OGH 1Ob37/13t

OGH1Ob37/13t11.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** S*****, vertreten durch Mag. Heinz Kupferschmid und Mag. Gerhard Kuntner Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei W***** G*****, Spanien, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Mag. Werner Diebald und Mag. Kuno Krommer, Rechtsanwälte in Köflach, wegen 19.080 EUR sA, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 10. Jänner 2013, GZ 3 R 239/12k-16, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 26. November 2012, GZ 41 Cg 87/12a-12, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.189,44 EUR (darin enthalten 198,24 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revisionsrekurs ist entgegen dem nach § 526 Abs 2 zweiter Satz ZPO nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

2. Die Klägerin ist als selbständige Immobilienmaklerin mit Sitz in Graz tätig und betreibt im Rahmen dieser Tätigkeit zwei „websites“, deren Bezeichnung mit „www“ beginnt und auf „at“ endet. Diese werden durch den Nachnamen der Klägerin bzw den Hinweis auf eine Region eines österreichischen Bundeslands jeweils in Verbindung mit dem Wort „Immobilien“ näher charakterisiert. Es werden auf den Internetseiten diverse Wohnungen und Häuser angeboten und die Kontaktdaten der Maklerin (Adresse, Mobiltelefonnummer, Büronummer und Fax) „uneingeschränkt“ zur Verfügung gestellt. Im Angebot fand sich auch eine Liegenschaft in Kroatien. Die Klägerin sollte für den Beklagten eine Liegenschaft in der Steiermark verkaufen. Das Geschäft wurde in Österreich abgewickelt. Mit der am 1. 6. 2012 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin ihre Maklerprovision. Sie berief sich auf den Zuständigkeitstatbestand des Erfüllungsorts im Sinne des Art 5 Nr 1 lit a der Verordnung (EG) 2001/44 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage in Österreich wohnte der Beklagte bereits in Spanien.

3. Einziges Thema des Revisionsrekurses ist die Frage, ob die klagende Immobilienmaklerin mit ihrem Auftritt im Internet die Voraussetzungen des Art 15 Nr 1 lit c zweite Alternative EuGVVO erfüllt (Ausrichtung der Tätigkeit des Gewerbetreibenden [auch] auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers).

4. In den verbundenen Rechtssachen C-585/08 und C-144/09, Pammer/Schlüter und Alpenhof/Heller, hat der EuGH mit Urteil vom 7. 12. 2010 folgende Kriterien (wiedergegeben auch zu RIS-Justiz RS0125001 [T2]) als geeignete Anhaltspunkte für die Ausrichtung der im Internet präsentierten Tätigkeit eines Gewerbetreibenden auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers (nicht erschöpfend) aufgezählt: Den internationalen Charakter der Tätigkeit, die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen von anderen Mitgliedstaaten aus zu dem Ort, an dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung mit der Möglichkeit der Buchung und Buchungsbestätigung in dieser anderen Sprache, die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl, die Tätigung von Ausgaben für einen Internetreferenzierungsdienst, um in anderen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang zur Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers zu erleichtern, die Verwendung eines anderen Domainnamens oberster Stufe als desjenigen des Mitgliedstaats der Niederlassung des Gewerbetreibenden und die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt (Rn 93). Die bloße Zugänglichkeit der Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, sah der EuGH ebenso wenig als ausreichend an wie die Angabe einer elektronischen Adresse oder anderer Adressdaten oder die Verwendung einer Sprache oder Währung, die in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden die üblicherweise verwendete Sprache und/oder Währung sind (Rn 94).

5. Die Entscheidung des Rekursgerichts, das im Gegensatz zum Erstgericht ein Ausrichten der Tätigkeit der Klägerin auf Spanien als den Wohnsitzstaat des Beklagten verneinte und die Einrede der fehlenden internationalen und örtlichen Zuständigkeit verwarf, steht im Einklang mit dieser (schon vom Gericht zweiter Instanz zitierten) Judikatur des Europäischen Gerichtshofs. Nach den Feststellungen des Erstgerichts besteht abgesehen vom Auftritt im „worldwide web“ der einzige internationale Bezug des Internetauftritts der klagenden Immobilienmaklerin im Angebot einer Liegenschaft in Kroatien, das nicht Mitglied der Europäischen Union ist. Der im Revisionsrekurs des Beklagten behauptete weltweite oder zumindest europaweite Bekanntheitsgrad der „Südsteiermark“ und deren Anziehungskraft auf „internationale“ Käufer ist kein hinreichender Anhaltspunkt für das Ausrichten der Tätigkeit der Klägerin auf sämtliche Mitgliedstaaten einschließlich Spaniens. Seine pauschalen Argumente zur aufgrund der Aufmachung der Internetseiten („vgl internationale Objekte, internationale Telefonvorwahlen, Werbung mit bekannten internationalen Gebäuden, kein Hinweis auf lediglich regionale Tätigkeit etc“) „evidenten Internationalität“ sind unzulässige Neuerungen. Im Verfahren erster Instanz begründete er die Einrede der fehlenden internationalen Zuständigkeit zunächst ausschließlich mit der Behauptung, er sei Verbraucher, habe seinen Wohnsitz in Spanien und dürfe nach Art 16 Nr 2 EuGVVO nur in diesem Staat geklagt werden. In seinem ergänzenden Vorbringen verwies er zwar darauf, dass die Klägerin ihre Dienstleistungen auf einer weltweit oder zumindest im Raum der EU abrufbaren „website“ anbiete. Zur Aufmachung dieses Internetauftritts, insbesondere im Sinn der nunmehr im Revisionsrekurs behaupteten Internationalität, fand sich in seinem Vorbringen aber kein Wort.

6. Sind aufgrund der festgestellten Gestaltung des konkreten Internetauftritts die Kriterien für ein Ausrichten im Sinne des Art 15 Nr 1 lit c EuGVVO nicht verwirklicht, stellt sich die dem Ausspruch des Rekursgerichts zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses zugrunde gelegte Frage, ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem Ausrichten und dem Vertragsabschluss bestehen muss, ohnehin nicht.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in der Revisionsrekursbeantwortung auf die fehlende Zulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.

Stichworte