Spruch:
Beiden Revisionen wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Der Kläger ist schuldig, der Erstbeklagten die mit 3.898,68 EUR (darin 433,78 EUR Umsatzsteuer und 1.296 EUR Barauslagen) und der Zweitbeklagten die mit 4.975,50 EUR (darin 613,25 EUR Umsatzsteuer und 1.296 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger buchte für sich und seine Ehegattin eine Antarktis‑Kreuzfahrt ab/bis Ushuaia in Argentinien samt Zubringerflügen von/nach Buenos Aires und eine Hotelnächtigung zum Preis von insgesamt 29.070 EUR. Für die Langstreckenflüge buchte der Kläger Linienflüge bei der Erstbeklagten, wobei die Hinreise am 6. 1. 2010 mit dem Flug ***** von Wien nach Frankfurt (7:05 bis 8:45 Uhr) und dem Flug ***** von Frankfurt nach Buenos Aires‑Ezaiza (10:15 bis 20:00 Uhr) erfolgen sollte.
In der Nacht vom 5. auf den 6. 1. 2010 setzte gegen 22:00 Uhr im Gebiet des Flughafens Wien‑Schwechat heftiger Schneefall ein, wobei bis 7:00 Uhr des 6. 1. 2010 10 cm Schnee fielen, was bereits ab etwa 23:00 Uhr zu Belagsbildung auf den Pisten führte. Von 1:30 bis 3:50 Uhr wurde die Piste 11/29 und anschließend die Piste 16/34 ‑ jeweils samt einigen Zu‑ und Abrollwegen ‑ geräumt und gebürstet. Nach 7:00 Uhr fielen weitere 4 cm Schnee.
Unmittelbar nach der jeweiligen Räumung wurde von den Räummannschaften die Beschaffenheit der geräumten Bewegungsflächen gemessen und beurteilt, wobei die Ergebnisse in „Snowtams“ (SNTM) zusammengefasst werden.
Die Zweitbeklagte als Flugplatzbetreiber „sperrt“ in der Regel keine Pisten wegen schlechter Wetterverhältnisse, übermittelt aber die Pisten‑ und Wetterdaten ‑ somit auch die SNTM ‑ an die Piloten, die eigenverantwortlich zu entscheiden haben, ob ein Starten ihrer Maschine möglich ist oder nicht.
Der Flug ***** sollte planmäßig um 7:05 Uhr starten. Die Startzeit bezieht sich dabei auf den Zeitpunkt, zu dem das Boarding abgeschlossen ist und die Türen geschlossen sind. Die Zeit bis zum tatsächlichen Abheben wird als taxi time bezeichnet. Planmäßige Ankunft in Frankfurt war 8:45 Uhr.
Der Flug sollte mit einem Flugzeug der Type Boeing 737 durchgeführt werden. Der Pilot fand sich vorschriftsmäßig um etwa 5:50 Uhr am Flughafen ein und fuhr gegen 6:20 Uhr zur Maschine auf das Rollfeld. Das Boarding war noch vor 7:02 Uhr abgeschlossen. Zu dieser Zeit erhielt der Pilot von der Flugbetriebsleitung der Fluglinie die Auskunft, dass aufgrund des Schneefalls derzeit kein Flugbetrieb möglich sei und erst in etwa 15 Minuten begonnen werde, die Piste zu räumen. Etwa zur selben Zeit erhielt er vom Tower den SNTM 0066, der die Daten der Piste 16/34 von 5:45 Uhr und die der Piste 11/29 von 6:25 Uhr enthielt. Für die Piste 16/34 war „F 4/8“ (= zusammengepresster Schnee mit trockener Schneeauflage) mit einer Höhe von 10 mm und einem Bremskoeffizienten zwischen 17 und 20 angegeben, für die Piste 11/29 „F 5“ (= nasser Schnee) mit einer Höhe von 15 mm und einem Bremskoeffizienten zwischen 17 und 18.
Die höchst mögliche Schneeauflage, bei der ein Luftfahrzeug starten kann, differiert nach Flugzeugtype und wird vom Hersteller vorgegeben . Für Flugzeuge der Type Boeing 737 beträgt die maximale Höhe bei nassem Schnee und Schneematsch jeweils 13 mm. Der minimale Bremskoeffizient muss auf allen drei Pistendritteln mindestens 20 betragen. Der Pilot konnte daher erkennen, dass auf der Piste 11/29 die Belagsstärke für einen Start jedenfalls zu hoch war. Aber auch auf Piste 19/34 konnte er aufgrund des zu geringen Bremskoeffizienten einen Start nicht verantworten.
