OGH 13Os127/12v

OGH13Os127/12v14.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Februar 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Niegl als Schriftführer in der Strafsache gegen Thompson C***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall und Abs 2 Z 3 SMG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. August 2012, GZ 63 Hv 116/12g-48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Thompson C***** dreier Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall und Abs 2 Z 3 SMG (I) und des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter und dritter Fall und Abs 2 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien und anderen Orten am 1. April 2012 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 901 Gramm Kokain mit zumindest 241 Gramm Reinsubstanz Kokain,

(I) aus den Niederlanden aus- und über Deutschland und die Tschechische Republik nach Österreich eingeführt, indem er mit dem in einem Rucksack eingenähten Suchtgift von Amsterdam über Prag nach Wien reiste;

(II) mit dem Vorsatz befördert und besessen, dass dieses in Verkehr gesetzt werde, indem er mit dem in einem Rucksack eingenähten Suchtgift von der österreichischen Staatsgrenze bis nach Wien reiste, wo er das Suchtgift einem Abnehmer übergeben wollte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Die Mängelrüge behauptet Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) in Betreff der - weiterem Vorbringen (der Sache nach Z 5 vierter Fall) zuwider mit der geständigen Verantwortung des Angeklagten zum Transport des Suchtmittels zureichend begründeten (US 6) - Feststellung zur jeweils die Aus- und Einfuhr von 900 Gramm Kokain umfassenden subjektiven Tatseite (US 5), ohne jedoch in der Hauptverhandlung vorgekommene, von den Tatrichtern übergangene Verfahrensergebnisse anzuführen.

Der mit der Forderung nach einer Verurteilung wegen (nur) eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall und Abs 2 Z 3 SMG und der Behauptung, die tatplangemäße Durchfuhr sei nicht geeignet gewesen, die öffentliche Ordnung in Deutschland und Tschechien zu gefährden, verbundene Einwand (Z 9 lit a), die Güterfreiheit nach „Art 28 ff EWG Vertrag“ (vgl Art 34 ff des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV]) dürfe „nur aus Gründen des ordre public (Art 30 EWG-Vertrag)beschränkt werden“, lässt unklar, inwieweit „Art 30 EWG-Vertrag“ illegalen Drogenhandel überhaupt betreffen sollte (vgl vielmehr Art 83 Abs 1 AEUV, den Rahmenbeschluss vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels, ABl L 335, 8; sowie weiterführend Litzka/Matzka/Zeder, SMG² II A Rz 5 ff, 24 ff und 30 ff). Im Übrigen lässt sich das Vorbringen schon angesichts des vollständigen Regelungsinhalts der beanspruchten Vertragspassage nicht nachvollziehen (siehe die weiteren in Art 36 AEUV [Art 30 EGV] festgeschriebenen Rechtsfertigungsgründe wie die Sicherheit oder die Gesundheit sowie das Leben von Menschen; vgl auch Becker in Schwarze², EU-Kommentar Art 30 EGV Rz 9, 13 f).

Die zum Schuldspruch II vermissten Feststellungen zum Willen des Angeklagten, das Suchtmittel zu besitzen und zu befördern, haben die Tatrichter - solcherart von der Beschwerde übergangen - getroffen (vgl US 6). Im Übrigen unterlässt die - auf den Standpunkt eines neben des Gewahrsams auch einen Besitzwillen (§ 309 zweiter Satz ABGB) voraussetzenden Besitzbegriffs im (Suchtmittel-)Strafrecht geschützte - Rüge mit der Behauptung, der Normunterworfene könne von der zivilrechtlichen Definition des Begriffs Besitz (als in § 309 ABGB normiert) ausgehen und der Oberste Gerichtshof interpretiere auch andere Begriffe des Strafrechts, etwa den Begriff des Anbietens (§ 28a Abs 1 SMG), nach zivilrechtlichen Gesichtspunkten, eine argumentative Auseinandersetzung mit der ständigen Rechtsprechung zum vom zivilrechtlichen Besitzbegriff eben abweichenden, auf die - von der subjektiven Tatseite umfasste - tatsächliche Innehabung ohne Erfordernis eines Willens, „die Sache als die Seine zu behalten“, abstellenden, strafrechlich autonom definierten, Besitzbegriff (vgl RIS-Justiz RS0096666, RS0088344; Litzka/Matzka/Zeder SMG² § 27 Rz 8; Hinterhofer in: Hinterhofer/Rosbaud, SMG § 27 Rz 23; Schwaighofer in WK² § 27 SMG Rz 14).

Soweit die Rüge (nominell Z „9 b“, der Sache nach Z 9 lit a) in Betreff der „gänzlich im Ausland begangenen Delikte“ inländische Gerichtsbarkeit mangels Feststellungen, „welche österreichischen Interessen verletzt wurden“ (vgl § 64 Abs 1 Z 4 erster Fall StGB), bestreitet, übergeht sie die Konstatierung, wonach der Angeklagte das Kokain in Amsterdam mit dem Ziel übernahm, es nach Österreich einzuführen (vgl US 4 ff; vgl Litzka/Matzka/Zeder SMG² § 28a Rz 43; Hinterhofer in: Hinterhofer/Rosbaud, SMG § 28 Rz 125; Schwaighofer in WK² SMG Vor §§ 27-40 Rz 78) und verfehlt solcherart den gesetzlichen Bezugspunkt.

Weshalb es zu unzulässiger Doppelbestrafung gekommen sein soll, bloß weil der Angeklagte das Suchtmittel in Österreich an eine bestimmte Person ausfolgen sollte, macht die Rüge nicht klar. Mit der weiteren Argumentation ignoriert sie die Feststellungen, wonach der Angeklagte das Suchtmittel ab der Staatsgrenze nach Wien mit dem Vorsatz transportierte, dass es in Wien in Verkehr gesetzt werde (US 5 f; vgl RIS-Justiz RS0117789; 13 Os 61/10k; 13 Os 79/10g).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Die Entscheidung über die Berufungen kommt damit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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