OGH 9ObA27/13f

OGH9ObA27/13f24.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Rodlauer und Mag. Robert Brunner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R***** S*****, *****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer, Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei ***** GmbH, *****, vertreten durch Niederbichler Rechtsanwalt GmbH in Graz, wegen 1.438 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Dezember 2012, GZ 6 Ra 83/12s-12, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. September 2012, GZ 9 Cga 79/12k-8, Folge gegeben und das Ersturteil aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 420 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 336,82 EUR (darin 56,14 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten vom 8. 8. 2011 bis 31. 3. 2012 als Handelsangestellter bzw Filialleiter im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Auf sein Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für Handelsangestellte anzuwenden. Das Dienstverhältnis endete durch Dienstgeberkündigung. Die Beklagte zog dem Kläger von der Endabrechnung März 2012 einen Betrag von 1.438 EUR netto für die Kosten einer von ihr bezahlten Führerscheinausbildung des Klägers bei einer Fahrschule ab. Der Kläger hatte die Führerscheinprüfung nicht abgelegt. Eine schriftliche Vereinbarung über die Kostenübernahme oder eine allfällige Rückerstattung existiert nicht.

Der Kläger begehrte die Zahlung dieses Betrags, weil die Voraussetzungen des § 2d AVRAG für den Rückersatz von Ausbildungskosten nicht vorlägen: Das Dienstverhältnis habe durch Arbeitgeberkündigung geendet. Es liege keine schriftliche Vereinbarung vor. Gemäß § 16 AVRAG könnten die Bestimmungen über den Ausbildungskostenrückersatz weder aufgehoben noch beschränkt werden.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dem Kläger eine Übernahme der Kosten für seine Führerscheinausbildung nur unter der Bedingung zugesagt zu haben, dass er bis Ende Dezember 2011 die Führerscheinprüfung absolviere. Der Kläger habe dann ohne ihr Wissen und ohne Rücksprache mit der Beklagten einen Ausbildungsvertrag mit der Fahrschule abgeschlossen und Schulungstermine vereinbart, diese aber nicht eingehalten. Er habe ihrem Mitarbeiter erzählt, nur noch eine Prüfung absolvieren zu müssen, tatsächlich habe er zu diesem Zeitpunkt jedoch noch keine Prüfung gemacht. Die Beklagte habe den Kläger wiederholt aufgefordert, die Prüfung zu absolvieren, was er jedoch nicht getan habe. Der Kläger habe die Anzahlung für die Ausbildungskosten der Fahrschule offenbar selbst geleistet. Die Rechnung sei dann auf die Beklagte umgeschrieben worden. Da die Führerscheinausbildung auch nicht Teil ihrer Ausbildung des Klägers gewesen sei, weil er in ihrem Küchencenter im Innendienst beschäftigt gewesen sei, kämen die Regelungen über den Rückersatz von Ausbildungskosten nicht zum Tragen. Sie habe mit ihm darüber einen gesonderten Vertrag abgeschlossen, der an die auflösende Bedingung der Absolvierung der Prüfung bis Ende Dezember 2011 geknüpft gewesen sei. Da dies nicht der Fall gewesen sei, sei die Geschäftsgrundlage weggefallen. Ihr stehe der Rückersatz der Ausbildungskosten schon nach § 1435 ABGB zu. § 2d AVRAG sei auch deshalb nicht anzuwenden, weil er Kosten für eine erfolgreich absolvierte Ausbildung voraussetze. Tatsächlich sei die Aufwendung frustriert gewesen. Der Kläger habe das Nichtabsolvieren des Kurses bzw der Führerscheinprüfung selbst zu verantworten und treffe ihn daran ein Verschulden. Es komme auch kein richterliches Mäßigungsrecht zum Tragen, weil er vorsätzlich gehandelt habe.

Das Erstgericht folgte dem Klagsstandpunkt und gab dem Klagebegehren statt. Dabei hielt es den eingangs dargestellten unstrittigen Sachverhalt als entscheidungsreif, sodass es von der Durchführung eines Beweisverfahrens absah.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und hob das Urteil zur Verfahrensergänzung auf. Zu unterscheiden sei, ob eine Rückersatzpflicht von Ausbildungskosten, die die Beklagte bereits aufgrund einer verbindlichen Vereinbarung zu tragen habe, zu beurteilen sei oder ob es sich um eine - nach dem Vorbringen der Beklagten mangels Bedingungseintritts - noch gar nicht entstandene Kostentragungspflicht handle. Habe sie unter der Voraussetzung der Entstehung der Kostentragungspflicht die Kosten für die Absolvierung des Führerscheins des Klägers lediglich vorfinanziert, sei § 2d AVRAG nicht anzuwenden. Zur Vereinbarung allfälliger Bedingungen und zur Frage des Vereitelns des Ausbildungserfolgs fehlten jedoch Feststellungen. Der Rekurs sei zur Frage zulässig, ob die Voraussetzungen des § 2d AVRAG auch auf eine Vereinbarung anzuwenden seien, die die Kostentragungspflicht der Dienstgeberin von der Bedingung des positiven Abschlusses einer Ausbildung abhängig machten und ob ein schuldhaftes Vereiteln des Ausbildungserfolgs durch den Dienstnehmer einen Ersatz der Ausbildungskosten hindere.

In seinem dagegen gerichteten Rekurs beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Wiederherstellung des Ersturteils.

Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Ein allfälliger Rückersatzanspruch der Beklagten nach § 2d AVRAG muss am unbestrittenen Fehlen einer schriftlichen Vereinbarung über den Ausbildungskostenrückersatz scheitern, die aber notwendige Voraussetzung für einen Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers ist. Erst dann könnte auch ihr Einwand zum Tragen kommen, dass der Kläger schuldhaft den Ausbildungserfolg vereitelt und deshalb die Ausbildungskosten zu tragen habe (vgl dazu Binder, AVRAG2 § 2d Rz 28; Eypeltauer, Offene Fragen des Ausbildungskostenrückersatzes - eine Trilogie, ecolex 2007, 196). Auf das Vorbringen der Beklagten, dass die Kosten der Fahrschulausbildung mangels eines unmittelbaren Zusammenhangs mit dem Arbeitsverhältnis nicht unter § 2d AVRAG fielen, kommt es danach nicht an.

2. Einem Ersatzanspruch der Beklagten aus der mit dem Kläger getroffenen Vereinbarung, die Führerscheinausbildung nur unter der Bedingung zu finanzieren, dass er die Prüfung bis Jahresende 2011 absolviere, steht entgegen, dass diese Vereinbarung schon nach dem Vorbringen der Beklagten keine Vorfinanzierung vorgesehen hat. Wenn die Beklagte in der Folge trotz des fehlenden Prüfungserfolgs des Klägers die Ausbildungskosten zahlte, so ist sie selbst von der mit dem Kläger getroffenen Vereinbarung abgegangen und hat eine Zahlung geleistet, von der sie wusste, dass sie sie nicht schuldig ist. Für einen solchen Fall versagt aber § 1432 letzter Fall ABGB einen Rückforderungsanspruch.

Damit ist das Erstgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Rechtssache bereits nach dem Parteienvorbringen und dem unstrittigen Sachverhalt im Sinne einer Klagsabweisung entscheidungsreif war.

Dem Rekurs ist daher Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Stichworte