European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0080OB00080.12S.0304.000
Spruch:
Beide Rekurse werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rekursverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Begründung:
Die Streitteile schlossen im ersten Quartal des Jahres 2000 einen Werkvertrag, mit dem sich die Klägerin verpflichtete, von ihr selbst nach den Wünschen der Beklagten angefertigte Fenster und Türen in ein von den Beklagten im Jahr 1999 neu gebautes Einfamilienhaus einzubauen. Der Einbau erfolgte im Frühjahr 2000.
In weiterer Folge zeigten sich verschiedene, teils wesentliche Mängel an Fenstern und Türen, deren Behebung der Klägerin nicht gelang. Mit Schreiben vom 11. 4. 2003 erklärten daraufhin die Beklagten den Rücktritt vom Vertrag, weil die Außenfenster und ‑türen nach mehrfachen Verbesserungsversuchen nicht dicht waren, Kondensat zur Schimmelbildung führte und sich die Gehrungsverbindungen der Fensterstöcke und ‑flügel bewegten bzw öffneten. Die auch nach den Mängelbehebungsversuchen der Klägerin bestehenden schweren Mängel, die die Funktionstüchtigkeit der Fenster und Türen beeinträchtigen, können nur durch einen Tausch bzw eine gründliche werkstättenmäßige Überarbeitung der Elemente behoben werden.
Die Klägerin , die ursprünglich die Zahlung von Werklohn von 35.000 EUR begehrt hatte, begehrte den Klagebetrag zuletzt aus dem Titel der Bereicherung, zumal der Nutzen der Beklagten, den sie durch die Fenster erzielt hätten, insgesamt (einschließlich des erzielten Zinsvorteils) diesen Betrag erreiche. Der den Beklagten erwachsene Nutzen könne unter Anwendung des § 273 ZPO bemessen werden.
Die Beklagten wendeten dagegen zusammengefasst ein, dass das für die Benützung der mangelhaften Fenster und Türen angemessene Entgelt für den Zeitraum 2001 bis 2008 maximal 2.800 EUR betrage. Auch die Beklagten verwiesen in ihrem Vorbringen auf § 273 ZPO.
Das Erstgericht erkannte im zweiten Rechtsgang die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin 17.000 EUR sA zu zahlen und wies das Mehrbegehren von 18.000 EUR sA ab. Die von der Klägerin produzierten und eingebauten Fenster wiesen schwere Mängel auf, die die Klägerin auch in mehrmaligen Verbesserungsversuchen nicht beheben habe können. Die Beklagten seien am 11. 4. 2003 berechtigt vom Vertrag zurückgetreten. Der Klägerin stehe daher weder die ursprünglich begehrte Werklohnforderung noch eine weitere Forderung aus einer Rechnung für Einstellarbeiten vom 30. 12. 2000 zu. Die Beklagten müssten hingegen den durch den Einbau der Fenster und Türen verschafften Nutzen abgelten. Dieser sei im Wege einer Ermessensentscheidung nach § 273 ZPO, der sich die Parteien unterworfen hätten, mit 17.000 EUR festzusetzen.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil über Berufung beider Seiten auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Auf den vor dem 1. 1. 2002 abgeschlossenen Werkvertrag sei das damals geltende Gewährleistungsrecht anzuwenden. Die Beklagten, die keinen Werklohn bezahlt hätten, hätten am 11. 4. 2003 berechtigt die Wandlung des Vertrags erklärt. Wer mit seinem Wandlungsbegehren durchdringe, habe gemäß § 877 ABGB alles zurückzustellen, was er aus dem Vertrag zu seinem Vorteil erhalten habe. Der Benützer habe ein dem verschafften Nutzen angemessenes Entgelt nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zu zahlen. Redliche Benützer wie die Beklagten hätten dabei jenen Vorteil zu vergüten, der ihnen nach ihren subjektiven Verhältnissen entstanden sei. Hier könnten jedoch die im Haus der Beklagten eingebauten Fenster und Türen ihrer Natur nach nicht oder doch nur mit einem wirtschaftlich nicht vertretbaren Aufwand zurückgestellt werden. Weder die Klägerin noch die Beklagten beabsichtigten eine solche Zurückstellung, sodass sich im konkreten Fall die Frage der Zahlung eines Nutzungsentgelts bis zum Austausch der vertragswidrigen Leistung nicht stelle. Die Unmöglichkeit oder Untunlichkeit der Rückstellung hindere die Wandlung nicht; der Werkunternehmer solle aber keinen Nachteil daraus haben, dass der Besteller das Empfangene nicht zurückstellen könne. Der Gewährleistungsberechtigte habe in einem solchen Fall daher den Wert des mangelhaften Werks im Zeitpunkt der Übergabe zu ersetzen. Es sei so vorzugehen, als ob es sich von Anfang an um eine nicht rückabwicklungsfähige Leistung gehandelt hätte. Die Beklagten hätten der Klägerin daher den objektiven Wert des Werks im Zeitpunkt der Übergabe zu vergüten. Zur Ermittlung dieses objektiven Werts bedürfe es jedoch noch ergänzender Feststellungen, weshalb die Sache noch nicht entscheidungsreif sei.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zur hier vorliegenden Konstellation keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richten sich die (jeweils beantworteten) Rekurse der Klägerin und der Beklagten, die entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Zulässigkeitsausspruch nicht zulässig sind, weil sie keine iSd §§ 502 Abs 1, 519 Abs 2 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufzeigen.
