OGH 10ObS49/13y

OGH10ObS49/13y16.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Susanne Jonak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. D*****, vertreten durch Gerlach Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Dezember 2012, GZ 8 Rs 153/12x-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 4. Juni 2012, GZ 17 Cgs 17/12g-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Beide Parteien habe ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war von 2006 bis zu ihrem Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft mit 15. 5. 2011 in die Liste der Rechtsanwälte der Rechtsanwaltskammer Wien eingetragen. Sie hatte von der Möglichkeit des „opting out“ aus der gesetzlichen Pflichtversicherung in der Krankenversicherung iSd § 5 Abs 1 GSVG iVm § 50 Abs 4 RAO durch Beitritt zur Gruppen-Krankenversicherung der UNIQA Personenversicherung AG für Rechtsanwälte Gebrauch gemacht. Die Klägerin gebar am 18. 6. 2011 ihre Tochter A***** und bezog im Rahmen der erwähnten Gruppenversicherung im Zeitraum vom 23. 4. 2011 bis 12. 8. 2011 ein Wochengeld in Höhe von 33,24 EUR pro Tag, insgesamt somit 3.722,40 EUR.

Die Klägerin beantragte am 23. 7. 2011 bei der beklagten Gebietskrankenkasse die Gewährung von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld für ihre am 18. 6. 2011 geborene Tochter von Geburt an bis zur höchstmöglichen Bezugsdauer. Sie unterfertigte in der Folge am 8. 10. 2011 und am 12. 11. 2011 für den Fall der Verweigerung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes jeweils ein Formular mit dem „Antrag auf Umstieg von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld auf Pauschalvariante 12 + 2“ und übermittelte diese Anträge an die beklagte Partei. Für das Kind der Klägerin bezogen zuerst die Klägerin für die Zeit vom 13. 8. 2011 bis 30. 11. 2011 und anschließend der Vater vom 1. 12. 2011 bis 31. 1. 2012 Kinderbetreuungsgeld. Hinsichtlich der Höhe des Kinderbetreuungsgeldes für den Zeitraum ab 1. 2. 2012 ist ein Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien zur AZ 24 Cgs 75/12p anhängig (vgl dazu die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 10 ObS 42/13v vom heutigen Tag).

Die beklagte Partei teilte der Klägerin mit Schreiben vom 29. 12. 2011 mit, dass ihr Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für ihre Tochter A***** für den Zeitraum vom 13. 8. 2011 bis 30. 11. 2011 mit 33 EUR pro Tag bemessen wurde.

Die Klägerin begehrte von der beklagten Gebietskrankenkasse die Zahlung eines einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes in Höhe von 66 EUR pro Tag anstatt des bisher gewährten pauschalen Kinderbetreuungsgeldes in Höhe von 33 EUR pro Tag. Sie begehrte daher mit der vorliegenden Klage die Zahlung eines weiteren Kinderbetreuungsgeldes von insgesamt 5.398,56 EUR sA, und zwar 1.834,56 EUR an Differenz zwischen einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 66 EUR täglich und bezogenem Wochengeld in Höhe von 33,24 EUR täglich für den Zeitraum vom 18. 6. 2011 bis 12. 8. 2011 und 3.564 EUR an Differenz zwischen einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 66 EUR täglich und erhaltenem pauschalem Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 33 EUR täglich für den Zeitraum vom 13. 8. 2011 bis 30. 11. 2011.