Aufgrund der um 7:20 Uhr beendeten Räumung der Piste 11/29, bei der die Piste auch mit Enteisungsmitteln besprüht wurde, um den Bremskoeffizienten anzuheben, wurde um 7:25 Uhr der SNTM 0067 veröffentlicht, der für die nunmehr geräumte Piste „F 4/5“ (= trockener/nasser Schnee) bei einer Tiefe von 20 mm auswies. Durch das Besprühen war der Bremskoeffizient auf einen Wert von 22 bis 23 erhöht worden. Dadurch konnten zwar in einem Zeitfenster zwischen 7:25 und 8:30 Uhr Maschinen der Typen Airbus und Fokker starten, nicht aber Maschinen der Type Boeing, weil sich die zuvor ohnehin schon überschrittene grenzwertige Auflagestärke (13 mm) weiterhin erhöht hatte.
Ab 7:33 Uhr wurde mit der Räumung der Piste 16/34 begonnen, die um 8:44 Uhr abgeschlossen war. Der daraufhin veröffentlichte SNTM 0068 zeigte nun für diese Piste „F 56“ (= nasser Schnee/Schneematsch) bei einer Höhe von nur mehr 2 mm und einem Bremskoeffizienten zwischen 65 und 79. Der Pilot erhielt daraufhin um 8:45 Uhr die Erlaubnis zum Starten der Triebwerke. Allerdings war es zwischenzeitig erforderlich geworden, die Maschine zu enteisen. Dabei handelt es sich um ein zweistufiges Verfahren, das bei derart niedrigen Temperaturen erforderlich ist, üblicherweise zwischen 7 und 10 Minuten in Anspruch nimmt und vom Flugplatzbetreiber durchgeführt wird. Zumindest auch aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens dauerte es allerdings bis 9:46 Uhr, bis die Boeing 737 enteist war und abheben konnte. Hätte es keinen Engpass beim Enteisen gegeben, hätte die Maschine etwa um 9:10 Uhr abheben können.
Wie viele Räumfahrzeuge bei den jeweiligen Räumvorgängen im Einsatz waren, steht nicht fest. Ebenso wenig steht fest, ob der Zweitbeklagten der Einsatz von mehr als den tatsächlich eingesetzten Fahrzeugen möglich gewesen wäre und ob eine den Start des Fluges ermöglichende Räumung der Pisten zu einem solch früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre, dass der Kläger und seine Gattin den Anschlussflug in Frankfurt erreicht hätten. Auch steht nicht fest, dass der Zweitbeklagten der Betrieb weiterer Enteisungsanlagen möglich und zumutbar gewesen wäre. Jedenfalls hätten der Kläger und seine Gattin den Anschlussflug auch ohne Engpass bei der Enteisung nicht erreicht.
Aufgrund der Verspätung des Flugs ***** versäumten der Kläger und seine Ehegattin den Anschlussflug. Es war auch sonst kein Flug mehr verfügbar, der es den beiden ermöglicht hätte, ihre Kreuzfahrt rechtzeitig anzutreten. Auch ein späterer Antritt war mangels Zustiegsmöglichkeit auf das Schiff nicht möglich.
Der Kläger begehrt unter Berücksichtigung einer Kulanzleistung einer Reiseversicherung in Höhe von 3.000 EUR zuletzt 26.070 EUR. Die Verspätung seines Flugs hätte durch eine rechtzeitige und ausreichende Räumung der Pisten durch die Zweitbeklagte jedenfalls vermieden werden können; leichter Schneefall sei damals weder ungewöhnlich noch unvorhersehbar gewesen. Die Erstbeklagte hafte nach den Bestimmungen des Montrealer Übereinkommens (in der Folge kurz: MÜ) für den durch die Verspätung eingetretenen Schaden und habe für die Zweitbeklagte einzustehen; darüber hinaus bestehe auch zwischen dem Kläger und der Zweitbeklagten ein Vertragsverhältnis.
Die Erstbeklagte verwies auf die alleinige Verpflichtung der Zweitbeklagten zur Räumung der Bewegungsflächen; sie habe für die Zweitbeklagte nicht einzustehen und habe auf diese auch keine Einflussmöglichkeit gehabt.
Die Zweitbeklagte wendete ein, sie habe jede erdenkliche Maßnahme ergriffen; im Übrigen stehe sie mit dem Kläger in keinem Vertragsverhältnis.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Erstbeklagte hafte nicht, weil der Kläger gar nicht dargetan habe, welche konkreten Möglichkeiten sie gehabt hätte, bei der Zweitbeklagten eine relevante Beschleunigung der Pistenräumung zu erwirken. Mit dieser wiederum sei der Kläger aber nicht in einem Vertragsverhältnis gestanden; die Verpflichtung zur Entrichtung von Fluggastgebühren erfasse nur die Fluggastabfertigung, nicht aber Lande- und Anflugbahn.
Das Berufungsgericht verpflichtete die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 10.890,08 EUR und die Zweitbeklagte zusätzlich zur Zahlung von 15.179,92 EUR; es ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob das Verhalten der Zweitbeklagten der Erstbeklagten gemäß Art 19 Satz 2 MÜ zuzurechnen sei, ebenso fehle wie zur Frage, ob zwischen Kläger und Zweitbeklagter ein Vertragsverhältnis bestehe.
In der Sache selbst bejahte das Berufungsgericht beide Fragen, wobei es dazu insbesondere auf deutsche Literaturmeinungen verwies. Die Beklagten hätten nicht nachweisen können, dass sie alle vernünftigerweise von einem sorgfältigen Unternehmer und einer sorgfältigen Besatzung insbesondere auch vor dem Start zu veranlassenden Maßnahmen getroffen hätten.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen sind zulässig; sie sind auch berechtigt:
1. Nach Art 19 Satz 1 des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Montrealer Übereinkommen), BGBl III 131/2004, hat der Luftfrachtführer den Schaden zu ersetzen, der durch Verspätung bei der Luftbeförderung von Reisenden, Reisegepäck oder Gütern entsteht.
Es ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig, dass die Erstbeklagte als Luftfrachtführer für den Kläger tätig war und dass dem Kläger als Reisendem aufgrund des verspäteten Starts des Fluges ***** am 6. 1. 2010 vom Flughafen Wien nach Frankfurt ein Schaden in Höhe des im Revisionsverfahren noch geltend gemachten Klagsbetrags entstanden ist.
2. Nach Art 19 Satz 2 MÜ haftet der Luftfrachtführer jedoch nicht für den Verspätungsschaden, wenn er nachweist, dass er und seine Leute alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens getroffen haben oder dass es ihm oder ihnen nicht möglich war, solche Maßnahmen zu treffen. Aufgrund dieser Bestimmung kann der Luftfrachtführer im Verfahren behaupten und beweisen, dass ihn und seine Leute kein Verschulden am Verspätungsschaden trifft ( Schmid in Giemulla/Schmid , Montrealer Übereinkommen³ [2011] Art 19 Rz 43; Reuschle , Montrealer Übereinkommen² [2011] Art 19 Rz 45).
2.1. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, wie viele Räumfahrzeuge am 6. 1. 2010 vor dem Start des Fluges ***** um 9:46 Uhr von der Zweitbeklagten eingesetzt wurden und ob ein Einsatz von mehr Räumfahrzeugen sowie eine den Start des Fluges ermöglichende Räumung der Pisten zu einem solch früheren Zeitpunkt möglich gewesen wären, dass der Kläger seinen Anschlussflug in Frankfurt noch rechtzeitig erreicht hätte. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, steht somit nicht fest, dass die Zweitbeklagte an diesem Tag ihrer Räumverpflichtung durch rechtzeitigen und ausreichenden Einsatz von Räumfahrzeugen in einem Ausmaß nachgekommen ist, das angesichts der herrschenden Witterungsverhältnisse vernünftigerweise zu erwarten und daher auch zu fordern gewesen wäre (vgl zum Verschuldensmaßstab des Art 19 Satz 2 MÜ Reuschle aaO Rz 35, 36; Schmid aaO ‑ beide mit weiteren Nachweisen). Die Non‑liquet‑Feststellungen des Erstgerichts gehen sowohl zu Lasten der Erstbeklagten als Luftfrachtführer (Schweizer BG ZLW 1961, 133, 135; Schmid aaO; Reuschle aaO ‑ alle mit zahlreichen Nachweisen aus der Literatur) als auch zu Lasten der Zweitbeklagten (§ 1298 ABGB), sofern man ein Vertragsverhältnis zwischen ihr und dem Kläger unterstellen würde (vgl 4 . ), kann doch nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger bei früherer oder intensiverer Räumung der Pisten seinen Anschlussflug noch erreicht hätte und damit der eingetretene Schaden ausgeblieben wäre. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass nach den Feststellungen der Vorinstanzen bereits am 5. 1. 2010 gegen 22:00 Uhr (also rund 9 Stunden vor der Startzeit) „heftiger Schneefall“ eingesetzt hatte und dass bis gegen 7:00 Uhr des Abflugtags (also etwa zum Zeitpunkt des geplanten Starts) 10 cm Schnee gefallen waren, was bereits um 23:00 Uhr zur Belagsbildung auf den Pisten geführt hatte (vgl dazu Reuschle aaO Rz 40).
