OGH 13Os17/13v

OGH13Os17/13v16.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Mai 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wancata als Schriftführer in der Strafsache gegen Rupert L***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 8. November 2012, GZ 16 Hv 62/12h-36, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Strafausspruch und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rupert L***** der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A/1) und des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (A/2), mehrerer Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (B), des Vergehens der fahrlässigen Gefährdung durch Sprengmittel nach § 174 Abs 1 StGB (C) sowie (richtig) der Vergehen nach § 43 Abs 1 Z 1 und Z 2 Sprengmittelgesetz (D) schuldig erkannt.

Danach hat er

(A) durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) anderen fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt, und zwar:

(1) am 19. Februar 1997 in W***** Margarethe F***** 146.050 S (ds rund 10.600 Euro) durch die Aufforderung: „Geben Sie mir das Geld!“, wobei er ihr einen Gegenstand, der einer Pfefferspraydose täuschend ähnlich sah, vorhielt;

(2) am 10. Februar 2012 in S***** Christine Fa***** 77.460 Euro mit den Worten: „Geld!“, „Überfall!“, „Bomb!“, „große Scheine!“ und „echtes Geld!“, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe, nämlich eines um den Hals getragenen Sprengsatzes, verübte;

(B) Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich im Urteil näher bezeichnete Kfz-Kennzeichen, mit dem Vorsatz unterdrückt, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis der aufrechten Zulassung der betreffenden Fahrzeuge gebraucht werden, und zwar „um und nach dem“ 24. Jänner 2012 jene des Zsolt N***** (1) sowie „um und nach dem 23. Jänner 2012“ jene des Martin M***** (2) und des Manuel B***** (3);

(C) in A***** fahrlässig einen Sprengstoff als Sprengmittel zur Explosion gebracht und dadurch eine Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) des Paul W***** herbeigeführt, indem er am 10. Februar 2012 einen Alukoffer samt aktivierten und entsicherten Sprengsätzen wegwarf, wobei es bei deren Bergung am 27. März 2012 zur Explosion kam;

(D) im Jänner 2012, wenn auch nur fahrlässig, ohne erforderliche Bewilligung Sprengmittel hergestellt und besessen, indem er aus Schwarz- und Böllerpulver mehrere Sprengsätze konstruierte, wovon er einen bis zum 23. Februar 2012 zu Hause aufbewahrte.

Rechtliche Beurteilung

Der Urteilstenor gibt zunächst Anlass zur Bemerkung, dass entgegen § 260 Abs 1 Z 2 StPO eine formelle Hervorhebung der durch die jeweiligen Taten verwirklichten strafbaren Handlungen, somit der Schuldsprüche (Lendl, WK-StPO § 260 Rz 27 ff), unterblieb (US 2; ON 35 S 13). Die dadurch bewirkte Nichtigkeit aus Z 3 des § 281 Abs 1 (iVm § 260 Abs 1) StPO wird vom Beschwerdeführer jedoch nicht geltend gemacht. Unter dem Aspekt materieller Nichtigkeit (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) sind aber dem Urteil der Schuldspruch als solcher sowie die rechtsrichtige Subsumtion mit Rücksicht auf die Verwendung der einleitenden Formel „ist schuldig“, das Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), den Sanktionsausspruch, die diesen zugrunde gelegten Bestimmungen der §§ 28, 143 StGB und die Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO [insbesonders US 12 bis 15]) unzweifelhaft zu entnehmen.

Die gegen das Urteil aus Z 5 und 5a ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Soweit die ohne Einschränkung angemeldete Beschwerde auch die Schuldsprüche A2, B, C und D umfasst, blieb sie mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umständen unausgeführt (§§ 285d Abs 1, 285a Z 2 StPO).

Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Ableitung der subjektiven Tatseite aus dem objektiven Raubgeschehen (A/1) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0116882; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).

Der Nichtigkeitsgrund der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO greift seinem Wesen nach nur dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen (RIS-Justiz RS0119583).

Indem die Tatsachenrüge unter Hinweis auf Erinnerungsschwächen einzelner Zeugen, die leugnende Verantwortung des Angeklagten und seine geordneten finanziellen Verhältnisse zur Tatzeit die Urteilserwägungen zum Vorliegen einer geschlossenen Indizienkette für die Annahme seiner Täterschaft hinsichtlich des Raubfaktums A/1 nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bezweifelt, bewegt sie sich außerhalb des erwähnten Anfechtungsrahmens.

In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war daher die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285d Abs 1 StPO - ebenso wie die (bloß angemeldete) im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Schuldberufung - schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung gegen den Strafausspruch und die Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte