Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass die Beschlüsse des Erstgerichts wiederhergestellt werden.
Die betreibende Partei hat die Kosten ihrer Rekurse selbst zu tragen.
Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit 744,43 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin enthalten 124,07 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die Betreibende beantragte am 11. Mai 2010 aufgrund eines näher bezeichneten Vergleichs zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands von 1.292,40 EUR (April und Mai 2010 in Höhe von jeweils 646,20 EUR) und des laufenden Unterhalts von 646,20 EUR monatlich ab 1. Juni 2010 sowie der Exekutionsantragskosten von 146 EUR die Bewilligung der Forderungsexekution nach § 294a EO sowie der Fahrnisexekution.
Das Erstgericht bewilligte die Exekution mit Beschluss vom 14. Mai 2010 antragsgemäß. Die Exekutionsbewilligung erwuchs in Rechtskraft.
Über Antrag der Betreibenden ordnete das Erstgericht zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 1.292,40 EUR samt Nebengebühren den Vollzug der Fahrnisexekution an.
Im Rahmen mehrerer Vollzugshandlungen bezahlte der Verpflichtete an den Gerichtsvollzieher den gesamten Unterhaltsrückstand samt Nebengebühren.
Im Vollzugsbericht vom 8. Jänner 2011 ist angeführt: „Vollzugsergebnis: Einstellung beantragt; beantragt durch: verpflichtete Partei; Einstellung: Einstellung der Exekution.“
Das Erstgericht fasste am 21. Jänner 2011 einen der Betreibenden am 27. Jänner 2011 zugestellten Beschluss mit folgendem Inhalt:
„Die verpflichtete Partei beantragt, das oben bezeichnete Exekutionsverfahren gemäß § 40 EO einzustellen, weil die betreibende Partei vollständig befriedigt worden ist. Sie werden aufgefordert, sich zu diesem Antrag innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung dieses Beschlusses zu äußern. Wenn Sie sich innerhalb der Frist nicht äußern, wird angenommen, dass sie dem Antrag zustimmen. Für diesen Fall wird auch weiters angenommen, dass sie auf die Zustellung des Einstellungsbeschlusses verzichten.“
Die Betreibende erstattete zu diesem Beschluss keine Äußerung.
Mit Beschluss vom 21. Februar 2011 stellte das Erstgericht die mit Beschluss vom 14. Mai 2010 bewilligte Fahrnisexekution gemäß § 40 EO ein.
Vor Zustellung dieses Einstellungs-beschlusses ‑ die erst über Auftrag des Rekursgerichts erfolgte ‑ beantragte die Betreibende am 9. Juli 2012 die Fortsetzung des Exekutionsverfahrens durch neuerlichen Vollzug der Fahrnisexekution.
Mit Beschluss vom 10. Juli 2012 wies das Erstgericht den Antrag auf neuerlichen Vollzug der Fahrnisexekution mit der Begründung ab, dass das Exekutionsverfahren hinsichtlich der Fahrnisexekution infolge Zahlung des Unterhaltsrückstands gemäß § 40 EO eingestellt worden sei.
Das Rekursgericht gab den von der Betreibenden gegen diese Beschlüsse erhobenen Rekursen Folge und änderte die erstinstanzlichen Entscheidungen dahin ab, dass es den Einstellungsantrag des Verpflichteten abwies und dem Antrag der Betreibenden auf Fortsetzung des Fahrnisexekutionsverfahrens durch neuerlichen Vollzug der Fahrnisexekution stattgab.
Das Rekursgericht vertrat zusammengefasst die Auffassung, dass der Mangel der erstgerichtlichen Exekutionsbewilligung, der darin bestehe, dass die Fahrnisexekution auch zu Gunsten von erst künftig fällig werdenden Leistungen bewilligt worden sei, durch die Rechtskraft der Exekutionsbewilligung saniert worden sei. Die Betreibende führe hinsichtlich des laufenden Unterhalts Exekution wegen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs. Gemäß § 291c Abs 2 EO sei die Exekution wegen Forderungen auf wiederkehrende Leistungen, die künftig fällig würden, (nur) dann auf Antrag des Verpflichteten einzustellen, wenn er alle fälligen Forderungen gezahlt und bescheinigt habe, dass er künftig seiner Zahlungspflicht nachkommen werde. Das sei insbesondere dann anzunehmen, wenn er die Forderungen für die kommenden zwei Monate entweder auch schon beglichen oder zu Gunsten des Gläubigers gerichtlich den entsprechenden Betrag erlegt habe.
Der Verpflichtete habe nicht einmal behauptet, die Voraussetzungen für eine Einstellung der Exekution nach der analog anzuwendenden Bestimmung des § 291c Abs 2 EO erfüllt zu haben.
Die Einstellung der Fahrnisexekution könne auch nicht durch die anzunehmende Zustimmung der Betreibenden zum Einstellungsantrag des Verpflichteten gerechtfertigt werden. Diese Zustimmung bedeute weder ein Geständnis des Sachverhalts noch der zugrundeliegenden Rechtsansicht.
Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht mit der Begründung für zulässig, dass zur Frage der Bindungswirkung einer entgegen § 7 Abs 2 EO bewilligten Fahrnisexekution (auch) zur Hereinbringung von erst künftig fällig werdenden Forderungen, zur Frage einer gebotenen analogen Anwendung des § 291c EO sowie zur Frage des Vorliegens eines allenfalls amtswegig wahrzunehmenden Einstellungsgrundes keine aktuelle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die Rekursentscheidung erhobene Revisionsrekurs des Verpflichteten ist zulässig und berechtigt.
Ob die vom Rekursgericht thematisierte analoge Anwendung des § 291c Abs 2 EO in Betracht kommt, bedarf aus folgenden Überlegungen keiner Beantwortung:
1. Der im Zuge des letzten Vollzugstermins der Fahrnisexekution gestellte Antrag des Verpflichteten auf Einstellung der Exekution wurde zwar nicht näher begründet, bezieht aber sich erkennbar auf den in § 40 Abs 1 EO geregelten Einstellungsgrund der Befriedigung der Betreibenden.
2. Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen GlUNF 1039, 3 Ob 46/66 EvBl 1966/409 und 3 Ob 19/71 ausgesprochen hat, dass das Gericht bei der Entscheidung über einen Einstellungsantrag dessen gesetzliche Begründung auch dann zu prüfen habe, wenn der nicht bei der Tagsatzung erschienene Gegner als dem Antrag zustimmend anzusehen ist (diesem Standpunkt folgend Jakusch in Angst , EO² § 56 Rz 8).
3. Bei neuerlicher Prüfung der Frage kann diese Auffassung jedoch nicht aufrecht erhalten werden:
3.1 Gemäß § 39 Abs 1 Z 6 EO ist die Exekution einzustellen, wenn der betreibende Gläubiger das Exekutionsbegehren zurückgezogen hat, wenn er auf den Vollzug der bewilligten Exekution überhaupt oder für eine einstweilen noch nicht abgelaufene Frist verzichtet hat oder wenn er von der Fortsetzung des Exekutionsverfahrens abgestanden ist.
3.2 Diese drei Tatbestände lassen sich inhaltlich in zwei zusammenfassen. Einerseits ist die Exekution einzustellen, wenn der betreibende Gläubiger dem Gericht gegenüber erklärt, die Exekution nicht weiter fortsetzen zu wollen. Das ist als Einstellungsantrag zu verstehen. Andererseits ist die Exekution bei einem ‑ vom Verpflichteten zu bescheinigenden ‑ außerprozessualen Verzicht auf die Exekution einzustellen ( Jakusch in Angst , EO² § 39 Rz 37).
3.3 Im Kern sind diese Tatbestände Ausdruck der Dispositionsbefugnis des betreibenden Gläubigers im Exekutionsverfahren. Da die Einstellung in seinem Belieben steht, muss er den Einstellungsantrag auch nicht begründen ( Jakusch in Angst , EO² § 39 Rz 38).
3.4 Daraus ist aber abzuleiten, dass die Zustimmung des betreibenden Gläubigers zur vom Verpflichteten beantragten Einstellung der Exekution immer den Tatbestand des § 39 Abs 1 Z 6 EO erfüllt ( Heller/Berger/Stix EO 4 I 629; Rassi in Burgstaller/Deixler‑Hübner , Exekutionsordnung § 56 Rz 14).
3.5 Dem steht nicht entgegen, dass die nach § 56 Abs 2 EO anzunehmende Zustimmung (vgl 3 Ob 83/86) der sich nicht äußernden Partei weder ein Geständnis des behaupteten Sachverhalts noch der zugrundeliegenden Rechtsansicht ist und die anzunehmende Zustimmung auch die Erfüllung des Tatbestands nicht ersetzt ( Jakusch in Angst , EO² § 56 Rz 8; vgl auch RIS‑Justiz RS0002114). Bei Zustimmung des Betreibenden ist eben der an keine anderen Bedingungen als diese Zustimmung geknüpfte Einstellungstatbestand des § 39 Abs 1 Z 6 EO verwirklicht. Dass der Verpflichtete den Einstellungsantrag falsch begründet haben mag, könnte allenfalls dazu führen, dass das Gericht den unbegründeten Antrag sofort ‑ ohne Aufforderung an den Gegner zur Äußerung ‑ abweisen kann. Wurde aber ein Auftrag zur Äußerung erteilt und äußerte der Betreibende sich nicht, kann die Nichtäußerung im Hinblick auf seine Dispositionsfreiheit nicht dahin ausgelegt werden, dass dem Antrag nur bedingt zugestimmt wird, nämlich dann, wenn ihn das Gericht als ausreichend begründet ansieht ( Rassi in Burgstaller/Deixler‑Hübner , Exekutionsordnung § 56 Rz 14).
3.6 Die betreibende Partei ist daher wegen ihrer Nichtäußerung als dem Einstellungsantrag zustimmend zu behandeln (vgl 3 Ob 308/99m). Das führt zur Wiederherstellung der erstgerichtlichen Beschlüsse.
4. Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf §§ 40, 50 ZPO iVm § 78 EO; jener über die Kosten des Revisionsrekurses auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 78 EO.
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