OGH 2Ob208/12w

OGH2Ob208/12w25.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andreas S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Poleschinski, Rechtsanwalt in Hartberg, gegen die beklagte Partei D***** Rechtsanwälte GmbH, *****, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei U***** D*****, vertreten durch Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwältin in Bruck an der Mur, wegen 13.105,49 EUR sA (Revisionsinteresse 8.160,45 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. Juli 2012, GZ 4 R 77/12v-84, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Jänner 2012, GZ 17 Cg 1/11a-74, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Der Kläger war mit seinem PKW an einem von seinem Unfallgegner allein verschuldeten Verkehrsunfall beteiligt. Er begehrte zunächst außergerichtlich vom Haftpflichtversicherer des PKWs seines Unfallgegners Ersatz, der unter anderem mit der Begründung verweigert wurde, die Schäden am Fahrzeug des Klägers seien durch den Unfall nicht verursacht worden.

Der Kläger wandte sich an einen Partner der nunmehr geklagten Rechtsanwaltsgesellschaft und erörterte mit diesem die Klagseinbringung. Er teilte dabei seinem Anwalt auch mit, sein Fahrzeug habe keinen Vorschaden gehabt, seine Eltern und seine Freundin, die das Fahrzeug in unbeschädigtem Zustand gesehen hätten, könnten dies bestätigen.

Im Vorprozess klagte der durch die nunmehrige Beklagte anwaltlich vertretene Kläger seinen Unfallgegner und den Haftpflichtversicherer von dessen PKW auf Zahlung von 4.140 EUR (Totalschadensabrechnung 3.780 EUR, Schmerzengeld 300 EUR, pauschale Unkosten 60 EUR). In einer mündlichen Streitverhandlung kam der verkehrstechnische Sachverständige im Zuge seiner Gutachtenserstattung zum Ergebnis, dass die von ihm rekonstruierten Geschwindigkeiten mit den Schäden, insbesondere jenen am Klagsfahrzeug, nicht zusammenpassen. Trotz eines nochmaligen Hinweises des Klägers an seinen Vertreter, seine Eltern und seine Freundin könnten die Vorschadensfreiheit sein Fahrzeugs bezeugen, beantragte der Klagevertreter deren Einvernahme als Zeugen nicht. Am Ende der Streitverhandlung verkündete die Richterin das Urteil: Sie gab dem Klagebegehren mit 360 EUR sA (Schmerzengeld und pauschale Unkosten) statt und wies das Mehrbegehren von 3.780 EUR sA ab.

Im Zuge der schriftlichen Urteilsausfertigung zeigte die Erstrichterin den Kläger bei der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des versuchten Betrugs gemäß §§ 15, 146 StGB an: Er habe Vorschäden als unfallkausal dargestellt und durch diese Täuschung eine ihm nicht zustehende Schadenersatzzahlung zu erwirken versucht.

Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil blieb ohne Erfolg, die Revision wurde vom Berufungsgericht gemäß § 502 Abs 3 ZPO für jedenfalls unzulässig erklärt.

Die Staatsanwaltschaft brachte auf Grundlage der erwähnten Anzeige gegen den Kläger einen Strafantrag ein. Der Kläger wurde in der Hauptverhandlung von dem gegen ihn erhobenen Betrugsvorwurf (rechtskräftig) gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Dem Kläger erwuchsen durch den Strafprozess Aufwendungen, die durch staatliche Zahlungen aufgrund des Freispruchs nicht voll abgedeckt wurden.

Im nunmehrigen Haftungsprozess macht der Kläger den Schaden geltend, der ihm dadurch, dass sein seinerzeitiger Vertreter im Vorprozess die Einvernahme seiner Eltern und seiner Freundin als Zeugen für die Vorschadensfreiheit seines Kfz nicht beantragt hat, erwachsen sei. Hätte sein damaliger Vertreter diesen Beweisantrag gestellt, so hätte der Kläger im Vorprozess nicht nur in einem höheren Ausmaß (samt entsprechenden Kostenfolgen) obsiegt, sondern wäre auch die Strafanzeige und das Strafverfahren unterblieben, weshalb ihm auch die dadurch verursachten Kosten nicht entstanden wären.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 8.160,45 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 4.945,05 EUR sA ab. Es stellte für den Fall, dass der vormalige Vertreter des Klägers im Vorprozess die Einvernahme der Eltern und der Freundin des Klägers als Zeugen zum Beweis für die Vorschadensfreiheit des Kfz des Klägers beantragt hätte, folgenden fiktiven Geschehensablauf fest: Die genannten Personen wären als Zeugen einvernommen worden und hätten übereinstimmend und glaubwürdig ausgesagt, sie hätten vor dem Unfall am Kfz des Klägers keine Schäden wahrgenommen. Dem Kläger wären im Vorprozess weitere 1.500 EUR (samt entsprechenden Kostenfolgen) als Reparaturkosten zugesprochen worden. Ein pflichtgemäß handelnder Richter hätte den Kläger nicht wegen versuchten Betrugs angezeigt (weshalb auch keine Kosten eines Strafverfahrens entstanden wären).

