European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0010OB00219.12F.0131.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Erstgerichts wird wiederhergestellt.
Die Kostenentscheidung obliegt dem Erstgericht.
Text
Entscheidungsgründe:
Im Zuge einer längeren zahnärztlichen Behandlung der Klägerin setzte ihr der Beklagte fünf Zahnimplantate im Oberkieferbereich ein, wofür die Klägerin im Laufe des Jahres 2001 Honorare von insgesamt 37.208,50 EUR zahlte. Die Behandlung war lege artis durchgeführt worden, doch hatte der Kläger die Beklagte über mit der Behandlung verbundene Risken nicht aufgeklärt, insbesondere darüber, dass es dazu kommen kann, dass die Implantate außerhalb des Knochens zu liegen kommen, was hier tatsächlich geschehen ist. Zur Beseitigung der nachteiligen Folgen der Behandlung des Klägers und zur Herstellung des angestrebten Zustands funktionsfähiger Implantate nahm die Klägerin die Dienste anderer Zahnmediziner in Anspruch. Ob die Klägerin in die vom Beklagten durchgeführte zahnmedizinische Behandlung auch dann eingewilligt hätte, wenn sie von ihm über sämtliche Risken und negativen Folgen informiert worden wäre, insbesondere darüber, dass es bei einer Wurzelbehandlung zu einer Überfüllung und einer daraus resultierenden „Beherdung“ kommen kann und dass das Setzen von Implantaten mit einem massiven, zum Knochenabbau und Implantatverlust führenden entzündlichen Prozess als Risiko verbunden sein kann, kann nicht festgestellt werden.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ein Betrag von 5.155,46 EUR samt Zinsen, den das Berufungsgericht der Klägerin unter dem Titel Honorarrückforderung zuerkannt hatte.
Die Klägerin hatte in ihrer am 7. 2. 2008 überreichten Klage ursprünglich neben Schmerzengeld auch die Rückerstattung des dem Beklagten gezahlten Honorars von 37.208,50 EUR begehrt. Mit Schriftsatz vom 6. 6. 2008 machte sie ‑ unter Ausdehnung des Zahlungsbegehrens ‑ unter anderem rund 50.000 EUR an (Nach‑)Behandlungskosten geltend und erklärte zugleich, das Begehren bleibe im bisher gestellten Umfang daneben auf Rückforderung des Behandlungshonorars gestützt. In der Tagsatzung vom 13. 6. 2008 ließ sie diesen Rückforderungsanspruch fallen. Am 7. 10. 2011 machte sie ihn ‑ gegenüber dem begehrten Betrag von 49.881,16 EUR an Nachbehandlungskosten ‑ (wieder) hilfsweise geltend, ohne allerdings das Gesamtbegehren auszudehnen. Sie brachte dazu im Wesentlichen vor, die gesamte Arbeit des Beklagten sei unbrauchbar und damit auch das von ihm begehrte Honorar frustriert gewesen, weshalb hilfsweise dessen Rückforderung begehrt werde. Solch ein Rückforderungsanspruch verjähre erst in 30 Jahren.
Der Beklagte erhob dagegen den Einwand der Verjährung. Die Beklagte sei spätestens im Jahr 2004 zur Erkenntnis gelangt, dass die Behandlung des Beklagten wertlos gewesen sei. Die erhobenen Ansprüche seien daher schon zum Zeitpunkt der Klageeinbringung im Februar 2008 verjährt gewesen, jedenfalls aber bei der neuerlichen (hilfsweisen) Geltendmachung im Jahr 2011.
Das Erstgericht sprach der Klägerin an (Nach‑)Behandlungskosten 32.053,04 EUR zu und wies das unter diesem Titel darüber hinaus erhobene Begehren ab. Die Klägerin habe letztlich erst durch im Februar 2006 eingeholte Befunde davon erfahren, dass Implantate im Kieferhöhlenbereich liegen, Entzündungen vorliegen und dieser Zustand weitere Behandlungsschritte erforderte. Die im Jahr 2008 eingebrachte Schadenersatzklage könne demnach nicht verjährt sein. Ein Rückforderungsanspruch hinsichtlich des bezahlten Honorars komme nicht in Betracht. Dass der Vertrag von Anbeginn unwirksam zustandegekommen wäre, sei seitens der Klägerin nicht einmal behauptet worden, weshalb eine Vertragsauflösung ex tunc, etwa infolge eines Willensmangels, nicht denkbar sei. Ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch scheide somit aus, da weiterhin eine vertragliche Grundlage, hier der Behandlungsvertrag, als Rechtsgrund für die geleistete Zahlung vorliege. Die Beklagte habe auch nicht etwa die Wandlung des Vertrags wegen einer mangelhaften Werkleistung des Beklagten erklärt. Auf die Frage der Zulässigkeit des „hilfsweise“ geltend gemachten Anspruchs sei daher nicht mehr einzugehen.
Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es der Klägerin im Sinne ihres Berufungsantrags einen weiteren Betrag von 5.155,46 EUR samt Zinsen ‑ aus dem hilfsweise geltend gemachten Rechtsgrund ‑ zuerkannte; es erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Zur Rückforderung des dem Beklagten gezahlten Behandlungshonorars bedürfe es weder eines Vertragsrücktritts noch eines Wandlungsbegehrens. Nach ständiger Rechtsprechung zum Werkvertragsrecht verliere der Unternehmer im Falle einer Unterlassung der Warnung des Werkbestellers seinen Anspruch auf Entgelt. Daraus folge zweifelsfrei, dass ein bereits bezahlter Werklohn vom Werkbesteller auch ohne Vertragsauflösung zurückverlangt werden könne. Auch zum ärztlichen Behandlungsvertrag habe der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass im Falle einer fehlerhaften Einwilligung in den Behandlungsvertrag der Vertrag hinfällig werde, womit der Patient auch berechtigt sei, das geleistete Honorar zurückzufordern. Die Zahlung des Honorars stelle somit eine rechtsgrundlose Leistung der Klägerin dar, die sie nach § 1431 ABGB zurückfordern könne. Dass sie diesen Anspruch zunächst fallen gelassen habe und erst in der Streitverhandlung vom 7. 10. 2011 eventualiter neuerlich erhoben habe, schade nicht, da dieser Bereicherungsanspruch der 30‑jährigen Verjährungsfrist des § 1478 ABGB unterliege.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig und auch berechtigt.
Die Klägerin hat im Verfahren erster Instanz die Rückforderung des bezahlten Honorars rechtlich nicht näher begründet und sich im Rechtsmittelverfahren in erster Linie auf die zu 6 Ob 558/91 ergangene Entscheidung (JBl 1992, 520 [ Apathy ] = EvBl 1993/3) berufen, auf die noch eingegangen werden wird. Soweit sie darüber hinaus eine Anwendung von § 877 ABGB erwägt, übersieht sie offenbar, dass sie einerseits ein zur dafür erforderlichen Vertragsaufhebung geeignetes Gestaltungsrecht im Verfahren erster Instanz gar nicht nachvollziehbar ausgeübt hat, und andererseits, dass auch für die Anfechtung eines Vertrags wegen Irrtums gemäß § 1487 ABGB eine dreijährige Verjährungsfrist gilt, die die Klägerin mangels gehöriger Fortsetzung der ursprünglich erhobenen Klage jedenfalls nicht ‑ mit der Wirkung der Verjährungsunterbrechung ‑ eingehalten hätte. Die vom Berufungsgericht erwogene (analoge) Anwendung von § 1168a Satz 3 ABGB kommt schon allein deshalb nicht in Betracht, weil keine Anhaltspunkte für eine „offenbare Untauglichkeit“ der vom vorgenommenen Eingriff betroffenen Körperteile vorliegen.
Im Übrigen verweist der Revisionswerber zutreffend darauf, dass sich die vom Berufungsgericht und von der Revisionsgegnerin herangezogene Entscheidung 6 Ob 558/91 hauptsächlich mit schadenersatzrechtlichen Fragen auseinandersetzt, keineswegs aber etwa ausspricht, dass und aus welchem Grund dem Patienten ein besonderes Gestaltungsrecht zuzuerkennen wäre, das zur Auflösung des Vertrags führen könnte. Wenn in der Entscheidung ‑ im Kontext schadenersatzrechtlicher Erörterungen ‑ ausgeführt wird, durch die fehlerhafte Einwilligung sei der Vertrag „hinfällig“ geworden, womit die Klägerin berechtigt sei, auch das geleistete Honorar zurückzufordern, wird offenbar der in jüngster Zeit im Zusammenhang mit den Anlageberatungsfällen herangezogene Ansatz einer schadenersatzrechtlichen Naturalrestitution durch Beseitigung der (wechselseitigen) Rechtsfolgen des Vertragsabschlusses angesprochen (vgl nur RIS‑Justiz RS0120784). Ob dabei der ursprüngliche Vertrag beseitigt wird, ist hier nicht von entscheidender Bedeutung. Jedenfalls ist auf schadenersatzrechtlichem Weg jener Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis (hier: unzureichende Aufklärung und daraus resultierender Vertragsabschluss) vorliegen würde. Dies hat durch Rückstellung des erhaltenen Honorars ‑ allenfalls gegen Ausgleich eines beim Geschädigten verbliebenen Vorteils ‑ zu erfolgen. Auch wenn man davon ausgehen wollte, dass es im Rahmen der schadenersatzrechtlichen Naturalrestitution zu einer nachträglichen Vertragsaufhebung komme, änderte dies doch nichts daran, dass in der Sache ein Schadenersatzanspruch geltend gemacht wird, der gemäß § 1489 ABGB der dreijährigen Verjährungsfrist unterliegt, die von der Klägerin nicht eingehalten wurde. Dem Argument der Revisionsgegnerin, eine Ausdehnung sei selbst „nach erfolgter Verjährung möglich“, weil ein Feststellungsbegehren erhoben wurde, ist entgegenzuhalten, dass ein Feststellungsbegehren die Verjährung nur für die bei dessen Erhebung zukünftigen Ansprüche unterbricht (RIS‑Justiz RS0034771), wogegen sie selbst davon ausgeht, dass der Rückforderungsanspruch bei Klageeinbringung bereits bestand.
Damit ist die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
Da das Erstgericht die Kostenentscheidung gemäß § 52 Abs 1 ZPO (idF BGBl I 2010/111) der rechtskräftigen Erledigung vorbehalten hat, gilt dies auch für die Kosten des Revisionsverfahrens (Abs 3 leg cit).
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