargelegt, warum sie in Bezug auf die gesamte Beute von einem auf Unrechtmäßigkeit der Bereicherung gerichteten Vorsatz ausgingen (US 15 bis 18).

Dass der Angeklagte den beiden Mittätern die Mitnahme weiterer Gegenstände untersagte sowie ein Teil der Beute zwei Tage nach der Tat an das Opfer zurückgestellt wurde, haben die Tatrichter in ihre Beweiserwägungen miteinbezogen (US 17), sodass insoweit die behauptete Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht vorliegt.

Die Behauptung (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a), es sei in Ansehung der subjektiven Tatseite nicht festgestellt worden, „was sich der Beschwerdeführer gerade im Zeitpunkt der Wegnahme der Sache tatsächlich gedacht hat“, ist mit Blick auf den eindeutigen Inhalt der Entscheidungsgründe (US 9 f) nicht nachvollziehbar.

Z 5a will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, werden vom Obersten Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen beantwortet, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Der Rechtsmittelwerber vermag mit dem Hinweis auf das zur Z 5 erstattete Vorbringen, auf den Umstand, dass er die Mitnahme weiterer Gegenstände verhindert habe, auf den Wortlaut seiner Forderung bei der Tatbegehung, auf seine die Unrechtmäßigkeit der Bereicherung leugnende Verantwortung, auf die insoweit (angeblich) „korrespondierenden Aussagen der Zeugen Stefan W***** und Patrick T*****“ sowie auf das „Gesamtverhalten“ und das „Nachtatverhalten“ des Beschwerdeführers keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken. Vielmehr wird bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung (nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung) bekämpft.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Marco H*****:

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider hat das Schöffengericht den in der Hauptverhandlung am 31. Jänner 2013 gestellten Antrag des Beschwerdeführers auf Vernehmung des Zeugen Alexander B***** zum Beweis dafür, dass W***** ihm für Arbeiten bei der Errichtung einer Plantage einen Lohn zugesichert hatte, er somit nicht mit „Bereicherungsabsicht“, sondern „in der Absicht, seinen Lohn einzuholen“ gehandelt hatte (ON 69 S 45), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen. Denn das Unterbleiben der Vernehmung dieses Zeugen hatte auf die Beweislage keinen erheblichen Einfluss (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 332), weil - worauf bereits das Erstgericht zutreffend hingewiesen hat - der Zweitangeklagte selbst zugestanden hat, über das ihm - aus seiner Sicht - Zustehende hinaus (zumindest) noch weiteres Cannabis vorsätzlich weggenommen zu haben.

Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider mussten sich die Tatrichter - dem Gebot gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428) folgend - nicht im Detail mit den „die Verantwortung des Zweitangeklagten bestätigenden Angaben des Erstangeklagten“ (in Bezug auf dem Umstand, dass Stefan W***** dem Beschwerdeführer für von diesem erbrachte Arbeiten bei der Errichtung einer Cannabisplantage noch Geld geschuldet habe) auseinandersetzen, zumal eine entscheidende Tatsache davon nicht betroffen war.

Die eine Unterstellung des Tatgeschehens bloß unter den Tatbestand der schweren Nötigung nach „§§ 105, 106 StGB“ anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) bemängelt, dass das Erstgericht zur Feststellung des auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatzes lediglich die verba legalia gebraucht habe. Dabei vernachlässigt sie die Urteilsbegründung, wonach die Angeklagten die Gegenstände im Wissen wegnahmen, auf diese keinen Rechtsanspruch zu haben (US 10). Im Übrigen übersieht der Rechtsmittelwerber, dass die Konstatierung der subjektiven Tatseite durch Verwendung der verba legalia deren Wirksamkeit dann nicht beeinträchtigt, wenn ein Sachverhaltsbezug hergestellt wird (RIS-Justiz RS0119090 [T2]).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden ergibt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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