OGH 11Os170/12b

OGH11Os170/12b12.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Februar 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zellinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Daniel S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Daniel S***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 18. September 2012, GZ 22 Hv 189/11k-34, weiters über die Beschwerde des Genannten gegen den unter einem gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch den in Rechtskraft erwachsenen Freispruch eines Mitangeklagten enthält, wurde Daniel S***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I.) sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II.), des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (III.1.) und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 3 SMG (III.2.) schuldig erkannt.

Danach hat er in Innsbruck

I.) am 24. Juli 2011 Silviya D*****, indem er ihr zu Fuß folgte, einen Schlag gegen den Hinterkopf versetzte, wodurch sie zu Boden fiel, und in weiterer Folge die Handtasche entriss, sohin mit Gewalt gegen ihre Person, fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Handtasche samt Bargeld in Höhe von 200 Euro, mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

II.) am 24. Juli 2011 Urkunden, über die er nicht oder nicht allein verfügen durfte, nämlich die bei der unter Punkt I.) angeführten Tat erbeutete Identitätskarte und den Gesundheitspass der Silviya D*****, welche sich in der Handtasche befanden, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden;

III.) „ab etwa Ende Jänner 2012 bis zuletzt 9. oder 10. März 2012 vorschriftswidrig Suchtgift erworben, besessen sowie anderen überlassen, und zwar:

1.) durch den wiederholten Erwerb nicht mehr exakt quantifizierbarer, die Grenzmenge insgesamt im Zweifel nicht übersteigender Mengen von Kokain bei Unbekannten zum Zwecke des gewinnorientierten Weiterverkaufs sowie deren Besitz;

2.) indem er dem abgesondert verfolgten Sezgin P***** im Verlauf dreier Teilgeschäfte insgesamt zumindest vier Gramm Kokain und weiteren, namentlich nicht bekannten Abnehmern im Zweifel ebenfalls jeweils geringe Kokainmengen gewinnbringend verkaufte, wobei er gewerbsmäßig handelte“.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 4, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Mit der Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert der Beschwerdeführer die Abweisung seines in der Hauptverhandlung am 18. September 2012 gestellten Antrags auf neuerliche Ladung und Vernehmung der Zeugin Silviya D***** (ON 33 S 7). Da der Antrag aber - entgegen den gesetzlichen Erfordernissen (§ 55 Abs 1 erster Satz StPO) - weder eine ladungsfähige Adresse noch sonst Hinweise enthielt, die eine Ausforschung der zur Aufenthaltsermittlung ausgeschriebenen, im Bundesgebiet nicht aufrecht gemeldeten Zeugin erwarten ließen, konnte er (ohne Verletzung von Verteidigungsrechten [Art 6 Abs 3 lit d MRK]) abgewiesen werden.

Soweit sich das Vorbringen der Sache nach gegen die von den Tatrichtern auf § 252 Abs 1 Z 1 StPO gestützte (ON 33 S 7) Verlesung der polizeilichen Vernehmungsprotokolle wendet (Z 3), ist es ebenfalls nicht im Recht. Die Frage, wann der Aufenthalt einer Zeugin als unbekannt angesehen und ihr persönliches Erscheinen daher füglich nicht bewerkstelligt werden kann, ist nach Lage des konkreten Einzelfalls zu beurteilen (RIS-Justiz RS0108361). Vorliegend wurde Silviya D***** nach einem erfolglosen Zustellversuch durch die Polizei (vgl ON 17: unbekannt verzogen) im Inland und SIS-Bereich zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben. Weder dies noch zusätzliche Nachforschungen hinsichtlich eines Bekannten der Zeugin (Ivan N*****), mit dem sie in Deutschland angetroffen worden war, erbrachten Anhaltspunkte für eine erfolgversprechende Ladung (ON 29, 30). Da somit der Versuch der Ausforschung durch die Sicherheitsbehörden ohne positives Ergebnis blieb, war auch die Verlesung der Protokolle ihrer Vernehmungen vor der Polizei in der Hauptverhandlung zulässig (vgl RIS-Justiz RS0098282, RS0098248).

Mit dem Hinweis auf vermeintliche Widersprüche in der Aussage dieser Zeugin (zu I. und II. des Schuldspruchs) bzw darauf, dass der Zeuge P***** seine den Angeklagten belastenden Angaben in der Hauptverhandlung nicht aufrecht erhalten habe (zu III., was die Tatrichter bei ihrer Beweiswürdigung berücksichtigten; US 14 f), vermag die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken beim Obersten Gerichtshof gegen die Feststellung entscheidender Tatsachen durch das Erstgericht zu erwecken.

Die Aussage des Zeugen C*****, das - sehr schlecht deutsch sprechende - Opfer habe ihm gegenüber eine Ohrfeige auf die linke Wange und nicht einen Faustschlag vorgezeigt, war - weil für die Feststellung entscheidender Tatsachen nicht von Bedeutung - nicht gesondert erörterungsbedürftig (der Sache nach Z 5 zweiter Fall).

Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) die Annahme der gewerbsmäßigen Begehung (zu III.2.) mit beweiswürdigenden Erwägungen bekämpft, hält sie nicht an den Feststellungen des Erstgerichts und damit am von der Prozessordnung vorgegebenen Anfechtungsrahmen fest.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde ergibt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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