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Streitteile nicht Folge. Im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge führte das Berufungsgericht aus, die Erstrichterin im Vorprozess habe im nunmehrigen Verfahren ausgesagt: „Ich habe für mich beschlossen, das Ganze zur Staatsanwaltschaft zu schicken, wie ich die Berufungsanmeldung bekommen habe, weil ich habe das als frech empfunden.“ Die Unterlassung der Zeugennamhaftmachung zur augenscheinlichen Vorschadensfreiheit des klägerischen Fahrzeugs erscheine nicht völlig ungeeignet, eine Strafanzeige durch das Entscheidungsorgan wegen des Verdachts des versuchten Prozessbetrugs herbeizuführen, die ein Strafverfahren und Verteidigerkosten nach sich ziehe. Die Kosten des gegen den Kläger geführten Strafverfahrens seien durch die unterbliebene Namhaftmachung der Zeugen zur Vorschadensfreiheit adäquat und schuldhaft verursacht worden.

Das Berufungsgericht ließ die Revision aus folgendem Grund zu: Eine erhebliche Rechtsfrage liege vor, weil die Ansicht vertreten werden könnte, dass objektiv nicht damit zu rechnen sei, ein der Bestimmung des § 78 StPO (§ 84 StPO aF) verpflichtetes Entscheidungsorgan werde seine Anzeige an die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts einer Straftat einer Partei von der Anmeldung einer Berufung in seinem Verfahren abhängig machen. Bei dieser Rechtsauffassung würde die Beklagte nicht für die Kosten des Klägers im Strafverfahren haften.

Die Revision der Beklagten ist unzulässig.

Das Berufungsgericht hat keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt:

Rechtliche Beurteilung

Ob im Einzelfall ein Schaden noch als adäquate Folge eines schädigenden Ereignisses anzusehen ist, betrifft im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, weil dabei die Umstände des Einzelfalls maßgebend sind und der Lösung dieser Frage keine über den Anlassfall hinausgehende und daher keine erhebliche Bedeutung im Sinn der angeführten Gesetzesstelle zukommt (RIS-Justiz RS0110361). Adäquitätsfragen sind daher nur dann revisibel, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer gravierenden Fehlbeurteilung beruht (RIS-Justiz RS0110361 [T4]).

Hier geht es nicht um die Frage, ob die dargestellte - bedenkliche - Vorgangsweise der Erstrichterin im Vorprozess, die Berufungsanmeldung (weil „frech“) zum Anlass einer Strafanzeige zu machen, für den eingetretenen Schaden der Kosten des Strafverfahrens adäquat ursächlich ist. Es geht vielmehr darum, ob die dargestellte Unterlassung der Beklagten als Vertreterin des Klägers im Vorprozess den Verdacht gegen den Kläger wegen Betrugsversuchs und somit die Strafanzeige und die daraus resultierenden Kosten adäquat verursacht hat oder nicht. Dies haben die Vorinstanzen durchaus vertretbar und daher nicht korrekturbedürftig bejaht.

Auch die Revisionswerberin hat keine erhebliche Rechtsfrage aufgeworfen:

Sie sieht eine erhebliche Rechtsfrage darin, ob ein sorgfältig handelnder Rechtsanwalt im Zivilverfahren einen Zeugenbeweis für die Vorschadensfreiheit eines Fahrzeugs anbieten muss, um eine (allfällige) Strafanzeige durch den erkennenden Richter abzuwenden, der eine Anzeige an die zuständige Staatsanwaltschaft nur wegen eines (angenommenen) Verdachts auf Prozessbetrug von der Anmeldung einer Berufung in seinem Verfahren abhängig gemacht hat.

Damit hat die Revisionswerberin nur die ganz konkreten Sachverhaltselemente des vorliegenden Einzelfalls angeführt, die über diesen hinaus für die allgemeine Frage des Sorgfaltsmaßstabs eines Rechtsanwalts keine Relevanz haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Stichworte