Die beklagte Partei beantragte die Zurückweisung der Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs bzw hilfsweise die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht stellte fest, dass der Klägerin für den Zeitraum vom 13. 8. 2011 bis 30. 11. 2011 ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld von 66 EUR pro Tag zustehe, und verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung der im Zeitraum vom 13. 8. 2011 bis 30. 11. 2011 entstandenen Differenz an Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 5.398,56 EUR. Das Zinsenbegehren der Klägerin wies es unbekämpft ab. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, über die Nichtgewährung des von der Klägerin primär beantragten einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes sei von der beklagten Partei kein Bescheid erlassen worden, weshalb zum Zeitpunkt der Klageerhebung jedenfalls die Voraussetzungen für eine Säumnisklage iSd § 67 Abs 1 Z 2 ASGG vorgelegen seien. Ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld stehe einem Elternteil gemäß § 24 Abs 1 Z 2 KBGG zu, wenn er in den letzten sechs Kalendermonaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes durchgehend erwerbstätig iSd Abs 2 dieser Gesetzesstelle gewesen sei. Nach Abs 2 seien Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung während eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt. Auch der vertragliche Leistungsanspruch der Klägerin aus der Gruppen-Krankenversicherung auf eine dem gesetzlich geregelten Wochengeld vergleichbare Leistung sei zu berücksichtigen und einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit iSd § 24 Abs 2 KBGG gleichzuhalten, sodass die darin normierten Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung eines einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes erfüllt seien. Die Klägerin habe somit Anspruch auf den von ihr begehrten Differenzbetrag.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies ein Klagebegehren, es werde festgestellt, dass der Klägerin für den Zeitraum vom 13. 8. 2011 bis 30. 11. 2011 ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld von täglich 66 EUR zustehe, und die beklagte Partei sei verpflichtet, der Klägerin für den Zeitraum vom 13. 8. 2011 bis 30. 11. 2011 noch 5.398,56 EUR an Kinderbetreuungsgeld zu zahlen, ab. Es vertrat im Wesentlichen die Rechtsansicht, für den Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld nach § 24 KBGG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I 2009/116 sei primär entscheidend, dass der antragstellende Elternteil in den letzten sechs Kalendermonaten vor der Geburt durchgehend erwerbstätig im Sinne einer tatsächlichen Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gewesen sei. Gemäß § 24 Abs 2 zweiter Satz KBGG dürfe diese Erwerbstätigkeit (nur) vorübergehend unterbrochen werden, wobei im Gesetz und auch in den Gesetzesmaterialien beispielsweise das Beschäftigungsverbot nach dem MSchG oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften (zB LAG) sowie Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit zum Zweck der Kindererziehung während der Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG oder dem VKG oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften sowie Zeiten einer gewährten Betriebshilfe bzw eines gewährten Wochengeldes nach dem GSVG oder BSVG genannt seien. Sei die Erwerbstätigkeit hingegen beendet worden (zB das Dienstverhältnis aufgelöst oder das Gewerbe abgemeldet), könne ab diesem Zeitpunkt keinesfalls mehr von einer tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit ausgegangen werden.

Die Klägerin habe bereits vor der Geburt ihres Kindes auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet, was bei Vorliegen einer Pflichtversicherung gemäß § 7 Abs 4 Z 2 GSVG zu deren Beendigung mit dem Letzten dieses Kalendermonats (31. 5. 2011) geführt hätte. Die Klägerin hätte somit bei Bestehen einer Pflichtversicherung nach dem GSVG nicht die Voraussetzungen für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld gemäß § 24 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 KBGG erfüllt, weil sie in den letzten sechs Kalendermonaten unmittelbar vor der am 18. 6. 2011 erfolgten Geburt ihres Kindes nicht mehr einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Aufgrund ihres vorangegangenen Verzichts auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft, der unzweifelhaft dem in den Gesetzesmaterialien genannten Beispiel der Abmeldung des Gewerbes gleichzuhalten sei, lägen auch die in § 24 Abs 2 KBGG beispielsweise genannten gleichgestellten Ausnahmetatbestände nicht (mehr) vor, weil das aus der vertraglichen Gruppen-Krankenversicherung bezogene Wochengeld nicht zu einer vorübergehenden Unterbrechung ihrer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit geführt hätte, sondern zu einem Bezug dieser Leistung erst nach Beendigung derselben. Da die Ansprüche auf Wochengeld aus der gesetzlichen Sozialversicherung und der vertraglichen Gruppen-Krankenversicherung grundsätzlich gleich zu behandeln seien, könne für die Klägerin nichts anderes gelten. Würde man der von ihr vertretenen Rechtsansicht folgen, wäre sie durch ihren (zulässigen) Austritt aus der gesetzlichen Sozialversicherung besser gestellt als eine nach dem GSVG Pflichtversicherte.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob der Bezug von Wochengeld durch eine Rechtsanwältin aus einer gemäß § 50 Abs 4 RAO von einer Rechtsanwaltskammer abgeschlossenen vertraglichen Gruppen-Krankenversicherung zum Bezug eines Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens iSd § 24 Abs 1 Z 2 und Abs 2 KBGG berechtige, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer vollinhaltlichen Klagsstattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin vertritt in ihrem Rechtsmittel weiterhin - zusammengefasst - die Ansicht, es stehe ihr ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 66 EUR pro Tag zu, weil der Zeitraum, in dem sie Wochengeld gemäß dem Kranken-Gruppenversicherungs-vertrag der UNIQA Personenversicherung AG bezogen habe, „Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit während eines Beschäftigungsverbotes nach dem MSchG oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften“ gemäß § 24 Abs 2 KBGG gleichzusetzen sei und daher auch als „der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt“ gelten müsse.

