OGH 2Nc5/13b

OGH2Nc5/13b28.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen L***** S***** P*****, geboren am *****, aufgrund der vom Bezirksgericht Graz-Ost verfügten Vorlage des Aktes 231 P 66/10g zur Entscheidung gemäß § 111 JN, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 27. November 2012, GZ 231 PS 66/10g-43, verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien wird genehmigt.

Text

Begründung

Am 10. 1. 2012 beantragte der in Bregenz lebende Vater, ihm ein Besuchsrecht zur Minderjährigen einzuräumen. Die mittlerweile in Graz lebende Mutter sprach sich dagegen aus. In der Folge bestellte das Bezirksgericht Graz-Ost eine Sachverständige. Zu einer Begutachtung kam es aber wegen eines Rechtsmittelverfahrens bis zum Herbst 2012 nicht. Dann stellte sich heraus, dass die Mutter mit der Minderjährigen zwischenzeitig nach Wien verzogen war, weshalb das Bezirksgericht Graz-Ost beschloss, die Sache gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu übertragen. Dieser Beschluss wurde beiden Elternteilen zugestellt. Ein Rechtsmittel wurde nicht erhoben.

Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien verweigerte die Übernahme unter Hinweis auf den offenen Besuchsrechtsantrag, worauf das Bezirksgericht Graz-Ost den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorlegte.

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Minderjährigen oder sonstigen Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere, wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird.

2. Lehnt dieses Gericht die Übernahme ab, was auch ohne formellen Beschluss geschehen kann und wozu es genügt, dass es seine Weigerung dem übertragenden Gericht kundtut, so ist der Übertragungsbeschluss den Parteien zuzustellen und seine Rechtskraft abzuwarten. Danach ist der Akt dem gemeinsam übergeordneten Gericht zur Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN vorzulegen (Mayr in Rechberger ZPO³ § 111 JN Rz 6 mwN).

3. Offene Anträge hindern eine Übertragung grundsätzlich nicht, doch kann im Einzelfall eine Entscheidung durch das schon bisher zuständige Gericht zweckmäßiger sein (Mayr aaO Rz 4).

4. Im vorliegenden Fall hat das übertragende Gericht zum Besuchsrecht zwar die Eltern einvernommen und Stellungnahmen eingeholt, das Sachverständigengutachten zur Frage der Festlegung des Besuchsrechts im Sinne des Kindeswohls konnte aber bislang nicht eingeholt werden, sodass noch ein wesentliches Beweismittel fehlt.

Da sich mittlerweile weder das minderjährige Kind noch seine Eltern in Graz aufhalten, ist eine Belassung der Pflegschaftssache beim übertragenden Gericht auch nicht der wirksamen Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes dienlich.

Stichworte