OGH 13Os117/12y

OGH13Os117/12y22.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. November 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krausam als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerold B***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 9. Juli 2012, GZ 41 Hv 18/11d-60, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerold B***** jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A), des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (B), der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (C), der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB aF (D) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (G) sowie jeweils mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (E) und der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB (F) schuldig erkannt.

Danach hat er in A***** und an anderen Orten in jeweils zahlreichen Angriffen

A) vom Oktober 1998 bis zum 22. Oktober 2004 mit der am 23. Oktober 1990 geborenen Annemarie B***** den Beischlaf und diesem gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er seinen Penis an ihrer Scheide rieb, mit seinem Penis in ihre Scheide und ihren After eindrang, Finger in ihre Scheide einführte, ihre Scheide leckte und sie veranlasste, an ihm den Oralverkehr durchzuführen,

B) vom Herbst 1997 bis zum 22. Oktober 2004 außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen von der am 23. Oktober 1990 geborenen Annemarie B***** an sich vornehmen lassen, indem er sie veranlasste, den Handverkehr an ihm durchzuführen,

C) vom 1. Mai 2004 bis zum Juni 2005 Annemarie B***** mit Gewalt, nämlich dadurch, dass er sich trotz massiver Gegenwehr auf sie legte und sie kräftig an den Schultern packte und gegen eine Matratze drückte, zur Duldung des Beischlafs genötigt,

D) vom Herbst 2001 bis zum 30. April 2004 außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB aF Annemarie B***** mit Gewalt, nämlich durch die zu C beschriebenen Tathandlungen, zur Duldung des Beischlafs genötigt,

E) vom Herbst 1997 bis zum Juni 2005 mit seiner am 23. Oktober 1990 geborenen Tochter Annemarie B***** die zu A bis D beschriebenen geschlechtlichen Handlungen vorgenommen und von ihr an sich vornehmen lassen,

F) vom Oktober 1998 bis zum Juni 2009 mit seiner Tochter Annemarie B***** den Beischlaf vollzogen und

G) in den Jahren 2006 und 2007 Annemarie B***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod zum Unterlassen einer Anzeige gegen ihn genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wies das Erstgericht den Antrag auf „Einholung eines DNA-Gutachtens hinsichtlich des Angeklagten Gerold B***** und Annemarie B***** zum Beweis dafür, dass es sich bei Annemarie B***** nicht um die leibliche Tochter des Angeklagten handelt“ (ON 55 S 2 iVm ON 43 S 16), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (ON 55 S 2 iVm ON 43 S 17). Der Beweisantrag ließ nämlich nicht erkennen, warum die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse und zielte solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Indem die Mängelrüge (Z 5) den Überlegungen der Tatrichter zur Glaubwürdigkeit der Zeugin Annemarie B***** und des Beschwerdeführers sowie zum Gutachten des Sachverständigen Dr. H***** eigene Beweiswerterwägungen entgegensetzt, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Das Vorbringen zu den Aussagen der Zeugen Andreas B***** und Daniel B***** sowie zur Feststellung, der Beschwerdeführer sei in seine Tochter „verliebt“ gewesen (US 4), lässt keinen Bezug zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Der Vollständigkeit halber sei angefügt, dass Anknüpfungspunkt des nach dem zweiten Satz des § 61 StGB vorzunehmenden Günstigkeitsvergleichs die Tat, also der im Urteil festgestellte Lebenssachverhalt (Ratz in WK² StGB Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 1) ist. Dabei wird die Anordnung, zu prüfen, ob die Gesetze, die im Tatzeitpunkt gegolten haben, für den Täter „in ihrer Gesamtauswirkung“ nicht günstiger waren als die jeweils aktuellen, einhellig dahin verstanden, dass eine Kombination aus den in Rede stehenden Rechtsschichten unzulässig ist (Höpfel/U. Kathrein in WK² StGB § 61 Rz 6, Triffterer SbgK § 61 Rz 23, jeweils mwN; vgl auch EBRV 30 BlgNR 13. GP 172). Dies hat zur Folge, dass auch im Fall der Idealkonkurrenz eine solche Kombination nicht möglich ist, somit der zu beurteilende Lebenssachverhalt - nach Maßgabe des § 61 zweiter Satz StGB - entweder dem Urteilszeit- oder dem Tatzeitrecht zu unterstellen ist (14 Os 129/10t, EvBl 2011/63, 421).

Fallbezogen bedeutet dies, dass der Schuldspruch wegen Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses (E) nicht zur Gänze nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB idgF, sondern teilweise - nämlich im Umfang der Idealkonkurrenz mit Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB aF (D) - nach § 212 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 hätte erfolgen müssen. Da der aufgezeigte Subsumtionsfehler dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereicht, war aber insoweit ein Vorgehen im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO nicht geboten.

Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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