Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16. September 2010, GZ 43 Hv 108/10f‑54, verletzt § 31 Abs 1 dritter Satz StGB.
Der Strafausspruch dieses Urteils, das im Übrigen unberührt bleibt, wird aufgehoben und im Umfang der Aufhebung
in der Sache selbst erkannt:
Erdal D***** wird für die ihm zur Last liegenden Vergehen nach § 27 Abs 2 SMG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und unter Bedachtnahme gemäß § 31 Abs 1 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 19. März 2010, GZ 9 U 12/10g‑10, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von
drei Monaten
verurteilt.
Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Text
Gründe:
Erdal D***** wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 19. März 2010, GZ 9 U 12/10g‑10, rechtskräftig des Vergehens des Gebrauchs fremder Ausweise nach § 231 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.
Mit dem hier angefochtenen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16. September 2010, GZ 43 Hv 108/10f‑54, wurde er mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchgiften nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG schuldig erkannt. Hiefür wurde nach § 27 (richtig:) Abs 2 SMG unter Bedachtnahme gemäß § 31 Abs 1 StGB auf das zuvor erwähnte Urteil des Bezirksgerichts Klosterneuburg eine für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Zusatzfreiheitsstrafe von fünf Monaten verhängt. Gleichzeitig wurde der Beschluss auf Absehen vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 6. März 2009, AZ 42 Hv 18/09m, gewährten bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der dort bestimmten Probezeit auf fünf Jahre gefasst.
Rechtliche Beurteilung
Der Strafausspruch steht ‑ wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt ‑ mit dem Gesetz nicht in Einklang.
Wird unter Bedachtnahme auf eine frühere Verurteilung eine Zusatzstrafe verhängt, darf die Summe der Strafen gemäß § 31 Abs 1 dritter Satz StGB (unter anderem) jene Strafe nicht übersteigen, die nach den Regeln über die Strafbemessung beim Zusammentreffen strafbarer Handlungen zulässig wäre. Aus dem Zusammentreffen der Vergehen des Gebrauchs fremder Ausweise nach § 231 Abs 1 StGB und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG resultierte hier gemäß § 28 Abs 1 StGB ein Strafrahmen von bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe (oder einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen). Angesichts der vom Bezirksgericht Klosterneuburg (zuvor) ausgesprochenen Freiheitsstrafe von drei Monaten hätte daher das Landesgericht für Strafsachen Wien im angefochtenen Urteil eine Zusatzfreiheitsstrafe von höchstens drei Monaten verhängen dürfen. Durch den zuvor wiedergegebenen Strafausspruch hat es seine Strafbefugnis überschritten.
Da sich die Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten auswirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst (§ 292 letzter Satz StPO), deren Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen.
Bei der Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), mehrere auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende frühere Verurteilungen (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB) und den raschen Rückfall erschwerend, die geständige Verantwortung (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) hingegen mildernd. Davon ausgehend war unter Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit eine Zusatzfreiheitsstrafe von drei Monaten tat‑ und schuldangemessen.
Die Strafe war schon wegen des Verschlechterungsverbots (§ 292 erster Satz iVm § 290 Abs 2 StPO) erneut bedingt nachzusehen. Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass der Beginn der Probezeit mit Rechtskraft des angefochtenen Urteils am 16. September 2010 zu laufen begonnen hat (§ 49 Abs 1 StGB; Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 55).
Bleibt anzumerken, dass Erdal D***** nach dem ‑ bei (wie hier) gekürzter Urteilsausfertigung den Bezugspunkt für die materiell‑rechtliche Beurteilung bildenden (RIS‑Justiz RS0125032, RS0125764 [T4]; Ratz, WK‑StPO § 292 Rz 6) ‑ Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) des angefochtenen Urteils zur Last liegt, von Anfang 2009 bis 22. Februar 2010 rund 90 Gramm Marihuana wiederholt zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen zu haben. Dass er die Taten ausschließlich zu diesem Zweck begangen habe, ist dem Urteil nicht zu entnehmen, weshalb die Nichtanwendung der Diversion (§§ 35 Abs 1, 37 SMG) auf dieser tatsächlichen Basis nicht unschlüssig ist und materielle Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10a iVm § 489 Abs 1 StPO) nicht von Amts wegen zu seinen Gunsten (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall iVm § 292 erster Satz StPO) wahrzunehmen war (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 602 und 659). Die Annahme eines aus ‑ das Vorliegen sämtlicher Diversionsvoraussetzungen in tatsächlicher Hinsicht indizierenden ‑ Verfahrensergebnissen resultierenden Feststellungsmangels (vgl 13 Os 93/09i) scheidet fallbezogen aus, weil anhand des Protokollvermerks (§ 271 Abs 1a StPO) das in der Hauptverhandlung Vorgekommene nicht beurteilt werden kann (11 Os 162/11z, 172/11w, 173/11t; vgl zur in Stattgebung von jeweils wegen Verletzung des § 270 Abs 4 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden zur Wahrung des Gesetzes ergangenen Rechtsprechung RIS‑Justiz RS0125764 [T3]).
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