Vor dem Eingehen auf diese Rechtsmittelausführungen ist darauf hinzuweisen, dass die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens ist.

Den Ausführungen der Klägerin ist Folgendes entgegenzuhalten:

1. Nach § 24 Abs 1 KBGG in der hier maßgebenden Fassung BGBl I 2009/116 hat ein Elternteil Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nach diesem Abschnitt („Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens“) für sein Kind, sofern

„1. die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Z 1, 2, 4 und 5 erfüllt sind,

2. dieser Elternteil in den letzten sechs Kalendermonaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes, für das Kinderbetreuungsgeld bezogen werden soll, durchgehend erwerbstätig gemäß Abs. 2 war, wobei sich Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Kalendertagen nicht anspruchsschädigend auswirken und

3. ... .“

1.1 Der Begriff der Erwerbstätigkeit ist legal definiert (§ 24 Abs 2 KBGG):

„Unter Erwerbstätigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes versteht man die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit. Als der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt gelten Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit während eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz 1979 (MSchG), BGBl. Nr. 221, oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, sowie Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit zum Zwecke der Kindererziehung während Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG oder Väter-Karenzgesetz (VKG), BGBl. Nr. 651/1989, oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, bis maximal zum Ablauf des zweiten Lebensjahres eines Kindes.“

1.2 Nach den Gesetzesmaterialien (RV 340 BlgNR 24. GP 16 f) steht das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld nur vor der Geburt tatsächlich erwerbstätigen Eltern offen. Die Erwerbstätigkeit muss durchgehend in den letzten sechs Monaten vor Geburt tatsächlich ausgeübt werden, wobei sehr geringfügige Unterbrechungen (das sind solche von bis zu 14 Tagen) zulässig sind. Keine Unterbrechung der tatsächlichen Ausübung der Erwerbstätigkeit stellen Zeiten des Erholungsurlaubs oder der Krankheit dar (unter der Voraussetzung, dass die Sozialversicherungspflicht aus der Erwerbstätigkeit aufrecht bleibt, wie es etwa bei arbeitsrechtlicher Entgeltfortzahlung der Fall ist).

Zeiten des Beschäftigungsverbots nach MSchG (Mutterschutz) werden Zeiten der tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt. Ebenso fallen darunter Beschäftigungsverbote nach anderen gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften (zB LAG), dazu gehören aber auch Zeiten der dem Beschäftigungsverbot vergleichbaren Situation etwa einer Landwirtin, Selbständigen oder Gewerbetreibenden mit nach GSVG oder BSVG für diese Zeiten gewährter Betriebshilfe bzw gewährtem Wochengeld. Weiters gelten Zeiträume, in denen die Erwerbstätigkeit unterbrochen wurde, um sich der Kindererziehung zu widmen, als der tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt, sofern es sich um Zeiten der gesetzlichen Karenz nach dem MSchG oder VKG handelt (aufrechtes, ruhendes Dienstverhältnis). Darunter fällt auch eine der einer Karenz nach MSchG und VKG nachgebildeten Karenz nach anderen gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften (zB LAG), dazu gehören aber auch Zeiten der einer solchen Karenz vergleichbaren Situation, etwa die einer Selbständigen oder Gewerbetreibenden, die ihr Gewerbe anlässlich der Geburt eines Kindes zum Zwecke der Kindererziehung ruhend meldet (nicht jedoch abmeldet). Wurde die Erwerbstätigkeit beendet (zB das Dienstverhältnis aufgelöst oder das Gewerbe abgemeldet), so kann ab dem Zeitpunkt keinesfalls mehr von einer tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit ausgegangen werden.

2. Die Revisionswerberin begehrt die Gleichstellung zu Selbständigen, denen Wochengeld nach dem GSVG gewährt wurde, weil die Zeit vom 23. 4. 2011 bis 12. 8. 2011, in der sie Wochengeld bezogen habe, gemäß § 24 Abs 2 KBGG Zeiten der tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichzustellen sei.

