Spruch:
1./ Im Verfahren AZ 14 Hv 43/11v des Landesgerichts Klagenfurt verletzt das Urteil vom 28. April 2011 (ON 10) im Schuldspruch III./1./ durch Unterlassung von eine Straflosigkeit nach § 299 Abs 3 StGB ausschließenden Feststellungen § 270 Abs 4 Z 2 StPO iVm § 488 Abs 1 StPO.
Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch III./1./ und demzufolge auch in dem Marijana M***** betreffenden Strafausspruch aufgehoben.
2./ Zu den im angeführten Urteil ergangenen Schuldsprüchen II./1./ und 2./ wird im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Strafverfahrens verfügt.
Das Urteil, das in den Schuldsprüchen I./ und III./2./ unberührt bleibt, wird in der zu II./ getroffenen Annahme, Marijana M***** und Azra K***** hätten am 28. September 2010 als Zeugen in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor Beamten der Polizeiinspektion V***** bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, und in der darauf gegründeten rechtlichen Beurteilung der Tat als Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4 StGB ersatzlos sowie demzufolge auch in dem Azra K***** betreffenden Strafausspruch aufgehoben.
Hinsichtlich des aufgehobenen Schuldspruchs III./1./ betreffend Marijana M***** sowie zur Strafneubemessung für die Marijana M***** (I./) und Azra K***** (III./2./) weiterhin zur Last liegenden Vergehen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.
Text
Gründe:
Mit gekürzt ausgefertigtem Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 28. April 2011, GZ 14 Hv 43/11v-10, wurden Marijana M***** (vormals S*****) und Azra K***** strafantragskonform jeweils der Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB (II./1./ und 2./) und der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB (III./1./ und 2./), Marijana M***** darüber hinaus des Vergehens der Unterlassung der Hilfeleistung nach § 95 Abs 1 erster Fall StGB (I./) schuldig erkannt und hiefür (ersichtlich unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB) jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt (ON 10).
Danach haben (soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes und den Antrag auf außerordentliche Wiederaufnahme des Verfahrens von Bedeutung) in K*****
II./ am 28. September 2010 als Zeugin in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor Beamten der Polizeiinspektion V***** bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache in Bezug auf einen Vorfall vom 4. September 2010, falsch ausgesagt, und zwar
1./ Marijana M***** und
2./ Azra K***** durch jeweils im Urteil genau bezeichnete Angaben;
III./ am 28. September 2010 eine derzeit nicht bekannte Person, die eine vorsätzliche schwere Körperverletzung, sohin eine mit Strafe bedrohte Handlung, begangen hatte, der Verfolgung absichtlich ganz entzogen, und zwar
1./ Marijana S***** (richtig: M*****), indem sie den bisher unbekannten Täter am 4. September 2010 vom Tatort in der S***** mit ihrem Pkw wegführte sowie durch die zu Punkt II./1./ angeführten falschen Bekundungen;
2./ Azra K***** durch die zu Punkt II./2./ angeführten falschen Bekundungen.
Darüber hinausgehende Feststellungen zum Tathergang enthält das unangefochten in Rechtskraft erwachsene und gekürzt ausgefertigte Urteil nicht.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht das bezeichnete Urteil im Schuldspruch III./1./ mit dem Gesetz nicht im Einklang. Bei der über Antrag der Generalprokuratur vorgenommenen Prüfung der Akten ergeben sich tatsächlich erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldsprüchen II./1./ und 2./ zugrunde gelegten Tatsachen.
Nach der auch für die Verhandlung vor dem Einzelrichter geltenden (§ 488 Abs 1 StPO) Bestimmung des § 270 Abs 4 StPO hat eine - unter den in dieser Vorschrift genannten, hier vorgelegenen Voraussetzungen zulässige - gekürzte Urteilsausfertigung die in § 270 Abs 2 StPO genannten Angaben mit Ausnahme der Entscheidungsgründe zu enthalten, also auch die Inhaltserfordernisse nach § 260 StPO (§ 270 Abs 4 Z 1 StPO) sowie im Falle einer Verurteilung die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung (§ 270 Abs 4 Z 2 StPO). Im Urteilstenor, der bei gekürzter Urteilsausfertigung die fehlenden Entscheidungsgründe als Bezugspunkt für die materiell-rechtliche Beurteilung ersetzt, ist sohin auszusprechen, welcher Tat der Angeklagte schuldig befunden worden ist, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände, worunter nichts anderes zu verstehen ist, als die für die Subsumtion entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO). Dazu zählen auch Feststellungen zur Beseitigung eines in tatsächlicher Hinsicht konstatierten Ausnahmesatzes oder durch in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse indizierte Feststellungen zu einem Ausnahmesatz (RIS-Justiz RS0125764). Aus der gekürzten Urteilsausfertigung müssen auch die eine scheinbar bestehende Privilegierung ausschließenden Tatumstände ausdrücklich hervorgehen (RIS-Justiz RS0101786 [T5]).
Trotz der eine Straflosigkeit nach § 299 Abs 3 StGB indizierenden Verantwortung der Marijana M***** in der Hauptverhandlung vom 28. April 2011, wonach es sich bei dem laut Schuldspruch III./ Begünstigten um ihren Cousin Goran O***** (ON 9 S 5) gehandelt habe, unterließ es das Erstgericht, Feststellungen zum Ausschluss der in Rede stehende Privilegierung zu treffen.
In Bezug auf diese Gesetzesverletzung zum Schuldspruch III./1./ sah sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 292 letzter Satz StPO veranlasst, ihre Feststellung im aufgezeigten Umfang auch mit konkreter Wirkung zu verknüpfen.
Die den Schuldsprüchen II./1./ und 2./ zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen begegnen deshalb erheblichen Bedenken (§ 362 Abs 1 Z 2 StPO), weil Marijana M***** und Azra K***** die inkriminierten Aussagen nach der Aktenlage nicht als Zeugen, sondern als Beschuldigte ablegten (ON 2 S 21 f und S 25 f). Zeugen sind aber vom Beschuldigten im Strafverfahren verschiedene physische Personen, die vor Gericht bzw im Ermittlungsverfahren vor der Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft unter Wahrheitspflicht Wahrnehmungen über Tatsachen angeben, wobei für die Zeugenstellung allein die formelle prozessuale Position des Vernommenen maßgebend ist (Plöchl/Seidl in WK2 § 288 Rz 15).
Demnach war, soweit die Angeklagten zu II./1./ und 2./ des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4 StGB schuldig erkannt wurden, die Wiederaufnahme des Verfahrens im außerordentlichen Weg zu verfügen.
Das Urteil, das in den Schuldsprüchen I./ und III./2./ unberührt zu bleiben hatte, war gemäß § 362 Abs 2 StPO in den zum Schuldspruchpunkt getroffenen Annahmen, Marijana M***** und Azra K***** hätten als Zeugen in einem Ermittlungsverfahren falsch ausgesagt, und in der darauf gegründeten rechtlichen Unterstellung der Tat unter das Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4 StGB (im Hinblick auf das in Idealkonkurrenz begangene Vergehen der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB nur) ersatzlos aufzuheben, demzufolge auch der Strafausspruch zu kassieren und die Sache in diesem Umfang bzw in Bezug auf Azra K***** zur Strafneubemessung für das ihr weiterhin zur Last liegende Vergehen der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB (III./2./) an den Einzelrichter des Landesgerichts Klagenfurt zu verweisen.
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