2.2. Richtig ist, dass dem Luftfrachtführer der Entlastungsbeweis regelmäßig gelingen wird, wenn der Flughafen wegen schlechter Wetterbedingungen geschlossen wird ( Reuschle aaO Rz 40; Schmid aaO Rz 46 ‑ beide mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Entgegen der von der Zweitbeklagten in ihrer Revision vertretenen Auffassung bedeutet dies aber nicht, dass der Entlastungsbeweis auch bei schlechten Wetterbedingungen allein gelingen muss; tatsächlich kann im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden, dass die Zweitbeklagte die Pisten zu spät und/oder mit zu wenigen Räumfahrzeugen, also zu wenig, geräumt hat, obwohl tatsächlich weitere Räumfahrzeuge vorhanden gewesen wären.
Wenn die Beklagten sich im Revisionsverfahren (weiterhin) auf höhere Gewalt berufen, weichen sie somit von dem von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt ab.
2.3. Überlegungen zur Frage der (verspäteten) Enteisung des Flugzeugs der Erstbeklagten können unterbleiben, hätte doch der Kläger nach den Feststellungen der Vorinstanzen den Anschlussflug „auch ohne Engpass bei der Enteisung nicht erreicht“.
3.1. Der Luftfrachtführer hat im Hinblick auf Art 19 Satz 1 MÜ nicht nur für eigenes, sondern auch für das Verschulden seiner „Leute“ einzustehen. Zu diesen gehören nach herrschender Auffassung nicht nur die Arbeitnehmer des Luftfrachtführers, sondern auch alle Personen, derer sich der Luftfrachtführer zur Ausführung der Beförderung bedient, sofern sie in Ausführung einer ihnen vom Luftfrachtführer übertragenen Verrichtung handeln (BGH VI ZR 121/88 NJW‑RR 1989, 723, 724; BGH I ZR 135/98; OLG Nürnberg TranspR 1992, 276, 278; Reuschle aaO Rz 38; Schmid aaO Rz 69); auf eine intensive Weisungsbefugnis des Luftfrachtführers kommt es dabei zwar nicht an, es müssen ihm aber doch Einwirkungsmöglichkeiten auf diese Personen zustehen (BGH I ZR 135/98). In der deutschen Literatur ( Schmid aaO Rz 71) wird dazu bisweilen auch der Flughafenbetreiber gezählt; dies vor allem dann, wenn er die Einsteige-Anlagen betreibt (gegenteilig jedoch LG Köln VersR 1981, 90). In Österreich besteht zu dieser Frage bislang keine Rechtsprechung. In der Literatur hat erst jüngst Rihs (Wer haftet für Flugverspätungen? ZVR 2012/141) die Frage insbesondere hinsichtlich der Räumung von Bewegungsflächen verneint.
3.2. Es ist im Revisionsverfahren nicht strittig, dass die Zweitbeklagte für den Betrieb der Pisten und deren Räumung verantwortlich war. Allerdings hat der Luftfrachtführer nur für „Leute“ einzustehen, die in Ausführung einer ihnen vom Luftfrachtführer übertragenen Verrichtung handeln ( Schmid aaO Rz 74; Rihs aaO); liegen deren Tätigkeiten hingegen im Interesse des Ablaufs des allgemeinen Flugverkehrs auf dem Flughafen, kann eine solche Verrichtung nicht angenommen werden (vgl Schwenk/Giemulla , Handbuch des Luftverkehrsrechts³ [2005] 581; Tetzlaff , Die Haftung von Flugplatzbetreibern gegenüber Luftfahrtunternehmen und Fluggästen im Falle von Flugverspätungen, TranspR 2011, 134).
