OGH 9ObA95/12d

OGH9ObA95/12d26.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. Dr. Helwig Aubauer und Mag. Regina Bauer-Albrecht als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Manuela S*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wider die beklagte Partei Arbeitsmarktservice *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen 9.921,30 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. April 2012, GZ 7 Ra 17/12i-25, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. Oktober 2011, GZ 6 Cga 53/10w-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 620,36 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach § 31 Abs 4 des Kollektivvertrags für DienstnehmerInnen des Arbeitsmarktservices auf das der jeweiligen Befristung vorangegangene Beschäftigungsausmaß abstellt, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Klägerin Folgendes entgegenzuhalten:

§ 31 Abs 4 des hier unstrittig maßgeblichen Kollektivvertrags für DienstnehmerInnen des Arbeitsmarktservices (vgl auch die Übergangsbestimmung in § 52) hat folgenden Wortlaut:

„Wird das Dienstverhältnis während einer befristeten Herabsetzung des Beschäftigungsausmaßes beendet, so ist bei der Ermittlung des Entgelts das vorangegangene Beschäftigungsausmaß zugrundezulegen.“

Die Klägerin war bei der Beklagten ab 19. 2. 1992 beschäftigt und befand sich vom 18. 5. 1993 bis 1. 12. 1996 im Mutterschutz bzw danach in Karenz. Auch im Interesse der Klägerin wurde im Anschluss ein befristetes Dienstverhältnis mit einer Reduktion des Arbeitsausmaßes für die Zeit vom 17. 9. 1996 bis 1. 12. 1998 vereinbart. Nach Ablauf dieser Befristung wurde mit vier weiteren Nachträgen die Herabsetzung jeweils für drei Jahre bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses am 31. 12. 2009 vereinbart. Die befristete Herabsetzung entsprach jeweils auch dem Willen der Klägerin.

Die hier maßgebliche Auslegungsfrage, ob § 31 Abs 4 des Kollektivvertrags als Vergleichsgröße jeweils auf die Vollzeitbeschäftigung oder das vorangegangene unbefristet vereinbarte Beschäftigungsausmaß abstellt oder ob - so wie vom Berufungsgericht angenommen - das jeweils vorangegangene Beschäftigungsausmaß maßgeblich ist, stellt eine generelle Frage der Auslegung des Kollektivvertrags dar, die auch nicht eindeutig ist, sodass die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO erfüllt sind (RIS-Justiz RS0042819 mwN).

Bei der Auslegung von Kollektivverträgen geht die Rechtsprechung regelmäßig davon aus, dass deren normative Bestimmung objektiv nach den Regeln der §§ 6 und 7 ABGB für die Auslegung von Gesetzen zu erfolgen hat (RIS-Justiz RS0010088). Es wird also in erster Linie ausgehend vom Wortsinn im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen sowie der ersichtlichen Absicht der Kollektivvertragsparteien die Auslegung vorgenommen. Im Zweifel wird dabei unterstellt, dass die Kollektivvertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung schaffen und einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und Ungleichbehandlung vermeiden wollten (RIS-Justiz RS0008828; RS0008897 jeweils mwN).

Geht man nun einfach vom Wortlaut aus, der auf das „vorangegangene Beschäftigungsausmaß“ abstellt, so findet sich darin weder eine Einschränkung, dass dieses Beschäftigungsausmaß in einem Vollzeitbeschäftigungs-verhältnis gelegen, noch dass es unbefristet vereinbart gewesen sein müsste. Legt man nun im Sinne der dargestellten Rechtsprechung die Absicht der Kollektivvertragsparteien, einen angemessenen Ausgleich herbeizuführen und eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung zu treffen, zugrunde, so wird durch diese Regelung dem Arbeitnehmer im Falle der Veränderung seiner Arbeitszeit immer das „bessere“ Beschäftigungsausmaß gesichert, weil diese Bestimmung nur zum Tragen kommt, wenn es um eine „Herabsetzung“ des Beschäftigungsausmaßes geht. Bedenkt man nun den Fall, dass vorweg unbefristet eine Teilzeitbeschäftigung von 20 Stunden vereinbart wird und dann befristet für drei bis vier Jahre ein Teilzeitbeschäftigungsverhältnis von 30 Stunden und nachfolgend ein Teilzeitbeschäftigungsverhältnis von 25 Stunden, in dem die Beendigung erfolgt, so wäre ein Abstellen auf das erste unbefristete Beschäftigungsausmaß für die Dienstnehmer sogar nachteilig. Dies spricht ebenso wie der Gedanke, dass eine „Sprungstelle“ zugunsten der Dienstnehmer geregelt werden soll dafür, auf das jeweils unmittelbar vorangegangene Beschäftigungsausmaß - wenn dieses höher ist - abzustellen.

Mit der Frage, inwieweit in dem Berechnungsansatz des Abfertigungssystems „Alt“, der jeweils auf das zuletzt verdiente Entgelt abstellt, eine „mittelbare Diskriminierung“ von Teilzeitbeschäftigten gesehen werden könnte, hat sich der Oberste Gerichtshof bereits auseinandergesetzt und diese verneint (OGH 29. 6. 2005, 9 ObA 6/05f = DRdA 2006, 304/28 [Smutny]). Umso mehr muss das gelten, wenn zugunsten der Teilzeitbeschäftigten auf das jeweils günstigere Beschäftigungsausmaß abgestellt wird.

Insgesamt vermag es die Revision jedenfalls keine Bedenken gegen die bereits vom Berufungsgericht vorgenommene rechtliche Beurteilung hervorzurufen.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.

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