3. Es trifft zwar zu, dass der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 10 ObS 72/11b im Hinblick auf den Regelungszweck des § 6 Abs 1 KBGG (Vermeidung einer Mehrfachversorgung aus den Maßnahmen der sozialen Sicherheit) ausgeführt hat, dass auch das von einer Rechtsanwältin aufgrund ihres Beitritts zu einer durch die Rechtsanwaltskammer abgeschlossenen Gruppen-Krankenversicherung bezogene (vertragliche) Wochengeld in Bezug auf die Frage eines allfälligen Ruhens des Kinderbetreuungsgeldes gemäß § 6 Abs 1 KBGG einem Wochengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung gleichzuhalten ist. Für den Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld ist aber nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts gemäß § 24 Abs 1 Z 2 und Abs 2 erster Satz KBGG primär Voraussetzung, dass der antragstellende Elternteil in den letzten sechs Kalendermonaten vor der Geburt durchgehend erwerbstätig im Sinne einer tatsächlichen Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gewesen ist, wobei sich Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Kalendertagen nicht schädlich auf einen allfälligen Anspruch auswirken. Dass die Klägerin diese Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt, weil ihr Kind am 18. 6. 2011 geboren wurde, sie aber ihre Erwerbstätigkeit durch ihren Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft bereits mit 15. 5. 2011 beendet hatte, ist nicht strittig.

3.1 Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 10 ObS 170/11i ausgeführt hat, sind nach dem eindeutigen Wortlaut des § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG Zeiten eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG (oder nach gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften) der Ausübung der sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nicht schlechthin gleichgestellt, sondern nur „Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit“ während eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG (oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften). Nichts anderes kann für Zeiten der dem Beschäftigungsverbot nach dem MSchG vergleichbaren Situation etwa einer Gewerbetreibenden mit nach GSVG für diese Zeiten gewährter Betriebshilfe bzw gewährtem Wochengeld gelten. Für die Inanspruchnahme des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes muss daher jedenfalls eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit (wie zB ein Dienstverhältnis oder ein aufrechtes Gewerbe) bestehen, welche im Zeitraum des Bezugs des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes vorüber-gehend unterbrochen wird, da nur eine bestehende Erwerbstätigkeit „vorübergehend unterbrochen werden kann“. Von einer durchgehenden Erwerbstätigkeit kann daher auch dann nicht mehr die Rede sein, wenn zwar ein individuelles Beschäftigungsverbot der Schwangeren noch zur Zeit eines aufrechten Dienstverhältnisses beginnt, dieses aber bereits vor der Geburt endet, weil dann keine bloß vorübergehende Unterbrechung der Erwerbstätigkeit gegeben ist (RIS-Justiz RS0127745).

3.2 Zutreffend ist daher das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass keinesfalls mehr von einer tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit - aber auch nicht von einer bloß vorübergehenden Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit - ausgegangen werden kann, wenn die Klägerin - wie im vorliegenden Fall durch ihren Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft mit 15. 5. 2011 und die damit verbundene Streichung aus der Liste der Rechtsanwaltskammer Wien - ihre Erwerbstätigkeit bereits zuvor beendet hatte. Ab diesem Zeitpunkt kann nicht mehr von einer weiteren „tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit“ gesprochen werden. Diese Auslegung nach dem Wortlaut der Bestimmung wird auch durch die bereits zitierten Gesetzesmaterialien (RV 340 BlgNR 24. GP 17) gestützt, wonach keinesfalls mehr von einer tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit ausgegangen werden kann, wenn die Erwerbstätigkeit beendet wurde (zB das Dienstverhältnis aufgelöst oder das Gewerbe abgemeldet wurde). Der Verzicht der Klägerin auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft ist einer Abmeldung des Gewerbes gleichzuhalten.

4. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen für die Gewährung eines einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes nach § 24 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 KBGG, steht somit im Einklang mit dem eindeutigen Gesetzeswortlaut, den zitierten Materialien und der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in vergleichbaren Fällen (10 ObS 170/11i; 10 ObS 110/12t).

5. Der Oberste Gerichtshof hat in diesen beiden zuletzt erwähnten Entscheidungen auch bereits zur Frage der Verfassungsgemäßheit der Anspruchsvoraussetzung nach § 24 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 KBGG Stellung genommen. Die Anspruchsvoraussetzung, dass der Elternteil, der das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld beziehen will, in den letzten sechs Monaten vor der Geburt einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sein muss, wurde als sachlich begründet erachtet, weil das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld den Zweck hat, als „teilweiser“ Ersatz für den Entfall des früheren Einkommens jenen Elternteilen, die vor der Geburt über ein relativ hohes Einkommen verfügt haben, die Möglichkeit zu geben, trotz kurzzeitigem Rückzug aus dem Erwerbsleben den bisherigen Lebensstandard zu halten (RIS-Justiz RS0127744). Es ist dem Gesetzgeber unbenommen, neben dem pauschalen Kinderbetreuungsgeld auch ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld zu schaffen und dabei die einkommensabhängige Variante an das Vorliegen einer aufrechten Erwerbstätigkeit zu knüpfen (10 ObS 110/12t).

