OGH 2Ob187/12g

OGH2Ob187/12g21.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Sol, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** AG, *****, vertreten durch DDr. Christian F. Schneider, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ralph Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 249.716,98 EUR sA und Feststellung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 23. August 2012, GZ 5 R 105/12s-27, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die klagende Partei stellte - soweit für das Revisionsrekursverfahren von Interesse - mit der vorliegenden Klage von September 2009 ein Feststellungsbegehren dahingehend, dass sie nicht verpflichtet sei, für die Einspeisung von Strom aus ihrem Wasserkraftwerk, das an das Netz der beklagten Partei angeschlossen sei, an letztere ein Netzverlustentgelt zu entrichten. Sie brachte dazu vor, dass § 25 ElWOG in der Novelle BGBl I 2000/121 eine Regelung der Frage, ob und inwieweit Erzeuger und/oder Abnehmer mit den Systemnutzungstarifen zu belasten seien, nach wie vor nicht enthalte. § 25 Abs 4 ElWOG normiere, dass jedenfalls Systemnutzungstarife für Einspeiser und Entnehmer von elektrischer Energie zu bestimmen seien. Daraus sei nicht erkennbar, wer zur Tragung welcher Komponenten der Systemnutzungstarife verpflichtet sei, was mit Art 18 B-VG nicht vereinbar sei. Die Bestimmung sei daher verfassungswidrig und die Klägerin nicht verpflichtet, das sich aus der darauf basierenden System-nutzungstarif-Verordnung 2006 (SNT-VO) idF der Novelle 2009 und den darin bestimmten Tarifen ergebende Netzverlustentgelt zu bezahlen.

Das Erstgericht folgte dieser Rechtsansicht und stellte beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung der genannten Verordnung als gesetzeswidrig.

Der Verfassungsgerichtshof hob, nachdem bereits zuvor mit Erkenntnis vom 21. 6. 2011, G 3-5/11-11, § 25 Abs 1 Z 1 und 3, § 25 Abs 4 und § 25 Abs 12 ElWOG idF BGBl I 121/2000 als verfassungswidrig erkannt worden waren, mit Erkenntnis vom 27. 9. 2011, V 59/09-14 ua, auch wegen des Antrags des Erstgerichts ua auch die SNT-VO 2006 idF der Novelle 2009 auf.

Bereits am 15. 6. 2011 hatte die klagende Partei gegen dieselbe beklagte Partei zu 13 Cg 69/11s des Handelsgerichts Wien eine Feststellungsklage mit dem gleichen allgemein gehaltenen Begehren eingebracht, wobei sich die Klagserzählung dort ebenfalls auf die Verfassungswidrigkeit des § 25 ElWOG idF der Novelle BGBl I 2000/121 sowie auf die bestrittene Verpflichtung zur Zahlung der Netzverlustentgelte nach den Tarifen der darauf basierenden SNT-VO 2010 idF der Novelle 2011 stützte.

Auch in jenem Verfahren verfasste das dortige Erstgericht einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof zur Prüfung der genannten Verordnung, allerdings erst am 30. 9. 2011. Er wurde aufgrund der bereits am 27. 9. 2011 ergangenen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Aufhebung auch der SNT-VO 2010 idF der Novelle 2011 nicht mehr zum Anlassfall erklärt und der Antrag mit Beschluss vom 29. 11. 2011, V 114/11-3, zurückgewiesen.

Nach Vorliegen der Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs gab die klagende Partei hier in ihrem Fortsetzungsantrag und einem nachfolgenden Schriftsatz (ON 17 und ON 19) bekannt, es bestehe im Hinblick auf die alte Rechtslage weiterhin Interesse an der Feststellung, dass sie als Einspeiserin keine Zahlungspflicht für Netzverlustentgelte treffe. Ihr Feststellungsbegehren habe sich nicht auf eine bestimmte SNT-VO bezogen, sodass das Erstgericht auch das Nichtbestehen der Zahlungspflicht in Bezug auf die SNT-VO 2010 idF der Novelle 2011 festzustellen habe.

Die beklagte Partei wandte ein, die Klarstellung sei in Wahrheit eine Klagsänderung, gegen die sie sich ausspreche.

Das Erstgericht wies die Klage in Ansehung des Begehrens, es werde zwischen den Parteien festgestellt, dass die klagende Partei ab Inkrafttreten der SNT-VO 2010 nicht verpflichtet sei Netzverlustentgelte zu entrichten, zurück. Insofern liege Streitanhängigkeit im Verhältnis zum Verfahren 13 Cg 69/11s vor. Mit Einbringung dieser Klage habe die Klägerin klargestellt, dass sich das im hier vorliegenden Verfahren gestellte Feststellungsbegehren lediglich auf die im Zeitpunkt der Klagseinbringung bestehende Rechtslage beziehe.

Das Rekursgericht „behob“ diesen Beschluss ersatzlos und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

Das Feststellungsbegehren sei allgemein darauf gerichtet, künftig kein Netzverlustentgelt bezahlen zu müssen. Die Änderung des Rechtsgrundes beziehe sich nur auf eine geänderte Rechtsquelle, auf die sich die beanstandeten Vorschreibungen des Netzverlustentgelts gründeten. Das vorliegende Feststellungsbegehren beziehe sich nicht auf eine bestimmte SNT-VO und sei daher auch nicht als in diesem Sinne auf einen bestimmten Zeitraum eingeschränkt anzusehen. Es möge daher allenfalls das Klagebegehren zu 13 Cg 69/11s wegen Streitanhängigkeit unzulässig sein, umgekehrt stehe aber der nunmehrigen Präzisierung des Streitgegenstands - auch im Sinne der Entscheidung 1 Ob 32/11d - die Streitanhängigkeit der Klage zu 13 Cg 69/11s nicht entgegen. Durch die Einbringung dieser Klage sei keine Konkretisierung des Begehrens im hier vorliegenden Verfahren vorgenommen worden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den erstinstanzlichen Zurückweisungsbeschluss wiederherzustellen. In eventu wird die Abweisung des Feststellungsbegehrens, soweit es sich auf den Zeitraum 1. 1. bis 31. 12. 2011 bezieht (zeitlicher Anwendungsbereich der SNT-VO idF der Novelle 2011), begehrt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Wie die Rechtsmittelwerberin richtig erkennt, hängt die Entscheidung von der Rechtsfrage ab, ob das Vorbringen der klagenden Partei in den Schriftsätzen ON 17 und ON 19 in Bezug auf das Feststellungsbegehren als Klagsänderung anzusehen ist oder nicht.

Ob im Hinblick auf den Inhalt einer Prozessbehauptung eine bestimmte Tatsache aber als vorgebracht anzusehen ist, und ebenso, ob ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, sind Fragen des Einzelfalls, denen regelmäßig keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042828).

Wenn das Berufungsgericht im vorliegenden Fall aufgrund des konkreten Feststellungsbegehrens und der Tatsache, dass in der Klage nicht nur die Gesetzwidrigkeit der SNT-VO 2006 idF der Novelle 2009, sondern auch die Verfassungswidrigkeit deren gesetzlicher Basis behauptet wurde, sowie unter Berücksichtigung der Entscheidung 1 Ob 32/11d zur Rechtsansicht gelangte, dass es sich bei der späteren Einbeziehung der SNT-VO 2010 idF der Novelle 2011 nicht um eine Klagsänderung, sondern lediglich um eine teilweise Änderung der gesetzlichen Grundlage des - allgemein gehaltenen - Feststellungsbegehrens handle, ist dies jedenfalls vertretbar und bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.

Stichworte