Folgerichtig zählen Literatur und Rechtsprechung (in Deutschland) etwa die Flugsicherung, den Flugwetterdienst, den Flugleiter bei Ausübung der Luftaufsicht und die Sicherheitsbehörden nicht zu den Leuten iSd § 19 Satz 2 MÜ, wohl aber das für den Luftfrachtführer tätig werdende Abfertigungspersonal anderer Luftfrachtführer, den Fluggast‑Vorfeld‑Beförderer oder den am Flughafen eingerichteten Treibstofflieferanten (vgl die Nachweise bei Schmid aaO 70, 71). Der wesentliche Unterschied besteht vor allem darin, dass der Luftfrachtführer auf letztere Einfluss nehmen kann, während etwa Flugsicherung, aber eben auch die Pistenräumung seiner Einflussnahme entzogen sind. Der erkennende Senat schließt sich somit der vom LG Köln (VersR 1981, 90) vertretenen Rechtsansicht an; ist der Flughafenbetreiber für die Räumung der Pisten verantwortlich, zählt er insoweit nicht zu den Leuten des Luftfrachtführers.
Für Österreich ist diese Auffassung insbesondere auch durch § 6 Zivilflugplatz‑Betriebsordnung ‑ ZFBO (BGBl 610/1986) zu begründen. Danach hat der Halter eines öffentlichen Zivilflugplatzes unter anderem dafür zu sorgen, dass während der Betriebszeiten die Bewegungsflächen des Zivilflugplatzes (das sind gemäß § 1 Zivilflugplatz‑Verordnung BGBl 313/1972 jene Teile von Land- und Wasserflugplätzen, die für die Bewegung von Luftfahrzeugen auf dem Boden [Wasser] bestimmt sind), wozu auch Start- und Landepisten gehören ( Rihs aaO), in betriebsbereitem Zustand verfügbar sind. Die dazu notwendigen Tätigkeiten werden also im Interesse des Ablaufs des allgemeinen Flugverkehrs auf dem Flughafen und nicht in Erfüllung einer dem Flughafenbetreiber vom Luftfrachtführer übertragenen Verrichtung ausgeführt. Auch Rihs (aaO) geht daher davon aus, dass etwa das Räumen der Bewegungsflächen zu jenen Dienstleistungen des Flughafenbetreibers gehört, die dieser allein aufgrund seiner Betriebspflichten und nicht etwa aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung erbringt, weshalb sie keiner Weisungsbefugnis durch den Luftfrachtführer unterliegen und weshalb der Flughafenbetreiber nicht zu den Leuten des Luftfrachtführers iSd Art 19 Satz 2 MÜ gehört.
3.4 Abgesehen davon, dass sich der Klägerin bereits im zweitinstanzlichen Verfahren ausdrücklich nur auf den „Leute“‑Begriff des Art 19 Satz 2 MÜ gestützt hat (im Unterschied zum Erfüllungsgehilfenbegriff nach § 1313a ABGB), ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass der Begriff „Leute“ vertragsautonom auszulegen ist (BGH I ZR 135/98) und daher nicht iSd § 1313a ABGB interpretiert werden darf ( Schmid aaO Rz 67). Dies gilt insbesondere für die Frage der Weisungsbefugnis (vgl widerum BGH I ZR 135/98).
3.5. Soweit der Kläger im Revisionsverfahren der Erstbeklagten vorwirft, nicht rechtzeitig einen anderen Flugzeugtyp gewählt zu haben, mit dem früher gestartet hätte werden können, entfernt er sich von seinem erstinstanzlichen Vorbringen.
