OGH 2Ob48/13t

OGH2Ob48/13t4.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj R***** A*****, geboren am *****, über den Rekurs des Vaters Mag. M***** A*****, vertreten durch Mag. Rainer Rienmüller, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 14. Jänner 2013, GZ 11 Nc 22/12p, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0020OB00048.13T.0404.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Die Ehe der Eltern Mag. M***** A***** und P***** A***** wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Leitha vom 15. 6. 2005 im Einvernehmen geschieden. Der Ehe entstammen der mj Sohn R***** A*****, geboren am *****1998, und die mj Tochter T*****, geboren am ***** 2003. Im Scheidungsvergleich vereinbarten die Eltern die gemeinsame Obsorge für beide Kinder. Diese Vereinbarung wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Leitha vom 18. 10. 2005 pflegschaftsbehördlich genehmigt. Damals befand sich der hauptsächliche Aufenthalt beider Kinder bei der Mutter im Sprengel des Bezirksgerichts Bruck an der Leitha. Seit 2010 ist der hauptsächliche Aufenthaltsort des Sohnes beim Vater in Wien‑Floridsdorf. Im April 2012 stellte die Mutter für die Tochter einen Unterhaltserhöhungsantrag, dem der Vater entgegentrat. Im Juni 2012 beantragte der Vater, die Mutter zur Unterhaltsleistung für den Sohn zu verpflichten.

Am 19. 9. 2012 übertrug das Bezirksgericht Bruck an der Leitha die Pflegschaftssache für den Sohn an das Bezirksgericht Floridsdorf gemäß § 111 JN. Dieses verweigerte die Übernahme.

Das Oberlandesgericht Wien als das beiden Gerichten zunächst übergeordnete Gericht im Sinn des § 111 Abs 2 Satz 2 JN genehmigte die Übertragung an das Bezirksgericht Floridsdorf nicht. Ausschlaggebendes Kriterium einer Zuständigkeitsübertragung nach § 111 Abs 1 JN sei das Kindeswohl. Wenngleich im Allgemeinen das Gericht am besten geeignet sei, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt habe und offene Anträge der Übertragung nur in Ausnahmefällen entgegenstünden, sei im vorliegenden Fall die Entscheidung über den noch nicht erledigten Unterhaltsantrag des Sohnes durch das Bezirksgericht Bruck an der Leitha zweckmäßiger. Die Eltern hätten nach wie vor die gemeinsame Obsorge für beide Kinder. Es sei nicht zweckmäßig, die Pflegschaft für die beiden Geschwister bei verschiedenen Gerichten zu führen. Ein gewisser Aufwand für die Fahrt zum Bezirksgericht Bruck an der Leitha ließe sich im Übrigen für den Vater auch bei Übertragung der Zuständigkeit wegen der dort verbliebenen Zuständigkeit für die Tochter nicht vermeiden. Für die Unterhaltsanträge für beide Kinder seien Erhebungen durchzuführen und Gespräche mit beiden Antragstellern zu führen, sodass die Führung beider Pflegschaftsverfahren bei einem Gericht zweckmäßig sei. Die Eltern seien so mit nur jeweils einem Gerichtsbesuch in beiden Unterhaltsfällen belastet. Ersparte Zeit und Mühe des gesetzlichen Vertreters komme auch dem Kind zugute. Die Führung beider Pflegschaftssachen beim Bezirksgericht Bruck an der Leitha entspreche eher dem Kindeswohl.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Vaters mit dem Antrag, die Übertragung der Zuständigkeit der Pflegschaftssache für den Sohn an das Bezirksgericht Floridsdorf zu genehmigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Rekurswerber kann grundsätzlich auf die zutreffenden Erwägungen des Oberlandesgerichts Wien im angefochtenen Beschluss verwiesen werden, die folgendermaßen ergänzt werden:

Weil das Bezirksgericht Bruck an der Leitha bereits mit der einvernehmlichen Scheidung der Eltern, der damit verbundenen Regelung des Kindesunterhalts und der Obsorge sowie mit dem Antrag auf Erhöhung der Unterhaltspflicht für die Tochter befasst war und ist, ist davon auszugehen, dass das übertragende Gericht über entsprechende Sachkenntnis verfügt, weshalb eine Übertragung nicht zum Wohl des Kindes erfolgen würde (vgl RIS‑Justiz RS0047032 [T19]). Die Verlagerung des Lebensmittelpunkts eines Pflegebefohlenen rechtfertigt für sich allein im Allgemeinen noch keine Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN (RIS‑Justiz RS0047074 [T6]). Eine Aufsplitterung des Pflegschaftsverfahrens für mehrere Kinder aus einer Ehe soll tunlich vermieden werden (RIS‑Justiz RS0047074 [T3]). Bei den Geschwistern sind Maßnahmen aufeinander abzustimmen und werden Informationen aus der einen Pflegschaftssache auch für die andere benötigt. Die (wegen der für die Tochter verbliebenen Zuständigkeit des Bezirksgerichts Bruck an der Leitha auch sonst weiter notwendige) Anfahrt nach Bruck an der Leitha ist im vorliegenden Fall auch angesichts der guten Verkehrsverbindungen von Wien aus (Bahn, Autobahn) kein entscheidendes Kriterium.

Auch die laut Rekursvorbringen von der Mutter gegen den Vater beim Bezirksgericht Floridsdorf im Zusammenhang mit dem nachehelichen Unterhalt eingebrachte Stufenklage bietet keinen Grund für eine andere Beurteilung: Die Frage, ob und inwiefern die Verfahrensergebnisse (Sachverständigengutachten) dieses Verfahrens in den Unterhaltsverfahren für die Kinder (und umgekehrt) verwertet werden können, hat nichts damit zu tun, bei welchem Gericht diese Verfahren geführt werden bzw ob diese Verfahren beim selben Gericht geführt werden.

Stichworte