5.1 Soweit die Revisionswerberin die Ansicht vertritt, sie würde gegenüber anderen Personen innerhalb der Gruppe der Selbständigen unsachlich benachteiligt, weil eine selbständige Rechtsanwältin mit nach dem GSVG gewährtem Wochengeld in einer vergleichbaren Situation Anspruch auf ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld hätte, ist ihr mit den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung entgegenzuhalten, dass eine solche Benachteiligung nicht vorliegt. Nach GSVG in der Krankenversicherung pflichtversicherten Frauen gebührt nach § 102a GSVG in den Zeiten, in denen Dienstnehmer Wochengeld nach dem ASVG beziehen können, anstelle des Wochengeldes je nach Verfügbarkeit die Sachleistung einer Betriebshilfe. Die Betriebshilfe soll selbständig erwerbstätigen Frauen im Fall der Mutterschaft die Freistellung von betrieblichen Tätigkeiten erleichtern. Ist die Leistung von Betriebshilfe nicht möglich, gebührt den versicherten Frauen ebenfalls ein tägliches Wochengeld, welches aber im Gegensatz zu Unselbständigen nicht dem Entgeltersatz, sondern der Bezahlung einer die Versicherte entlastenden betriebsfremden Kraft dient (vgl Drs in SV-Komm § 162 ASVG Rz 80 ff mwN). Eine nach GSVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Frau in der Situation der Klägerin hätte daher nach Beendigung der selbständigen Erwerbstätigkeit keinen Anspruch auf Wochengeld und mangels aufrechter Erwerbstätigkeit auch keinen Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld. Die Situation der Klägerin ist daher auch nicht mit der einer Dienstnehmerin vergleichbar, die sich in einem aufrechten Dienstverhältnis befindet, sondern eher mit einer Wochengeldbezieherin, deren Dienstverhältnis bereits zuvor beendet wurde, und die ebenfalls mangels aufrechter Erwerbstätigkeit keinen Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld hat (vgl 10 ObS 170/11i; 10 ObS 110/12t).

5.2 Zutreffend verweist die beklagte Partei auch darauf, dass entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin aus dem tatsächlichen Bezug von Wochengeld oder einer vergleichbaren Leistung nicht zugleich auch das Vorliegen einer Erwerbstätigkeit ableitbar ist, da viele nicht erwerbstätige, arbeitslose Frauen ein Wochengeld beziehen können (zB Bezieherinnen von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe usw), diese jedoch später keinen Anspruch auf das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld haben.

5.3 Soweit die Revisionswerberin offenbar auch die Ansicht vertritt, bei anderen gewerbetreibenden Frauen sei mit einer Ruhendstellung des Gewerbes vor der Geburt das Erfordernis der tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit erfüllt, während für sie diese Möglichkeit nach den Statuten der Rechtsanwaltskammer Wien nicht bestehe, ist ihr mit den Ausführungen der beklagten Partei entgegenzuhalten, dass auch andere selbständige Frauen bei einer Ruhendstellung ihres Gewerbes keinen Anspruch auf sozialversicherungsrechtliche Leistungen wie Betriebshilfe oder Wochengeld haben und der Hinweis in den Gesetzesmaterialien (RV 340 BlgNR 24. GP 16) zur Ruhendmeldung des Gewerbes auch nach den eigenen Ausführungen der Revisionswerberin nur die Fälle einer Karenz nach dem MSchG, VKG oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, also die Beurteilung der Erfüllung des Erwerbstätigkeitserfordernisses für ein zweites Kind betrifft, wenn der Elternteil unmittelbar davor wegen des ersten Kindes in Karenz war. Auch aus diesen Ausführungen der Revisionswerberin lässt sich daher für ihren Rechtsstandpunkt im vorliegenden Verfahren nichts gewinnen.

6. Da die Klägerin somit nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes gemäß § 24 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 KBGG nicht erfüllt, musste ihre Revision erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren beruht hinsichtlich der Klägerin auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin, die einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Die beklagte Partei als Versicherungsträger iSd § 77 Abs 1 Z 1 ASGG hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens selbst zu tragen.

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