3.6. Damit war aber hinsichtlich der Erstbeklagten die abweisliche Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
4. Das Berufungsgericht hat ein eigenes Vertragsverhältnis zwischen Kläger und Zweitbeklagter angenommen.
4.1. Nach deutscher Literatur ist der Flughafen verpflichtet, den Fluggästen gegenüber die Einrichtungen vorzuhalten und zu betreiben, die ihre Beförderung durch den Luftfrachtführer ermöglichen und die zwangsläufig mit dem Betrieb des Flughafens zusammenhängen ( Schwenk/Giemulla , Handbuch des Luftverkehrsrechts [2005] 581; Tetzlaff aaO). Dafür kassiere der Flughafen die Fluggastgebühr, die der Luftfrachtführer zusammen mit dem Flugpreis einhebt und an den Flughafen abführt ( Schwenk/Giemulla aaO; Tetzlaff aaO). Die unzureichende Vorhaltung von Resourcen gegen witterungsbedingte Flugverspätungen sei dabei vom Schutzbereich dieses Vertrags umfasst ( Tetzlaff aaO). Erst jüngst hat allerdings Sigl (Zur Haftung von Flughafenbetreibern gegenüber Fluggästen und Besuchern, TranspR 2012, 349) auch für die deutsche Rechtslage ein Vertragsverhältnis zwischen Flugplatzbetreiber und Fluggast bei Verspätungsschäden verneint. Dieser Auffassung folgt für Österreich Rihs (aaO).
4.2. Nach dem Anhang zum Flughafen-Bodenabfertigungsgesetz BGBl 97/1998 umfasst die Fluggastabfertigung die gesamte Fluggastbetreuung beim Abflug, bei der Ankunft, während des Transits oder bei Anschlussflügen, insbesondere die Kontrolle der Flugscheine und der Reiseunterlagen sowie die Registrierung des Gepäcks und dessen Beförderung bis zu den Sortieranlagen (vgl Sigl aaO). Dem gegenüber ist die widmungsgemäße Nutzung jener Flächen, die vom Flugplatzbetreiber für die Zwecke der Luftfahrt (verpflichtend) betrieben und vorgehalten werden, den Luftverkehrsunternehmen vorbehalten; Kontrahierungszwang, Betriebs‑ und Vorhaltepflichten bestehen ausschließlich gegenüber den Luftverkehrsunternehmen, die Abstell‑ und Bewegungsflächen zur Abwicklung der Beförderungsverträge nützen ( Rihs aaO). Zuletzt kann auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Fluggastgebühren vom Flugplatzbetreiber gegenüber den Luftverkehrsunternehmen eingehoben werden.
Aus all dem folgt aber für die österreichische Rechtslage, dass zwar zwischen dem Luftfrachtführer und dem Flugplatzbetreiber, nicht aber zwischen letzterem und dem Fluggast ein Vertragsverhältnis angenommen werden kann, welches einem Schadenersatzanspruch infolge Verspätung eines Fluges aufgrund mangelhafter Räumung der Bewegungsflächen zugrundegelegt werden könnte.
4.3. Der Oberste Gerichtshof hat zwar bereits entschieden (7 Ob 738/80 SZ 53/169), dass der soeben erwähnte Vertrag zwischen Luftfrachtführer und Flugplatzbetreiber auch Schutz‑ und Sorgfaltspflichten gegenüber Vertragspartnern des Luftfrachtführers entfalten kann, also gegenüber den Fluggästen; diese Entscheidung bezog sich jedoch auf einen Sturzunfall, den ein Fluggast auf dem Weg vom Flughafengebäude zum Flugzeug erlitten hatte. Ob ein derartiger Vertrag zugunsten Dritter Schutz‑ und Sorgfaltspflichten auch dann auslöst, wenn es zu einer mangelhaften Räumung der Bewegungsflächen für die Flugzeuge und deshalb zu einem verspäteten Abflug eines Flugzeugs kommt, braucht hier jedoch nicht erörtert zu werden (verneinend Sigl aaO), weil der Kläger ausschließlich einen Vermögensschaden geltend macht (RIS‑Justiz RS0022475); im Übrigen hat er sich auch weder im Verfahren erster Instanz noch in seiner Berufung auf eine derartige Anspruchsgrundlage gestützt.
4.4. Damit war aber auch hinsichtlich der Zweitbeklagten die abweisliche Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Dabei war hinsichtlich der Berufungsbeantwortung der Erstbeklagten lediglich von einer Bemessungsgrundlage von 10.890,08 EUR auszugehen; für ihre Revision steht ihr kein Streitgenossenzuschlag zu.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)