I. Die Wirksamkeit und Berechtigung des von den Beklagten am 11. 4. 2003 erklärten Vertragsrücktritts durch Wandlung ist zwischen den Parteien nicht mehr strittig. Davon sind auch die Vorinstanzen ausgegangen. Dies verkennen die Beklagten, die den Rechtsausführungen der zweiten Instanz entgegen halten, auf Wandlung nie ‑ auch nicht schlüssig ‑ verzichtet zu haben. Von einem solchen Verzicht ist das Berufungsgericht ohnedies nicht ausgegangen; vielmehr setzen seine Rechtsausführungen die Berechtigung der von den Beklagten erklärten Wandlung voraus. Richtig ist allerdings, dass eine Rückstellung der mangelhaften Fenster im bisherigen (10 Jahre dauernden) Verfahren nie ein Thema gewesen ist. Gerade aus dem Umstand, dass die Fenster und Türen mehr als 10 Jahre nach Einleitung des Verfahrens nach wie vor eingebaut sind und während der ganzen Zeit benutzt wurden, die Beklagten nie vorgebracht haben, ihren Austausch anzustreben und ihr Ausbau im Verfahren kein Thema oder gar Streitpunkt war, hat das Berufungsgericht geschlossen, dass beide Seiten keine Rückstellung der Fenster beabsichtigen und aufgrund dieses Konsenses der vorliegende Fall wie jene Konstellation zu behandeln sei, in denen eine Rücknahme der Leistung nicht (oder nicht mehr) in Betracht kommt. Diese Wertung des Berufungsgerichts ist unter den gegebenen Umständen keineswegs unvertretbar.
II. Dass die bereits gelieferte Sache nicht mehr zurückgestellt werden kann, schließt nach neuerer Auffassung die Wandlung als solche nicht aus, sondern führt nur dazu, dass der Wert der erhaltenen Leistung vom Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (Werklohns) abzuziehen ist (Reischauer in Rummel³ § 932 Rz 4; 6 Ob 134/08m) bzw ‑ wenn wie hier der Werklohn noch nicht gezahlt wurde ‑ der Werkunternehmer Anspruch auf Zahlung des objektiven Werts der (mangelhaften) Leistung hat.
Das Berufungsgericht hat diese Rechtslage seiner Entscheidung zugrunde gelegt und damit den aufgrund der dargestellten Umstände besonders gelagerten Einzelfall in vertretbarer Weise gelöst.
Auf die Entscheidung 3 Ob 248/08d kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Im damals zu beurteilenden Fall wurde die gelieferte Sache zurückgestellt, sodass der dort zu beurteilende Sachverhalt mit der vorliegenden Konstellation nicht vergleichbar ist.
Ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof als vertretbar erachteten Rechtsansicht hat das Berufungsgericht die Tatsachengrundlage für ergänzungsbedürftig gehalten. Dem kann der Oberste Gerichtshof, der auch im Rekursverfahren gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten ( Zechner in Fasching/Konecny ² IV/1 § 519 Rz 107).
III. Die von der Klägerin behaupteten Verfahrensmängel liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Der Einwand, dass der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts zum Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang in Widerspruch stehe, trifft nicht zu. Wie die Klägerin selbst ausführt, hat das Berufungsgericht im ersten Rechtsgang dem Erstgericht aufgetragen, sich mit dem Vorbringen der Klägerin auseinanderzusetzen, wonach der den Beklagten durch die in ihr Haus eingebauten Fenster und Türen verschaffte Nutzen die Höhe des Klagebetrags erreicht habe. Dieser Auftrag steht mit den nunmehrigen Ausführungen des Berufungsgerichts zur Ermittlung dieses Nutzens nicht in Widerspruch. Abgesehen davon könnte selbst ein solcher Widerspruch den Obersten Gerichtshof nicht an eine vom Berufungsgericht im ersten Rechtsgang vertretene Rechtsauffassung binden.
Dass beide Seiten in erster Instanz zuletzt im Zusammenhang mit der Ermittlung des den Beklagten verschafften Nutzens auf § 273 ZPO verwiesen haben, trifft zu, ändert aber nichts an der Notwendigkeit, in rechtlicher Hinsicht klarzustellen, worin der abzugeltende Nutzen besteht und nach welchen Kriterien er zu bemessen ist.
Im Übrigen wird § 273 ZPO im fortgesetzten Verfahren ohnedies zu beachten sein, weil bei der Ermittlung des den Beklagten zugekommenen objektiven Werts die gravierenden Mängel der Fenster und Türen zu berücksichtigen sein werden und eine Wertermittlung ‑ nach Feststellung der nötigen Tatsachengrundlagen ‑ daher unter Umständen nur unter Anwendung der zitierten Bestimmung möglich sein wird.
IV. Da somit das Berufungsgericht den vorliegenden Einzelfall auf der Grundlage gesicherter Rechtsprechung beurteilt hat und die Parteien in ihren Rechtsmitteln keine iSd §§ 502 Abs 1, 519 Abs 2 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen vermochten, waren die beiden Rekurse als unzulässig zurückzuweisen.
V. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit der Rechtsmittel gegen einen Aufhebungsbeschluss iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet kein Kostenvorbehalt statt (RIS‑Justiz RS0123222). Hier haben beide Seiten auf die Unzulässigkeit des jeweils gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen. Allerdings sind die beiderseits verzeichneten Kosten ‑ da für beide Seiten dieselbe Bemessungsgrundlage gilt ‑ annähernd gleich (der von den Beklagten verzeichnete Streitgenossenzuschlag und beiden Seiten unterlaufene Berechnungsfehler können bei der hier gebotenen annäherungsweisen Betrachtung unberücksichtigt bleiben), sodass die den Parteien erwachsenen Kosten gegeneinander aufzuheben sind.
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